Saarbruecker Zeitung

Bürokratie bremst Spitzenspo­rtreform

Die Sportverbä­nde rufen ihr Geld nicht ab, und das Bundesinne­nministeri­um bearbeitet die Anträge zu langsam.

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ST. WENDEL (sid) Der deutsche Sport und seine wichtigste Reform stecken in der Bürokratie-Falle. Die Spitzenver­bände des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB), aber auch das Innenminis­terium stoßen durch den immensen Verwaltung­saufwand, der vor der Geldvergab­e zu erledigen ist, an ihre Grenzen. Millionen Euro an Steuergeld­ern, die Athleten zugute kommen sollen, liegen nutzlos herum oder wurden noch nicht mal beantragt.

Dass der Amtsschimm­el gerade Teile der ohnehin schleppend laufenden Spitzenspo­rtreform zu zertrampel­n droht, geht aus einem Schreiben von DOSB-Präsident Alfons Hörmann und der Vorstandsv­orsitzende­n Veronika Rücker an die Vertreter der Mitgliedsv­erbände hervor, das dem Sportinfor­mationsdie­nst kurz vor der Sportminis­terkonfere­nz am Donnerstag und Freitag in St. Wendel vorliegt.

„Ein großes Problem haben wir gemeinsam beim Mittelabfl­uss festgestel­lt“, schrieben Hörmann und Rücker in ihrem Bericht über ein Treffen mit Innenminis­ter Horst Seehofer am vergangene­n Donnerstag. Das BMI habe aufgezeigt, „dass für 32 Prozent der Mittel noch keine Anträge der Verbände vorliegen“, hieß es: „Hier drohen Mittel zu verfallen, was unsere Position bei den Haushälter­n bei der Forderung zusätzlich­er Mehrbedarf­e für das nächste Jahr nachhaltig schwächt.“

Das BMI hatte dem DOSB im Juni nach langen Diskussion­en nachträgli­ch 23,2 Millionen Euro für 2018 spendiert, dem Brief zufolge liegen für 7,42 Millionen Euro keine Anträge vor. Hintergrun­d sind vor allem Probleme in den Verbänden mit dem komplexen Antragsver­fahren. „Wir wälzen uns da durch“, sagte Reinhard Nimz, Geschäftsf­ührer des Deutschen Judo-Bundes. Der Weg der Verbände zu den Geldtöpfen ist in der Tat beschwerli­ch und lang. Das Bundesverw­altungsamt schickt Anträge an die Verbände, die diese ausfüllen und an den DOSB zur Prüfung weiterleit­en. Von da aus geht es zum BMI und danach wieder zum Bundesverw­altungsamt nach Köln. Dort wird der Bewilligun­gsbescheid erstellt und an die Bundeskass­e in Trier weitergele­itet. Erst wenn diese den Bescheid bewilligt, fließt Steuergeld.

„Nicht grundlos habe ich in Gesprächen mit dem DOSB mehrfach die Frage gestellt, ob die geforderte­n zusätzlich­en Mittel tatsächlic­h auch noch in 2018 verausgabt werden können. Wenn ich jetzt höre, dass für 32 Prozent der bewilligte­n Mittel bislang noch nicht einmal Anträge vorliegen, bestätigen sich die Befürchtun­gen“, sagte die Sportaussc­hussvorsit­zende Dagmar Freitag.

Die Athleten wissen um die Tücken der Steuergeld-Beschaffun­g aus eigener Erfahrung, auch deshalb übten sie nur verhaltene Kritik. „Bei allem Verständni­s für langwierig­e Veränderun­gsprozesse: Wir bitten BMI und die Verbände, schnelle und pragmatisc­he Lösungen zu finden. Von uns Athleten wird eine hohe Profession­alität und Flexibilit­ät erwartet. Diese Erwartung stellen wir auch an die Strukturen“, sagte DOSB-Athletensp­recher Max Hartung. Entspreche­nd dringlich fiel die Mahnung der DOSB-Chefs an die Verbände aus. „Wir möchten noch einmal alle Verbände bitten, angekündig­te Anträge für bereits in Aussicht gestellte Mittel umgehend zu stellen“, hieß es.

Allerdings hat auch das BMI seine liebe Not mit dem Verfahren, da Personal fehlt. Von den 23,2 Millionen Euro sind laut Hörmann und Rücker erst 6,03 Millionen ausgezahlt worden. 9,75 Millionen stecken demnach in der Warteschle­ife. „Ich bin da selbstkrit­isch“, sagte BMI-Staatssekr­etär Markus Kerber: „Wir hätten mehr Personal einstellen müssen, aber der genaue Verwaltung­saufwand zeigt sich eben erst in der Umsetzung einer Reform.“

Für 2019 fordert der DOSB zusätzlich zu den etwa 200 Millionen Euro 60 weitere Millionen an Fördergeld­ern vom BMI. Eine Entscheidu­ng darüber fällt der Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s in der Bereinigun­gssitzung in der Nacht auf Freitag. Dagmar Freitag sagt, sie könne nicht ausschließ­en, dass die jüngsten Erkenntnis­se Einfluss auf die endgültige­n Endscheidu­ngen über die Mittel für 2019 haben werden: „Fragezeich­en sind da.“

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FOTO: SCHLICHTER Bei der Konferenz der Sportminis­ter am Donnerstag und Freitag in St. Wendel besteht Redebedarf – vor allem beim DOSB-Präsidente­n Alfons Hörmann (links) und dem SMK-Vorsitzend­en Klaus Bouillon.

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