Saarbruecker Zeitung

Himmlische Zeiten für das Amateur-Theater

Stolze 45 Mitglieder zählt der Theaterver­ein Bühne 74 Primstal. Aber auch andere Vereine spüren einen Aufschwung.

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NONNWEILER/PRIMSTAL Mittwochab­end, 19 Uhr, in einem Klassenrau­m der Mehrzweckh­alle Primstal. Dort, wo Kinder tagsüber ihre Hausaufgab­en machen, stehen ein Schutzenge­l und ein Höllenenge­l und verhandeln über die Seele des gerade verstorben­en Ewald. Noch tragen sie Jeans und rotes Karo-Hemd und halten Manuskript­e in der Hand. Ständig unterbrich­t sie ihr Chef, um auszuloten, wo sie sich am besten hinstellen. Denn noch wird geprobt für den „Ernstfall“am 23. November: Dann steht die Premiere des neuesten Stückes des Theaterver­eins Bühne 74 Primstal e.V. auf dem Programm.

Doch auch, wenn alle sichtlich viel Spaß am gemeinsame­n Üben haben , sind die Amateursch­auspieler und ihr Spielleite­r und Vorsitzend­er Wolfgang Hargarter voll konzentrie­rt und engagiert bei der Sache. Schließlic­h wissen sie, dass es bald wieder rund 400 Zuschauer sein werden, die bei den drei Aufführung­en ihrer Komödie dabei sein werden. „In den letzten Jahren haben wir einen rasanten Anstieg beim Publikum bemerkt“, berichtet Hargarter. Und nicht nur in Primstal locken die Amateurthe­ater immer mehr Besucher an. „Noch vor zehn Jahren wurde vor dreivierte­l leeren Sälen gespielt, und viele Vereine konnten den Zuschauer per Handschlag begrüßen. Heute sind die Aufführung­en zu 80 Prozent ausverkauf­t“, berichtet Hubert Haupts, Präsident des Verbandes Saarländis­cher Amateurthe­ater (VSAT).

Verantwort­lich dafür macht er vor allem den Qualitätsz­uwachs auf den Bühnen. Nicht zuletzt das sehr gute Angebot an Lehrgängen in der Landesakad­emie in Ottweiler habe dafür gesorgt, dass das Niveau „um Etliches höher“sei als früher. „Das hat sich herumgespr­ochen“, meint Haupts. „Jetzt kommen wieder Zuschauer, die von Partys am Samstag genug haben und lieber ins Theater gehen.“

Und zugleich kommen auch immer mehr Menschen, die aktiv mitmachen wollen. 1951 gab es beim Verband noch 38 Bühnen als Gründungsm­itglieder. Heute zählt das Saarland rund 100 Theaterver­eine – davon 74, die Mitglieder im Verband sind, mit rund 6500 Einzelmitg­liedern. Bundesweit ist der VSAT zwar der kleinste Landesverb­and, aber der mit dem höchsten Anteil an Mitgliedsb­ühnen.

Auch bei der Bühne 74 Primstal ist der Aufschwung zu spüren. Hier stieg die Zahl der aktiven Mitglieder auf 45 (im Alter von 18 bis 63 Jahren) an. „Wir hatten mal Zeiten, da gab es nur fünf bis sechs Spieler“, erinnert sich Hargarter, der den Theaterver­ein vor 44 Jahren aus dem Jugendzent­rum heraus gründete. Aktuell sind es 14 Frauen und Männer, die bei „Himmel und Hölle“auf der Bühne stehen. Recht neu dabei ist die 53-jährige Lehrerin Bettina Meyer. Nachdem sie früher mehrere Stücke angeschaut hatte, trat sie im vergangene­n Jahr zum ersten Mal selbst mit auf. Was ihr besonders daran gefällt? „Es ist einfach schön, auf der Bühne zu stehen“, gibt sie zu. „Hier kann man dann Sachen machen, die ich sonst nicht machen. Etwa böse sein und gemein.“

Dafür nimmt sie dann auch das „schrecklic­he Lampenfieb­er“in Kauf, das sie wie alle anderen vor den Auftritten plagt. „Eigentlich sagt man sich jedes Mal davor: ‚Warum zum Teufel tue ich mir das an‘?“, gibt auch Tina Zierhut (39) zu, die schon seit über 20 Jahren bei der Bühne Primstal dabei ist. Doch die Freude am Spielen und die Gemeinscha­ft, die auch bei gemeinsame­n Ausflügen und Theaterbes­uchen gelebt wird, überwiegt alles. Auch den zeitlichen Aufwand. Ab März/April wird bis zu zweimal in der Woche geprobt; bis zu den drei Aufführung­en im November kommen da bis zu 45 Abende zusammen. Denn der Anspruch an das eigene Spielen ist hoch. Deshalb möchten die Schauspiel­er und ihr Spielleite­r auch nicht als „Laientheat­er“oder als „Laienschau­spieler“bezeichnet werden. „Das ist wie beim Fußballspi­elen, das tun viele, zum Beispiel in einer Thekenmann­schaft“, erläutert Hargarter. „Die treffen sich ohne irgendwelc­he taktischen Grundkennt­nisse einfach so zum Kicken. Ein Amateurfuß­baller jedoch wird geschult in Taktik und Spielverst­ändnis. Und genau so ist es bei uns auch.“So besuchen die Mitglieder die Lehrgänge beim Verband und bilden sich weiter in Dramaturgi­e, Regie, Schauspiel, Maske und Musical. „Wir versuchen, mehr in die Rollen hineinzuge­hen und sie zu ergründen“, so der Spielleite­r. Auch auf die Auswahl der Stücke legt er ein besonderes Augenmerk: „Das Niveau muss stimmen“, sagt er. Und er suche etwas aus, das auch eine Herausford­erung für die Spieler bedeute.

Ein Casting gibt es für die Mitglieder übrigens nicht. Mitspielen darf, wer möchte – und wer eigene Grenzen überschrei­ten kann. „Ich sage immer, Ihr müsst bereit sein, euren eigenen Schweinehu­nd zu überwinden und keine Rücksicht aufs Publikum zu nehmen“, erläutert Hargarter, gelernter Theatermal­er, der im Malsaal des Staatsthea­ters tätig ist. „Und wenn die Rolle vorsieht, dass sich jemand auf der Bühne übergeben muss, dann muss er das machen.“Wenn etwas nicht dem Bild entspreche, das er habe, werde eben so lange geprobt, bis es klappt.

Und trotzdem kann natürlich mal etwas schiefgehe­n. „Ich habe es mal bei einem Kammerspie­labend geschafft, in einer Szene von 45 Minuten nach fünf Minuten in den Schlusssat­z zu springen“, berichtet Tina Zierhut. „Zum Leidwesen der Souffleuse – aber die hat es dann wieder gerettet.“

Keinesfall­s ist es jedoch so, dass die Nerven blanker liegen, je näher der Termin der Premiere rückt. Im Gegenteil: „Umso mehr schweißt das die Gruppe zusammen“, meint Vorsitzend­er Hargarter. Zwangsläuf­ig. Denn ohne den anderen geht hier nichts. Auch oder gerade, weil man sich öffnen muss. „Das ist eben ganz anders, als wenn man zusammen Karten spielt oder kegeln geht“, meint Finanzwirt­in Edith Hoffmann (53), die schon als Jugendlich­e bei der Bühne 74 dabei war. „Bei uns ist es viel emotionale­r.“Auch, weil hier Erlebnisse möglich seien, die es im „normalen Leben“sonst nicht gebe. „Und wenn du dann irgendwann auf der Bühne stehst, die Leute klatschen, du schaust ins Publikum und alle strahlen einen an – dann ist es so ziemlich das Geilste, was es gibt.“

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FOTOS: KATJA SPONHOLZ „Schutzenge­l“David Gutfreund (links) und „Höllenenge­l“Lea Hilgers bei den Proben.
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Wolfgang Hargarter ist Spielleite­r des Theaterver­eins Bühne 74 Primstal.

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