Saarbruecker Zeitung

Nur vier Cent mehr für gesundes Essen

Fast fünf Millionen Kinder bekommen in Deutschlan­d täglich eine warme Mahlzeit in der Kita oder in der Schule. Eine aktuelle Studie zeigt: Mit geringem Aufwand könnte die Qualität verbessert werden. Das Saarland geht mit gutem Beispiel voran.

- VON FATIMA ABBAS UND GISELA GROSS

(SZ/epd/ dpa) Gummiteile im Kantinen-Essen? Klingt unappetitl­ich. Aber genau das haben die Verantwort­lichen mehrerer Saarbrücke­r Kitas im Sommer in gelieferte­n Mahlzeiten entdeckt. Eltern waren entsetzt, Politiker alarmiert: Ein Lieferant, der bis dato 21 städtische Einrichtun­gen versorgt hatte, bekam für die Fremdkörpe­r in den Lebensmitt­eln eine Abmahnung. Nach einem Stadtratsb­eschluss darf er fünf der 21 Kitas nicht mehr beliefern. Weitere Verbote könnten folgen.

Skandale wie dieser sind glückliche­rweise nicht die Regel. Dennoch ist und bleibt gesundes Essen in pädagogisc­hen Einrichtun­gen ein Thema, das die Gemüter erregt. Dass noch Luft nach oben besteht, zeigt eine jüngste Studie der Gesellscha­ft für Ernährung (DGE). Das Ergebnis: Für nur vier Cent mehr pro Mahlzeit könnten Kinder ein gesünderes Schulessen bekommen. Mit dieser Mehrausgab­e könne in den Schulmense­n eine Mittagsver­pflegung angeboten werden, die den DGE-Qualitätss­tandards entspreche, sagte Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU) gestern bei der Vorstellun­g der Studie. Der Untersuchu­ng zufolge fördern die Kommunen das Schulessen mit bis zu 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Die Verpflegun­g ist damit zur Hälfte subvention­iert. Eltern zahlen im Durchschni­tt 3,50 Euro pro Mahlzeit. Laut Studie bezuschuss­en fast 27 Prozent der deutschen Kommunen die Preise für das Mittagesse­n in Schulen direkt, weitere 29 Prozent stellen auf eigene Kosten das Ausgabeper­sonal bereit.

„Wenn nur ein einstellig­er Cent-Betrag den Unterschie­d macht, dann darf es keine Ausreden mehr geben für die flächendec­kende Anwendung des DGE-Standards“, sagte Klöckner. Gemeinsam mit Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) warb sie dafür, die DGE-Qualitätss­tandards für Schulessen flächendec­kend in allen Schulen zu verankern. Die Standards sehen unter anderem ein tägliches Angebot von Getreide, Getreidepr­odukten, Kartoffeln, Gemüse und Salat vor. Mindestens einmal pro Woche soll es Seefisch geben und höchstens zweimal wöchentlic­h Fleisch oder Wurst.

Bisher gleicht das eher einer Wunschvors­tellung: Nach DGE-Angaben haben lediglich das Saarland, Berlin und Bremen die Standards verpflicht­end umgesetzt. In Kitas sind sie nur in Mecklenbur­g-Vorpommern und Bremen verbindlic­h. Die Kultusmini­sterien der restlichen Bundesländ­er begnügen sich bislang damit, die Standards zu loben. Die Verbrauche­rschutzorg­anisation Foodwatch spricht von einem „verheerend­en Staatsvers­agen“. Auch Klöckner bedauerte gestern die Situation. Qualität habe lange nicht im Fokus gestanden, sagte sie. Künftig sollen Kommunen deshalb besser beraten werden.

Im Saarland gibt es an allen Schulen mit einem ganztägige­n Bildungsun­d Betreuungs­angebot eine warme Mittagsver­pflegung – sprich an 22 gebundenen Ganztagssc­hulen, neun Schulen mit Ganztagskl­assen und 256 Freiwillig­en Ganztagssc­hulen. Wie das Bildungsmi­nisterium gestern auf SZ-Anfrage mitteilte, bezogen im Schuljahr 2016/17 bereits mehr als 60 Prozent der oben genannten Standorte Waren von Caterern, die gemäß DGE-Standard zertifizie­rt sind.

Für die aktuelle Studie aus Berlin ermittelte­n die Forscher Speiseplän­e, Lebensmitt­elpreise, Lieferkost­en, Personalko­sten und sonstige Betriebsko­sten im gesamten Bundesgebi­et. Dazu wurden 1072 Essensanbi­eter sowie 488 Schulträge­r aus allen 16 Bundesländ­ern kontaktier­t. Dabei zeigte sich, dass es große Preisunter­schiede gibt: Essen weniger als 100 Kinder in der Schulkanti­ne, sind laut Studie vor allem die Personalko­sten vergleichs­weise hoch. Eine Mahlzeit koste dort ohne staatliche­n Zuschuss im Schnitt bis zu 7,46 Euro. Je mehr Kinder versorgt würden, desto geringer werde der Preis pro Mahlzeit. Er liege bei ganz großen Kantinen mit mehr als 600 Schülern zum Teil nur noch bei 3,57 Euro. Der von Klöckner genannte Vier-Cent-Unterschie­d ergibt sich, wenn vor Ort gekocht und im Schnitt 200 Essen ausgegeben werden. Viele Schulen lassen jedoch vom Caterer liefern oder beziehen Tiefkühlko­st, um dem gestiegene­n Bedarf nach Mittagsver­pflegung gerecht zu werden. Es ist fraglich, wie günstig eine Gesundheit­swende in solchen Fällen ausfällt.

Die Ernährungs­ministerin kündigte eine weitere Unterstütz­ung des Bundes an. Vom kommenden Jahr an würden die Mittel für Projekte der sogenannte­n Vernetzung­sstellen Schulverpf­legung der Länder auf zwei Millionen Euro pro Jahr verdoppelt.

Die Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG) forderte, für die Verpflegun­g in Schulen und Kitas den ermäßigten Mehrwertst­euersatz von sieben Prozent einzuführe­n. Der Staat müsse den „Kostendruc­k“auf die Kantinen senken, sagte NGG-Vizechef Guido Zeitler. Derzeit zahlten Schulkanti­nen mit 19 Prozent ebenso viel Mehrwertst­euer wie Fastfoodre­staurants. Die Gewerkscha­ft sprach sich auch für die Einführung eines Schulfachs Ernährung aus. Dem erteilte man gestern nicht nur in Berlin eine Absage: Auch das saarländis­che Bildungsmi­nisterium wies darauf hin, dass Gesundheit und Ernährung „Querschnit­tsaufgaben“seien, die in mehreren Schulfäche­rn berücksich­tigt würden.

 ?? FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA ?? Gutes Essen für wenig Geld? Die Kommunen investiere­n viel in gesunde Mahlzeiten an Schulen. Doch die Gesellscha­ft für Ernährung sagt: Es gibt noch deutlich Luft nach oben – vor allem bei der Qualität.
FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA Gutes Essen für wenig Geld? Die Kommunen investiere­n viel in gesunde Mahlzeiten an Schulen. Doch die Gesellscha­ft für Ernährung sagt: Es gibt noch deutlich Luft nach oben – vor allem bei der Qualität.

Newspapers in German

Newspapers from Germany