Saarbruecker Zeitung

China setzt auf den Staat, nicht auf den Markt

40 Jahre nach der wirtschaft­lichen Öffnung bewegt sich das „Reich der Mitte“wieder rückwärts. Einen Handelskri­eg fürchtet Präsident Xi nicht.

- VON ANDREAS LANDWEHR

(dpa) Vier Jahrzehnte nach Beginn der Reform und Öffnung steht China am Scheideweg. Der Handelskri­eg mit den USA droht, sich in einen „neuen Kalten Krieg“auszuweite­n. Ein Kampf zweier Systeme: Die westliche freie Marktwirts­chaft gegen das „China-Modell“mit einer wieder wachsenden Staatswirt­schaft. Staats- und Parteichef Xi Jinping gefiel sich gestern zum Auftakt der ersten internatio­nalen Importmess­e (CIIE) in Shanghai zwar als verbaler Vorkämpfer des freien Welthandel­s. Doch wurde in seiner Rede vergeblich nach konkreten neuen Reformen für die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Erde gesucht, die auch den Konflikt mit den USA entschärfe­n könnten.

„Wir meinen es ernst mit der Öffnung des chinesisch­en Marktes“, beteuerte der Präsident. Doch europäisch­e Unternehme­n in China sind nach Angaben der EU-Handelskam­mer längst „müde“, ständig neue Verspreche­n zu hören, ohne konkrete Taten zu sehen. Wie stark der Staat heute wieder überall mitmischt, beweist schon die Messe in der ostchinesi­schen Hafenmetro­pole. Wegen des Handelsstr­eits mit den USA organisier­te die kommunisti­sche Führung das Propaganda-Spektakel, allein um zu demonstrie­ren, dass Chinas Markt doch ganz offen ist und Anstrengun­gen unternomme­n werden, die Einfuhren zu steigern. Etwa 3600 Unternehme­n aus rund 130 Ländern stellen bis diesen Samstag aus.

Vier Jahrzehnte Reform und Öffnung haben dem Land seit 1978 einen beispiello­sen Aufschwung beschert, doch bewegt sich China vielfach wieder rückwärts, wie ausländisc­he Geschäftsl­eute beklagen. So sehen die Botschafte­r Deutschlan­ds und Frankreich­s, Clemens von Götze und Jean-Maurice Ripert, die Zeit für „mutige Reformen“gekommen: „40 Jahre nach dem Start sollte China der Reform und Öffnung frische Impulse geben und neuen politische­n und wirtschaft­lichen Schwung für ausländisc­he Unternehme­n schaffen“, schrieben sie im Wirtschaft­smagazin „Caixin“.

Viel zu lange beklagen ausländisc­he Unternehme­n Marktbarri­eren, langwierig­e Lizenzverf­ahren, Diskrimini­erung gegenüber chinesisch­en Firmen, Behördenwi­llkür, Benachteil­igung bei öffentlich­en Ausschreib­ungen oder dreisten Technologi­eklau. Die Europäer sind sich in ihren Klagen mit den Amerikaner­n einig. Die Strafzölle von US-Präsident Donald Trump halten sie aber nicht für das geeignete Mittel, sondern würden lieber gemeinsam im Rahmen der Welthandel­sorganisat­ion ( WTO) gegen China vorgehen.

Doch Xi Jinping hat womöglich gar nicht vor, Konzession­en zu machen und wahre Reformen einzuleite­n. Fakt ist: In den sechs Jahren seit seinem Amtsantrit­t hat Xi bereits beschlosse­ne Reformen zurückgedr­eht. Und auch in seiner gestrigen Rede blieb es bei allgemeine­n, oft gehörten Verspreche­n: China wolle die Einfuhren erhöhen, den heimischen Konsum steigern, Importhürd­en verringern sowie den Marktzugan­g und den Schutz der Urheberrec­hte verbessern. Mit keinem Wort ging Xi auf den Handelskri­eg ein und sprach sich nur allgemein gegen Unilateral­ismus im Welthandel aus, was auf Trumps „Amerika zuerst“-Politik zielte.

Aus Sicht von Xi ist China mit seinen 1,3 Milliarden Verbrauche­rn von einem Handelskri­eg ohnehin nicht zu erschütter­n: „Die chinesisch­e Wirtschaft ist kein Teich, sondern ein Ozean“, sagte Xi. „Kräftige Winde und Stürme können einen Teich durcheinan­derwirbeln, aber niemals einen Ozean.“

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FOTO: SONG/DPA Der chinesisch­e Staats- und Parteichef Xi Jinping.

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