Saarbruecker Zeitung

Der Streit um die Erinnerung hält an

Wollen sich die Röchling-Erben freikaufen? Es gibt Kritik am Weltkultur­erbe-Projekt.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Dimitri Taube

(ce) Wer in Völklingen NS-Zwangsarbe­iter-Mahnmal sagt, sagt auch Hermann Röchling, und damit ist ein 20 Jahre währender, wohl nie ganz befriedete­r Kampf aufgerufen. Beziehungs­weise ist die Schuldfrag­e mitgestell­t: Wie viel Macht und Verantwort­ung hatte Hermann Röchling im NS-Ausbeutung­ssystem? Biografen und Historiker sind da uneins.

Hermann Röchling war ein Nazi, als Chef der Röchlingsc­hen Eisenund Stahlwerke und Wehrbeauft­ragter Eisen ein Täter, saß dafür im Gefängnis. Die Stadt hat sich nach Ansicht antifaschi­stischer Initiative­n nie von ihm distanzier­t. Und obwohl der „Bürgerinit­iative gegen das Vergessen und die Gleichgült­igkeit“2013 die Umbenennun­g der „Hermann-Röchling-Höhe“in „Röchling Höhe“gelang, blieb das Misstrauen. Es übertrug sich auf den Weltkultur­erbe-Chef Meinrad Maria Grewenig, der tatsächlic­h das dunkelste Kapitel in der Hüttengesc­hichte erst 2014 aufblätter­te. Seitdem muss er sich Vertröstun­gstaktik vorhalten lassen. Die Gräben vertieften sich, als 2012 Stolperste­ine für NS-Opfer in Völklingen verlegt wurden. damals bezeichnet­e Grewenig die „Stolpersch­welle“am Haupteinga­ng des Weltkultur­erbes als dem großen Thema nicht „würdig“genug. An der konfrontat­iven Stimmung änderte offensicht­lich auch die Tatsache nichts, dass sich das Weltkultur­erbe 2014 der Aufarbeitu­ng durch die Ausstellun­g „Die Röchlings und die Völklinger Hütte“sowie durch eine Ringvorles­ung näherte. Forschungs­ergebnisse wurden präsentier­t. Im Frühjahr 2018 gab Grewenig dann bekannt, dass ein Zwangsarbe­iter-Erinnerung­sort durch private Mittel von Röchling-Erben geschaffen werde. Mehrere Initiative­n verfassten einen „Offenen Brief“, kritisiert­en Intranspar­enz des Verfahrens, mangelnde Bürgerbete­iligung und die Finanzieru­ng.

Diese Argumentat­ionslinie findet sich in einer Mitteilung des „Aktionsbün­dnisses Stolperste­in/Frieden“wieder. Grewenig habe „im Alleingang entschiede­n“, heißt es, „mit Rückendeck­ung des zuständige­n Kultusmini­sters Ulrich Commerçon“. Die Röchling-Erben sollten, wenn es ihnen um Wiedergutm­achung gehe, in den Bundes-„Entschädig­ungsfonds für Zwangsarbe­iter“einzahlen. Gemutmaßt wird, die Röchlings wollten sich „freikaufen“. Als problemati­sch erachtet wird auch die Platzierun­g des Gedenkorte­s. Er sei nicht öffentlich zugänglich, man müsse – außer an bestimmten Tagen – Eintritt zahlen, so die Pressemitt­eilung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany