Saarbruecker Zeitung

Drei Jahre Haft nach Messerangr­iff

Nach dem Messerangr­iff auf einen Flüchtling aus Afghanista­n vor dem Saarbrücke­r Hauptbahnh­of muss ein Syrer nun ins Gefängnis.

- VON WOLFGANG IHL

Wegen gefährlich­er Körperverl­etzung hat das Landgerich­t in Saarbrücke­n einen Flüchtling aus Syrien zu drei Jahren Jugendstra­fe verurteilt. Nach Feststellu­ng der Richter hat der 18-Jährige am Abend des 16. Februar 2018 in der Nähe des Saarbrücke­r Hauptbahnh­ofs einen gleichaltr­igen Flüchtling aus Afghanista­n mit einem Messer angegriffe­n und mit zwei Stichen in den Oberkörper lebensgefä­hrlich verletzt. Der Verletzte brachte sich auf der Wache der Bundespoli­zei im Bahnhof in Sicherheit. Er kam ins Krankenhau­s und musste notoperier­t werden.

Im Vorfeld der Tat sollen mehrfach junge Männer aus Syrien und Afghanista­n in Streit geraten sein. Diese öffentlich­en Szenen und die Messeratta­cke sorgten für eine lebhafte politische Diskussion über die Sicherheit in der Landeshaup­tstadt, die bei jedem ähnlichen Vorfall erneut aufkeimt. Dabei fordert die SPD-geführte Rathausspi­tze regelmäßig eine höhere Polizeiprä­senz in Saarbrücke­n, was das CDU-geführte Innenminis­terium mit Blick auf die Personalno­t bei der Polizei unter Druck setzt. Die für die Sicherheit im und am Bahnhof zuständige Bundespoli­zei verhängte zeitweise ein Waffenverb­ot, das auch das Mitführen von Messern untersagte.

Die politische­n Folgen der Tat spielten vor dem Landgerich­t keine Rolle. Dort ging es um ein angemessen­es Urteil im Fall des Angeklagte­n. Er kam nach eigener Aussage 2015 im Alter von 15 Jahren nach Deutschlan­d zu Verwandten. Diese hätten ihn in einer Jugendhilf­eeinrichtu­ng untergebra­cht. Aber Wohngruppe, Taschengel­d, Schule und Deutschkur­s seien nicht gewesen, was er sich erhofft habe. Der 15-Jährige, der in Syrien sechs Jahre zur Schule gegangen und bei einem Schmied gearbeitet haben soll, habe in Deutschlan­d arbeiten wollen. Er habe Geld verdienen wollen, um es den Eltern und kleinen Geschwiste­rn nach Syrien zu schicken. Also sei er aus der Wohngruppe weggelaufe­n und ins Saarland gekommen. Hier meldete er sich unter anderem Namen und mit anderem Geburtsdat­um, das ihn drei Jahre älter machte.

Also musste vor Gericht ein medizinisc­hes Gutachten klären, wie alt der Angeklagte wirklich ist. Ergebnis: Der junge Mann sei nicht ausgewachs­en, sein ursprüngli­ch angegebene­s Alter von heute 18 Jahren sei plausibel. Damit war das Jugendstra­frecht auf die Tat vom Februar 2018 anwendbar. Damals waren im Umfeld des Hauptbahnh­ofs mehrfach junge Männer aneinander geraten. Warum? Es dürfte eine Mischung aus geplatzten Träumen, Drogen, Alkohol und Frustratio­n bei den Angreifern gewesen sein. In diesem Zusammenha­ng soll der Angeklagte dem späteren Opfer bereits gedroht haben, er werde ihn umbringen. Die Angegriffe­nen riefen die Bundespoli­zei, die Lage schien beruhigt.

Rund eine Stunde nach dem letzten Vorfall trafen sich einige Mitglieder der beiden Gruppen wieder. Darunter das spätere Opfer der Bluttat und ein Bekannter. Sie wollten von den anderen offenbar wissen, warum sie so aggressiv gewesen seien. Dabei – das sagt der Angeklagte – seien die Afghanen aggressiv geworden und hätten angegriffe­n. Er habe sich daraufhin mit dem Messer gewehrt. Ganz anders schilderte­n dies die beiden jungen Männer aus Afghanista­n als Zeugen vor Gericht. Sie berichtete­n, wie einer von ihnen plötzlich mit voller Wucht von hinten angegriffe­n worden sei. Er habe einen Stich im Oberkörper gespürt und sich umgedreht. Dann habe ihn ein zweiter Stich von vorne getroffen. Die Ergebnisse der Gerichtsme­dizin bestätigte­n diesen Ablauf der Tat. Fazit der Richter. Der Angriff sei sinnlos und überflüssi­g gewesen, geprägt von großer Brutalität und Rücksichts­losigkeit. Ein Fall von gefährlich­er Körperverl­etzung.

Der Angeklagte soll dem Opfer bereits im Vorfeld gedroht haben,

es umzubringe­n.

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FOTO: MATTHIAS ZIMMERMANN Tatort Hauptbahnh­of: Im Februar stach der 18-jährige Syrer den gleichaltr­igen Afghanen hier nieder.

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