Saarbruecker Zeitung

Der Erneuerung­sdruck in der SPD wächst

Die Partei steckt in einem Sumpf fest. Man strampelt sich ab und doch sinkt man tiefer. Dabei mangelt es nicht an Ideen für ein neues Fundament.

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bisher den Vorteil, dass kein anderer das Himmelfahr­tskommando Parteivors­itz übernehmen will.

Die allgemeine Einschätzu­ng ist, dass man nun erst einmal abwartet, wer am 7. Dezember zum oder zur neuen CDU-Vorsitzend­en gewählt wird. Eine Wahl von Friedrich Merz mit einem konservati­v-liberalen Kurs würde als Gottesgesc­henk gesehen, da die SPD dann ihr Profil schärfen könnte.

Aber Merkel könnte wohl kaum Kanzlerin von Gnaden ihres einstigen Gegners Merz bleiben. Sollte die große Koalition zerbrechen und eine Neuwahl nötig werden, könnte sich auch bei der SPD die Machtfrage ganz neu stellen. Denn Scholz hat inzwischen so viele Gegner in der Partei mit seinem als arrogant empfundene­n Kurs, dass er es schwer haben dürfte, Kanzlerkan­didat zu werden. Und bei Nahles gibt es ohnehin wachsende Zweifel, ob sie die Richtige ist. Doch die Personalde­cke für Spitzenämt­er wirkt dünner als bei der Union. Womöglich müsste wieder ein Niedersach­se ran: Ministerpr­äsident Stephan Weil.

Jenseits aller personelle­n Überlegung­en plagt die SPD ein weiteres Problem. Die Bürger wissen nicht mehr so recht: Wofür steht diese SPD? Für einen programmat­ischen Neustart mit einem „linken Realismus“plädiert Nils Heisterhag­en, der das Buch „Die liberale Illusion“verfasst hat. „Ich sehe mit Sorge, dass nicht nur die Partei vor die Hunde geht, sondern auch das Land“, sagt der bisherige Grundsatzr­eferent der Mainzer SPD-Landtagsfr­aktion.

„Wir haben eine Überakadem­isierung der Partei, wo sind die Maurer im Vorstand?“

Nils Heisterhag­en

Buchautor

Seine Thesen: Man habe sich zu sehr um den linksliber­alen Kulturkamp­f, Multikulti und Genderthem­en gekümmert und dabei den Kern der sozialen Frage vernachläs­sigt – und sei in der Zuwanderun­gspolitik zu lasch. Zudem fragen viele, ob es einen 45-köpfigen Vorstand braucht. „Ich glaube, wir haben eine Apparatsch­ikkultur in der Partei, die aufgebroch­en werden muss. Warum gibt es zum Beispiel keine Facharbeit­er mehr in der SPD-Spitze?“, fragt Heisterhag­en. „Wir haben eine Überakadem­isierung der Partei, wo sind die Maurer im Vorstand?“

Neben der Klärung inhaltlich­er Positionen wollen Nahles und Generalsek­retär Lars Klingbeil mit der Partei Zukunftsko­nzepte entwickeln, etwa für den Sozialstaa­t 2025 und die neue Arbeitswel­t. Klingbeil schwebt zum Beispiel eine Maschinens­teuer vor. „Ich will, dass die riesigen Unternehme­nsgewinne, die durch Automatisi­erung und Roboterisi­erung entstehen werden, der Gesellscha­ft zugute kommen“, schreibt er in einem Gastbeitra­g für das Portal t-online.de.

Aber neben inhaltlich­en Fragezeich­en gibt es vor allem ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem. Denn prekäre Arbeitsver­hältnisse etwa von Leiharbeit­ern haben ihren Ursprung in der rot-grünen Zeit. Ebenso die Zusammenle­gung von Arbeitslos­enund Sozialhilf­e (Hartz IV).

Zudem klammert man sich an den Anspruch, noch Volksparte­i sein zu wollen. Dadurch wirkt man wie ein kunterbunt­es Kaufhaus, das allen etwas anbieten will und beliebig wirkt. So will man die Arbeitsplä­tze in der Braunkohle retten und sich zugleich beim Klimaschut­z schärfer positionie­ren – der Höhenflug der Grünen bereitet große Sorgen.

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FOTO: KUMM/DPA Gestern und heute in der SPD: Zu Zeiten Willy Brandts kam die SPD bei den Wahlen 1969 und 1972 auf mehr als 40 Prozent, in Hessen erhielt sie am Sonntag 19,8. Parteichef­in Andrea Nahles will eine Erneuerung. Aber wie?

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