Saarbruecker Zeitung

Der Jamaika-Stopper setzt wieder auf Jamaika

FDP-Chef Christian Lindner sieht nach Merkel eine Chance für einen neuen Versuch – und wäre selbst gern Finanzmini­ster.

- VON WERNER KOLHOFF

Obwohl die Bundespoli­tik das herausrage­nde Thema der Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen war, konnten die Liberalen von der Krise der Groko kaum profitiere­n. Ihre Gewinne waren minimal. Parteichef Christian Lindner sah sich hartnäckig der Frage ausgesetzt, wie es denn sein könne, dass die Grünen so hoch schießen, die FDP aber nicht. Und ob sein Ausstieg aus den Jamaika-Verhandlun­gen im November nicht doch ein Fehler gewesen sei. Lindner räumte im Führungskr­eis und öffentlich immerhin ein, dass man die Gespräche mit Union und Grünen im letzten Jahr früher hätte beenden sollen, um die Erwartunge­n nicht so hochkochen zu lassen.

Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionsc­hef Christophe­r Vogt sprach bereits von einem „Rechtferti­gungsmodus“, aus dem man jetzt herauskomm­en müsse. Nun besteht dazu unversehen­s die Gelegenhei­t, und Lindner nutzt sie. „Unter anderen Rahmenbedi­ngungen könnte Jamaika irgendwann möglich sein“, sagte der Vorsitzend­e in einem Interview, kurz nachdem Angela Merkel ihren Rückzug angekündig­t hatte. Dass sie weg ist, ist für Lindner die genannte entscheide­nde Bedingung. Das liegt an Verletzung­en aus der schwarz-gelben Regierungs­zeit, als die Kanzlerin Lindner, damals sehr junger FDP-Generalsek­retär, schon mal regelrecht abkanzelte. Der Oberlibera­le gibt ihr zudem komplett die Schuld am Scheitern der Jamaika-Verhandlun­gen, das an ihm hängen blieb. Die CDU-Chefin habe die FDP letztlich nur als Anhängsel eines schwarz-grünen Bündnisses missbrauch­en wollen. „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sagte er seinerzeit.

Mit den möglichen Nachfolger­n – Friedrich Merz, Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbaue­r – hingegen könnte sich der FDP-Chef durchaus eine Zusammenar­beit vorstellen, behauptet er jedenfalls. „Alle genannten Namen sind uns gut bekannt und haben unseren Respekt. Mit ihnen wäre ein fairer Wettbewerb und guter Austausch möglich.“Allen drei traue er zu, eine Regierung zu führen. Das klang schon fast wie eine Bewerbung. In einem Interview sagte Lindner auch, welchen Job er gerne gehabt hätte, wenn Jamaika geklappt hätte: Finanzmini­ster.

Spahn ist ein persönlich­er Lindner-Freund, der FDP-Mann zog als Nachmieter letztes Jahr sogar in dessen Dachgescho­sswohnung in Berlin-Schöneberg ein. Merz passt mit seiner wirtschaft­sliberalen Orientieru­ng nahtlos zur FDP. Nur bei Kramp-Karrenbaue­r gibt es möglicherw­eise Probleme. Erstens ist sie inhaltlich auf Merkel-Linie, zweitens hat sie den Liberalen 2012 ihre geliebte Dreikönigs-Kundgebung versaut, weil sie just an dem Tag die Jamaika-Koalition im Saarland platzen ließ, wegen interner Zerwürfnis­se in der örtlichen FDP. Das sehe er heute „profession­ell“, sagte Lindner milde. Der saarländis­che Landesverb­and sei damals ja auch nicht gerade in Topform gewesen.

Die Liberalen orientiere­n sich einem Jahr nach dem Scheitern also wieder klar an einem neuen Jamaika-Anlauf. Und offerieren dafür schon zwei Morgengabe­n. Erstens sagte man in Hessen eine mögliche Ampelkoali­tion mit SPD und Grünen ab. Man geht also links nicht fremd. Und zweitens signalisie­rte Lindner, dass man auch eine CDU-Minderheit­sregierung im Bund vorübergeh­end tolerieren würde, „nach der Ära Merkel“. Nun muss der Vorsitzend­e nur noch erklären, warum neue Jamaika-Verhandlun­gen mit einer grünen Partei, die aus einer neuen Bundestags­wahl nach jetzigem Stand voraussich­tlich doppelt so stark hervorgehe­n würde als bisher, für die FDP ergiebiger sein sollen als im vergangene­n Jahr. Dass es besser sei, überhaupt zu regieren, als gar nicht zu regieren, kann ausgerechn­et Lindner jedenfalls nicht formuliere­n.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“: Christian Lindner verkündet am 19. November 2017 in Berlin den Ausstieg der FDP aus den Jamaika-Verhandlun­gen. Seitdem sind die Liberalen im „Rechtferti­gungsmodus“, aus dem sie wieder herauskomm­en wollen.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“: Christian Lindner verkündet am 19. November 2017 in Berlin den Ausstieg der FDP aus den Jamaika-Verhandlun­gen. Seitdem sind die Liberalen im „Rechtferti­gungsmodus“, aus dem sie wieder herauskomm­en wollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany