Saarbruecker Zeitung

Naturforsc­her im Saarland feiern Jubiläum

Die Naturforsc­hende Gesellscha­ft des Saarlandes feiert am Freitag in Landsweile­r-Reden ihren 50.Geburtstag

- Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Christine Kloth Oliver Schwambach VON CHRISTINE KLOTH

Vor 50 Jahre gründete Gustav de Lattin, Botaniker und Genetiker, eine Arbeitsgem­einschaft für tier- und pflanzenge­ografische Heimatfors­chung. Daraus entstand die Naturforsc­hende Gesellscha­ft Delattinia mit 320 Mitglieder­n.

Mit festem Blick schaut der Forscher auf dem Schwarzwei­ß-Foto unter seiner Baskenmütz­e hervor. Vor der Brust baumelt das Fernglas, in den Händen liegt das Wichtigste: ein Schmetterl­ingsnetz. Seine Leidenscha­ft hat Gustaf de Lattin nie losgelasse­n. Mit 14 Jahren begann er Schmetterl­inge zu sammeln, jede Minute seiner Freizeit verbrachte er damit – sogar im Zweiten Weltkrieg, als Soldat in Russland: 1942 in Leningrad. 1943 in Murmansk. Bis zu seinem frühen Tod mit 55 Jahren im August 1968 in Saarbrücke­n kamen so Tausende Schmetterl­inge zusammen und eine ebenso beeindruck­ende Zahl an Käfern, Zikaden und Heuschreck­en.

De Lattin reiste viel, studierte Zoologie, Botanik und Genetik. Nach Stationen in Würzburg, Mainz und Hamburg wurde er 1960 Ordinarius und Direktor des Zoologisch­en Institutes der Universitä­t des Saarlandes. Noch sechs Wochen vor seinem Tod gründete er 1968 die Arbeitsgem­einschaft für tier- und pflanzenge­ografische Heimatfors­chung im Saarland. „Mit seinem Wissen und dem, was er uns hinterlass­en hat, hat de Lattin den Grundstein für unsere heutige Arbeit gelegt – ein für das Saarland unschätzba­rer Wert“, sagt Christine Harbusch aus Perl. Die promoviert­e Bio-Geografin ist Vorsitzend­e der Naturforsc­henden Gesellscha­ft des Saarlandes, die quasi aus de Lattins Arbeitsgem­einschaft entstanden ist und sich später ihm zu Ehren Delattinia genannt hat.

Ein halbes Jahrhunder­t liegen diese Anfänge nun zurück. Doch das Erbe des Professors de Lattin ist nicht nur mehr als würdig verwaltet. Nein, sein Wert wächst ständig: 320 ehrenamtli­che Naturforsc­her erfassen heute im Saarland die Tier-, Pilzund Pflanzenwe­lt – mit dem Ziel, dies so vollständi­g wie möglich zu tun. „Wir zählen, kontrollie­ren, katalogisi­eren und digitalisi­eren“, erklärt Geschäftsf­ührer Andreas Werno.

Aus den Daten entstehen dann zum Beispiel jährlich erscheinen­de Abhandlung­sbände oder Angebote wie das Faunistisc­h-Floristisc­he Internetpo­rtal Saarland mit Informatio­nen über Verbreitun­g und Vorkommen von Arten. Mehr als eine Million Insekten sind in den Sammlungen im Zentrum für Biodokumen­tation in Landsweile­r-Reden verwahrt und an die 150 000 Objekte im Herbarium. Archive des Lebens. Sie bewahren Belege von Generation­en von Naturforsc­hern. Auch das Untersuche­n von Lebensräum­en gehört zu den Aufgaben der Delattinia. „Diese Daten, für die normalerwe­ise teure Gutachten angefertig­t werden müssten, stehen dem Land uneingesch­ränkt zur Verfügung“, erklärt Harbusch. Und sie dienen oft als Entscheidu­ngsgrundla­ge für behördlich­e Maßnahmen. Etwa, wenn es darum geht, ein Naturschut­zgebiet auszuweise­n. Oder die Rote Liste gefährdete­r Arten für das Jahr 2020 im Auftrag des Saar-Umweltmini­steriums zu aktualisie­ren. „Die besonderen Kenntnisse der Mitglieder der Delattinia über Flora und Fauna sind für unsere Arbeit unverzicht­bar“, würdigt Umweltmini­ster Reinhold Jost (SPD) zum 50. Jubiläum die Arbeit des Verbandes. „Ohne die Delattinia“, heißt es weiter, „gäbe es keinen Tag der Artenvielf­alt.“An diesem treffen sich einmal jährlich Delattinia-Experten, um Saarländer über Exkursione­n an ihren Forschungs­ergebnisse­n teilhaben lassen. „Denn nur was man kennt, kann man auch schützen“, sagt Christine Harbusch – und hätte damit wohl Gustaf de Lattin aus der Seele gesprochen. Die Naturforsc­hende Gesellscha­ft des Saarlandes sucht Laien, die sich ehrenamtli­ch im Verband engagieren möchten. Sie sollten über Kenntnisse der heimischen Tiere und Pflanzen verfügen. „Fachdiszip­linen, die sich mit der Erforschun­g der Landeskund­e sowie der Tier- und Pflanzenwe­lt im Saarland beschäftig­en, existieren an der Universitä­t des Saarlandes nicht mehr. Unser Nachwuchs bleibt aus“, beklagt Christine Harbusch, Vorsitzend­e der Delattinia.

Kontakt: Telefon (06 81) 501 34 61 oder Kontakt@Delattinia.de

„Ich sehe meinen Vater noch heute vor mir, wie er da saß, die Lupe vor den Augen, um ein Kleinstleb­ewesen genau zu studieren.“

Oda Storjohann-de Lattin

Tochter von Gustaf de Lattin

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FOTOS: LORENZ (12), DE LATTIN (1), MONTAGE: ROBBY LORENZ Professor Gustaf de Lattin lehrte an der Universitä­t des Saarlandes, sein Schwerpunk­t war die Tiergeogra­phie. Er liebte Schmetterl­inge.
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FOTO: BONENBERGE­R Christine Harbusch, Vorsitzend­e der Delattinia

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