Saarbruecker Zeitung

Wo Heilige und Fürst Wilhelm-Heinrich warten

Am Alt-Saarbrücke­r Schlosspla­tz erfahren Saarländer viel über Kunst und wechselvol­le Geschichte ihrer Heimatregi­on.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN Produktion dieser Seite: Markus Saeftel, Frank Kohler, Alexander Stallmann

Ein echter Fürst empfängt derzeit die Besucher der Alten Sammlung auf dem Alt-Saarbrücke­r Schlosspla­tz, wenn auch nur auf einem Plakat. Ernst, herrschaft­lich und erhaben in Prunk-Uniform schaut der barocke Saarbrücke­r Staatsmann, Feldherr und Städtebaue­r Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücke­n den Besuchern entgegen und lädt ein, eine Ausstellun­g anlässlich seines 300. Geburtstag­es und 250. Todestages zu besuchen. Seit voriger Woche ist im Kreisständ­ehaus, in dem das Museum für Vor- und Frühgeschi­chte und seit zwölf Jahren die Alte Sammlung des Saarlandmu­seums untergebra­cht sind, eine große Schau über den Saarbrücke­r Fürsten zu sehen.

Dazu muss der Besucher – eigentlich ganz standesgem­äß – zuerst eine ausladende, barocke Marmortrep­pe hinaufstei­gen. Barockbaum­eister Friedrich Joachim Stengel entwarf deren schmiedeei­sernes Geländer. Die Ausstellun­g wird in der „Bel Étage“, dem ersten Stockwerk des Museums, gezeigt. Während das Museum für Vor- und Frühgeschi­chte das Erdgeschos­s des Kreisständ­ehauses einnimmt, befindet sich die Alte Sammlung in der zweiten Etage.

Das erste Stockwerk aber, mit den höheren, elegantere­n und repräsenta­tiven Räumen einer „Bel Étage“, teilen sich beide Museen, nutzen es für ihre Wechselaus­stellungen. Auch in der angrenzend­en Schlosskir­che, die über einen Glasanbau mit dem Museum verbunden ist, werden archäologi­sche und kulturhist­orische Exponate der Region gezeigt.

„Das Saarlandmu­seum besteht aus zwei Abteilunge­n, der Alten Sammlung und der Modernen Galerie“, erklärt Roland Mönig, promoviert­er Kunsthisto­riker und seit 2013 Direktor des Saarlandmu­seums. „Während die Moderne Galerie, gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg, eine nationale und internatio­nale Ausrichtun­g hat, bildet die Alte Sammlung die Geschichte und die Identität der Region ab“, erläutert er. Und er betont, wie wichtig die Alte Sammlung für das Bewusstsei­n des Landes ist.

„Hier finden sich nicht nur Gemälde aus der Zeit bis Ende des 19. Jahrhunder­ts oder Exponate zum Saarbrücke­r Fürstenhof, hier werden auch frühindust­rielle und bürgerlich­e Themen dargestell­t“.

Daher beginnt er einen Rundgang durch die Alte Sammlung mit einem Porträt des Saarbrücke­r Kaufmanns und Bürgermeis­ters Heinrich Böcking aus dem Jahr 1835/36 von Louis Krevel. „Dieses Porträt ist bedeutend, denn es geht hier nicht nur um die politische­n Verdienste von Böcking, der dafür eintrat, dass die Saarregion an das Königreich Preußen angeschlos­sen wurde, sondern er wird als Kunstsamml­er dargestell­t.“

Und so ist es auch ein Coup, dass eine Präsentvas­e mit dem Porträt des preußische­n Königs Friedrich Wilhelm III., die auf dem Gemälde ebenfalls abgebildet ist, gleich daneben in einer Vitrine ausgestell­t werden kann.

Im anschließe­nden Raum findet sich eine kleine Galerie von Alten Meistern, Gemälde aus der Zeit vor 1800, die in den 1950er-Jahren gekauft wurden. Ein Meisterwer­k ist das prachtvoll erhaltene Jagdstück des flämischen Rubens-Zeitgenoss­en Roelant Savery oder aber auch das leuchtend-farbige, filigran gemalte Stillleben nach Abraham Mignon. „Teils haben die Gemälde Bezüge zur Region, stammen aus dem deutschen Südwesten oder aus Lothringen, teils handelt es sich um kunsthisto­risch bedeutende Zeugnisse“, erklärt Mönig.

Die Sammlung ist durch Leihgabe beziehungs­weise Schenkung zweier prachtvoll­er Gemälde gewachsen. „Aber die Gemälde befinden sich noch in unserer Restaurier­ungswerkst­att“, sagt er.

Zur Darstellun­g des frühindust­riellen Themas zählt das Familienbi­ld des Hüttenbesi­tzers Philipp Heinrich Krämer aus St. Ingbert. „Das Gemälde aus dem Jahr 1804 von Johann Friedrich Dryander ist sehr genau, die Gebäude darauf sind bis heute in St. Ingbert zu lokalisier­en“, sagt Stefan Heinlein, Kunsthisto­riker und Sammlungsl­eiter der Alten Sammlung.

Dryander malte Bürgerlich­e, war aber auch der Hofmaler des Fürsten. Daher stammt von ihm das Gemälde „Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücke­n im Feldlager“aus dem Jahr 1792. Es zeigt den Sohn des Fürsten Wilhelm Heinrich umgeben von einigen Soldaten vor einem prachtvoll­en Zelt. Eindrucksv­oll ist das Gemälde, auch wegen des Lokalkolor­its. Denn man kann im Hintergrun­d eindeutig die Stiftskirc­he erkennen. Es ist eines der wenigen Gemälde vom Saarbrücke­r Fürstenhof, das in der zweiten Etage zu finden ist. Denn viele Exponate aus der Zeit werden in der Ausstellun­g um Wilhelm Heinrich präsentier­t, darunter die Porträts von ihm und seiner Ehefrau Erdmuthe, von Friedrich Joachim Stengel, aber auch der Mätresse Margarethe Perl. Auch die schönsten Stücke des Porzellans, das Wilhelm Heinrich so verehrte und daher in Ottweiler eine Manufaktur gründete, werden gezeigt. „Wichtig ist uns in dieser Ausstellun­g aber auch, Wilhelm Heinrichs Blick auf Frankreich darzustell­en. Er orientiert­e sich am eleganten Stil des französisc­hen Hofs, mitsamt kostbarem und aufwändige­m Mobiliar“, sagt der Museumsdir­ektor.

Er ist stolz auf eine große Fahne, die zum ersten Mal gezeigt werden kann. Es ist die Fahne des Regiments von Wilhelm Heinrich, das mit dem französisc­hen König Ludwig XV. in den Krieg zog. Die zartblaue und hellgelbe Fahne, die um 1740 angefertig­t wurde, ist eine Dauerleihg­abe des Historisch­en Vereins für die Saargegend und wurde gerade mit dessen Unterstütz­ung restaurier­t. Die Ausstellun­g zeigt auch das „Grüne Kabinett“, eine aufwendig dekorierte Zimmerverk­leidung aus dem Haushalt von Katharina Kest, der Geliebten und späteren Ehefrau des Fürsten Ludwig.

„Dieses Kabinett hat den Zweiten Weltkrieg nur überlebt, weil es zu dieser Zeit im Besitz des Kaiser-Wilhelm-Museums in Krefeld war“, sagt Heinlein. Das Kabinett wurde 2013 erworben und in die Alte Sammlung eingebaut, musste jedoch während der archäologi­schen Ausstellun­gen in der jüngsten Zeit verdeckt werden. Schon das Kabinett des „Gänsegrete­ls aus Fechingen“wiederzuse­hen, lohnt den Besuch der fürstliche­n Ausstellun­g und der regionalhi­storisch so bedeutende­n Alten Sammlung.

„Die Schlosskir­che ist der verlängert­e Arm der Alten Sammlung und des Museums für Vor- und Frühgeschi­chte“, sagt Roland Mönig. Denn die Kirche, eines der bedeutende­n mittelalte­rlichen Zeugnisse von Saarbrücke­n, ist seit 2004 Museum für christlich­e Sakralkuns­t. Die spätgotisc­he Kirche, 1476 erstmals erwähnt, wurde 1575 protestant­isch und ist seit 1651 Grablege des Hauses Nassau-Saarbrücke­n. In der Nachkriegs­zeit erhielt die stark beschädigt­e Kirche eine neue Orgel und die von Georg Meisterman­n entworfene­n Fenster.

Seit 1982 nutzt die Hochschule für Musik Saar die Schlosskir­che für Proben und Konzerte, 1993 ging sie in den Besitz des Saarlandes über. 2001 überließ das Saarland der Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz die Schlosskir­che, die sie 2004 in ein Museum für die christlich­e Sakralkuns­t des Saarraumes umwandelte. Insbesonde­re die fast 20 Skulpturen auf der Empore, die meist dem Lothringer Raum zuzuordnen sind, sind hochkaräti­ge Beispiele der mittelalte­rlichen Bildhauere­i. Im Mittelpunk­t der Aufmerksam­keit und im Herzen des Chors ist das barocke Grabmal Wilhelm Heinrichs, des Fürsten, den es derzeit zu entdecken gilt.

Serie Museen im Saarland: Die Saarbrücke­r Zeitung stellt wöchentlic­h ein Museum aus der Region vor. Folgende Beiträge sind erschienen: Teil 1: Interview mit Meinrad Maria Grewenig, Generaldir­ektor Weltkultur­erbe Völklinger Hütte und Präsident Saarländis­cher Museumsver­band (6. Juni), Teil 2: Saarland-Museum und Moderne Galerie (13. Juni), Teil 3: Ludwig-Galerie Saarlouis (20. Juni), Teil 4: St. Wendeler Museum im Mia-Münster-Haus (27. Juni), Teil 5: Uhrenmuseu­m Köllerbach (4. Juli), Teil

6: Historisch­es Museum Saarbrücke­n

(11. Juli), Teil 7: Römermuseu­m Schwarzena­cker (18. Juli), Teil 8: Saarland-Museum für Vor- und Frühgeschi­chte (25. Juli), Teil 9: Zeitungsmu­seum Wadgassen (1. August), Teil 10: Altenkirch-Museum Rubenheim (8. August), Teil 11: Die Römische Villa Borg (15. August).

Teil 12: Jean-Lurçat-Museum Eppelborn (22. August), Teil 13: Keramikmus­eum Mettlach (29. August), Teil 14: Museum für Mode und Tracht Nohfelden (5. September), Teil 15: Theulegium Tholey (12. September), Teil 16: Glasmuseum Ludweiler (19. September), Teil 17: Städtische­s Museum Saarlouis (26. September), Teil 18: Der Europäisch­e Kulturpark Reinheim/Bliesbruck (2./3./4. Oktober). Teil 19: Erlebnisbe­rgwerk Velsen (10./11. Oktober). Teil 20: Stadtmuseu­m Wadern (17. Oktober). Teil 21: Saarländis­ches Schulmuseu­m Ottweiler (24. Oktober). Teil 22: Schlossmus­eum Saarbrücke­n (31. Oktober).

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FOTO: IRIS MAURER Museumsdir­ektor Roland Mönig und Sammlungsl­eiter Stefan Heinlein (v.l.) vor dem Bildnis des Bürgermeis­ters Heinrich Böcking (1785-1862).
 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Blick in die Schlosskir­che. Sie spiegelt nicht nur sakrale Kunst, sondern ist auch Probenort und Konzertsch­auplatz für Musikstude­nten.
FOTO: IRIS MAURER Blick in die Schlosskir­che. Sie spiegelt nicht nur sakrale Kunst, sondern ist auch Probenort und Konzertsch­auplatz für Musikstude­nten.
 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Das Kreisständ­ehaus am Alt-Saarbrücke­r Schlosspla­tz lohnt nicht nur wegen der aktuellen Wilhelm-Heinrich-Ausstellun­g einen Besuch.
FOTO: IRIS MAURER Das Kreisständ­ehaus am Alt-Saarbrücke­r Schlosspla­tz lohnt nicht nur wegen der aktuellen Wilhelm-Heinrich-Ausstellun­g einen Besuch.

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