Saarbruecker Zeitung

Gießerei streicht in Saarbrücke­n fast 200 Jobs

Die Gießerei geht komplett nach Lothringen. Brebach fertigt nur noch Spezialroh­re.

- VON JOACHIM WOLLSCHLÄG­ER

SAARBRÜCKE­N (jwo) Die Gießerei Saint-Gobain PAM in Saarbrücke­n verlegt ihre komplettes Gussrohr-Geschäft bis Ende kommenden Jahres nach Frankreich. Das wurde gestern bekannt. Am Standort im Stadtteil Brebach sollen dann nur noch Spezial-Rohre gefertigt werden. Von den 285 Arbeitsplä­tzen bleiben nur rund 100 erhalten. Die Unternehme­nsleitung will nun mit den Arbeitnehm­er-Vertretern sozialvert­rägliche Lösungen suchen.

Bei dem Rohr-Hersteller Saint-Gobain PAM fallen bis Ende kommenden Jahres in Saarbrücke­n-Brebach fast zwei Drittel der Stellen weg. Das teilte das Unternehme­n gestern mit. Der Rechtsnach­folger der ehemaligen Halberger Hütte wird das Gießerei-Geschäft komplett nach Lothringen verlegen. Von den aktuell rund 285 Mitarbeite­rn werden nur rund 100 übrig bleiben. In Brebach sollen dann nur noch Rohre mit Spezialbes­chichtunge­n und Flanschroh­re produziert werden. „Das Herzstück des Unternehme­ns, die Eisenerzeu­gung und die Gießerei, werden langfristi­g nicht mehr hier sein“, sagt Jürgen Schuler, Betriebsra­tsvorsitze­nder bei Saint-Gobain PAM.

Gestern Mittag hat die Unternehme­nsleitung den Beschäftig­ten die Pläne in einer Betriebsve­rsammlung verkündet. Letztlich sei es die Chance, mit einer Konzentrat­ion auf die Spezialpro­dukte den Standort überhaupt noch zu erhalten, sagt Burkhard Schmolck, Geschäftsf­ührer von Saint-Gobain PAM Deutschlan­d. Denn angesichts eines seit Jahren rückläufig­en Marktes sei der Konzern zum Handeln gezwungen. „Der Absatz an Guss-Rohren in Europa ist seit 2008 massiv um 58 Prozent zurückgega­ngen“, sagt Schmolck. Ein Rückgang, der unterschie­dliche Gründe habe. Einerseits sei der Nachholbed­arf an Investitio­nen in Osteuropa mittlerwei­le gedeckt, so dass von dort kaum noch Bestellung­en kämen, anderersei­ts hätten viele Regionen aufgrund finanziell­er Engpässe seit Jahren Investitio­nen zurückgest­ellt. „Und es ist nicht zu erwarten, dass sich diese Situation bald ändert“, sagt Schmolck. Hinzu kommt, dass preisaggre­ssive Wettbewerb­er, vor allem aus Indien, in den Markt drängen, was die Chancen, für höhere Qualität auch höhere Preise zu verlangen, einschränk­e. Saint-Gobain gießt in Saarbrücke­n aktuell vor allem Rohre, durch die Trink- und Abwasser geleitet wird.

In Europa habe der Konzern deshalb seine Kräfte bündeln müssen, sagt Schmolck. Künftig sollen die Rohre am Standort in Pont-à-Mousson in der Nähe von Metz gegossen werden. Für die Entscheidu­ng habe nach Ansicht von Betriebsra­tschef Schuler wohl auch gesprochen, dass dort noch ein Hochofen läuft, der aktuell nicht ausgelaste­t ist. Durch die Verlegung des Gussgeschä­ftes steigt dort die Auslastung, während im Werk in Saarbrücke­n die teurere Eisenerzeu­gung im Elektroofe­n wegfällt. Letztlich solle durch die „Zusammenle­gung der Produktion­skapazität­en der Geschäftsb­ereich Rohrleitun­gsguss insgesamt gestärkt und für die Zukunft wettbewerb­sfähig gemacht werden“, heißt es in einer Erklärung des Unternehme­ns.

Die Konzentrat­ion des Standorts Saarbrücke­n auf die Spezialroh­re sieht Schmolck auch als Chance. Denn dieser Bereich sei letztlich ein Wachstumsm­arkt. Was nichts daran ändere, dass die Zahl der Arbeitsplä­tze in Saarbrücke­n massiv zurückgehe.

Gestern sind die Mitarbeite­r erstmals über die Verlegung der Produktion und den damit verbundene­n Stellenabb­au informiert worden. Rund 15 der betroffene­n Stellen fallen durch Ausscheide­n oder Befristung weg, für die übrigen 170 Stellen, die von der Teilverlag­erung betroffen sind, sollen nach Angaben der Unternehme­nsleitung „individuel­le Lösungen“gefunden werden. Der Standort-Geschäftsf­ührer nannte unterschie­dlichste Maßnahmen: Vermittlun­g von Mitarbeite­rn an andere Standorte des Unternehme­ns in Deutschlan­d oder auch ins Werk in Pont-à-Mousson, darüber hinaus Gespräche mit saarländis­chen Firmen über die Übernahme von Fachkräfte­n. Außerdem sei die Einrichtun­g einer Transferge­sellschaft angedacht, um Mitarbeite­r für neue Aufgaben zu qualifizie­ren. Das müsse nun mit der Mitarbeite­rvertretun­g besprochen werden. Heute sollen Verhandlun­gen darüber mit dem Betriebsra­t beginnen.

Saint-Gobain ist ein weltweit tätiger Konzern mit insgesamt 179 000 Mitarbeite­rn in 67 Ländern. Der Jahresumsa­tz beträgt 40,8 Milliarden Euro. Der Sektor Bauprodukt­e, zu der auch die Sparte Kanalisati­on gehört, hatte 2015 einen Umsatzante­il von rund 28 Prozent.

„Das Herzstück des Unternehme­ns, die Eisenerzeu­gung und die

Gießerei, werden langfristi­g nicht mehr

hier sein.“

Jürgen Schuler

Betriebsra­tsvorsitze­nder

 ?? FOTO: BECKER & BREDEL ?? Der Gussrohr-Hersteller Saint-Gobain verlegt seine Gießerei nach Lothringen. In Saarbrücke­n fallen knapp 185 Stellen weg.
FOTO: BECKER & BREDEL Der Gussrohr-Hersteller Saint-Gobain verlegt seine Gießerei nach Lothringen. In Saarbrücke­n fallen knapp 185 Stellen weg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany