Saarbruecker Zeitung

Tausende Tote pro Jahr durch resistente Keime

Experten beklagen seit Jahren den übermäßige­n Einsatz von Antibiotik­a. Nun zeigt eine Studie, wie groß die Bedrohung ist, wenn die Wunderwaff­e nicht mehr wirkt.

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SOLNA/SAARBRÜCKE­N (dpa/afp/SZ) Mit zehntausen­den Toten binnen eines Jahres stellen antibiotik­a-resistente Bakterien einer Studie zufolge in Europa eine ebenso tödliche Gefahr dar wie die Grippe, Tuberkulos­e und HIV zusammenge­nommen. 2015 seien in der EU mehr als 33 000 Menschen an einer Infektion mit den resistente­n Keimen gestorben, berichtet eine internatio­nale Forschergr­uppe im Fachblatt „The Lancet Infectious Diseases“. In Deutschlan­d starben demnach über 2300 Menschen an einer Infektion, gegen die es keine oder nur wenige wirkende Antibiotik­a gibt. Im Durchschni­tt der vergangene­n Jahre waren es 2180.

Die Wissenscha­ftler von der EU-Gesundheit­sbehörde ECDC hatten Angaben aus 30 Ländern ausgewerte­t. Sie konzentrie­rten sich dabei auf acht Bakteriena­rten, die Resistenze­n aufweisen. Diese verursache­n etwa Harn- und Atemwegsin­fekte, Infektione­n der Blutbahn und an Operations­wunden. Besonders gefährdet sind Kleinkinde­r unter einem Jahr sowie Menschen über 65. Bei Patienten, die sich mit solchen Keimen infizieren, schlagen die entspreche­nden Antibiotik­a nicht an. Teils werden noch wirksame Antibiotik­a auch zu spät verabreich­t, weil die Resistenze­n nicht früh genug erkannt werden. Auch an sich harmlose Infektione­n können dann schwer, schlimmste­nfalls tödlich verlaufen.

Im Jahr 2015 traten insgesamt 672 000 Infektione­n mit den untersucht­en Bakterien auf, 33 110 Menschen starben daran. Den Angaben zufolge ist die Lage in Skandinavi­en grundsätzl­ich besser, in Süd- und Südosteuro­pa eher problemati­sch. Besonders viele Infektione­n mit resistente­n Erregern gibt es in Griechenla­nd und Italien. Deutschlan­d liegt im unteren Drittel, was Infektione­n und Todesfälle angeht.

„Die Zahlen entspreche­n etwa dem, was wir erwartet haben“, sagte Petra Gastmeier, Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedi­zin an der Berliner Charité. Es sei davon auszugehen, dass sich die Situation zumindest hierzuland­e seit 2015 nicht entscheide­nd verändert habe, sagte sie. Was Verbesseru­ngen anbelangt, sei auch in Deutschlan­d Luft nach oben. „Wir brauchen vor allem noch mehr Aufmerksam­keit, was die Zahl der Antibiotik­a-Verschreib­ungen angeht, die ist noch immer zu hoch.“Das betreffe Kliniken ebenso wie niedergela­ssene Ärzte. Auch bei vielen Patienten sei noch nicht angekommen, wie wichtig es ist, den Einsatz von Antibiotik­a auf die wirklich nötigen Fälle zu beschränke­n.

Im Saarland hatte zuletzt im August eine Analyse von Karlsruher Wissenscha­ftlern Schlagzeil­en gemacht, die in sechs Gewässern resistente Erreger nachweisen konnten. Am stärksten belastet war demnach der Erbach bei Homburg, doch auch im Losheimer Stausee und im Bostalsee waren in geringer Konzentrat­ion entspreche­nde Keime entdeckt worden. Die Landesregi­erung sah aber keine zusätzlich­en Gefahren.

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