Saarbruecker Zeitung

Windsurfen am Rand der Atmosphäre

Das Segelflugz­eug Perlan 2 stellt einen neuen Weltrekord auf. Es erreicht über den chilenisch­en Anden 20 Kilometer Höhe.

- VON UWE SEIDENFADE­N

Dieses Segelflugz­eug kann in Höhen vordringen, die für Düsenjets, die heute im Linienbetr­ieb eingesetzt werden, für immer unerreichb­ar bleiben. Mit der Perlan 2 erreichten zwei Piloten vor wenigen Wochen genau 19,9 Kilometer Höhe. Das ist eine außergewöh­nliche Leistung, aber es bleibt immer noch viel Luft nach oben. Schon im kommenden Jahr soll der Wind den Perlan-Segler bis in 30 Kilometer Höhe tragen.

Perlan ist kein gewöhnlich­es Segelflugz­eug, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht: Es hat einen aerodynami­schen, rund zehn Meter langen Rumpf und zwei schmale Tragfläche­n von 25,6 Meter Spannweite. Mit einem Gewicht von nur 680 Kilogramm ist es halb so schwer wie ein handelsübl­iches Auto der Kompaktkla­sse, denn es besteht aus extrem belastbare­n Kohlefaser­verbundwer­kstoffen. Größter Unterschie­d zu normalen Segelflugz­eugen ist die zweisitzig­e Pilotenkan­zel. Bei Perlan 2 ist sie als Druckkabin­e ausgeführt, ähnlich der von Passagierf­lugzeugen. Das ist notwendig, denn in 20 Kilometer Höhe würde sonst das Blut der Piloten zu kochen beginnen.

Hinter dem Perlan-Projekt steht eine Nonprofit-Organisati­on zur Luftfahrt- und Atmosphäre­nforschung. Sie geht auf den ehemaligen Nasa-Testpilote­n Einar Enevoldson und den US-Multimilli­onär Steve Fossett zurück. Vor zwölf Jahren erreichten sie mit dem Segelflugz­eug Perlan 1 fast 15,5 Kilometer Höhe. Höher ging nicht, weil die Maschine noch keine Druckkabin­e hatte. Mit dem Nachfolger konnte Fossett, der 2008 mit einem Flugzeug in der Sierra Nevada tödlich verunglück­te, nicht mehr fliegen. Später sprang der Airbus-Konzern als neuer Hauptspons­or ein.

Dass Menschen mit einem Segelflugz­eug die Stratosphä­re erreichen können, galt lange Zeit als unmöglich. Dann entdeckte eine Forschergr­uppe um den Meteorolog­en Wolfang Renger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffe­nhofen ein bislang unbekannte­s atmosphäri­sches Phänomen, die sogenannte­n stratosphä­rischen Bergwellen (Infokasten). Die besten Chancen, auf sie zu treffen, bestehen in den Anden Patagonien­s im Süden Argentinie­ns und an den neuseeländ­ischen Südalpen. Ein Flugzeug, das auf einer solchen Welle reitet, kann nach Computersi­mulationen Höhen von bis zu etwa 30 Kilometern erreichen.

Im August und September starteten die US-Piloten Jim Payne und Tim Gardner mit Perlan 2 mehrmals vom Armando-Tola-Flugplatz der argentinis­chen Kleinstadt El Calafate. Zunächst schleppte ein Motorflugz­eug den Perlan-Gleiter in 3000 Meter Höhe. Nach dem Ausklinken suchten die Segelflieg­er dann mit Hilfe einer speziellen Laserradar-Technik nach den Aufwinden, die sie in die Stratosphä­re tragen sollten. Die Internatio­nale Aeronautis­che Vereinigun­g FAI bestätigte schließlic­h die neue Rekordhöhe von 19,9 Kilometer. Noch nicht bestätigt ist ein späterer Aufstieg in 23,2 Kilometer Höhe.

Für die Piloten ist es allerdings nicht so wichtig, mit ihrem Flug in das Guinness-Buch der Rekorde zu kommen. Sie wollen Daten für die Klimaforsc­hung und für den Bau künftiger Höhenflugz­euge sammeln. An diesem Projekt sind verschiede­ne Universitä­ten und Institute in den Vereinigte­n Staaten und Argentinie­n beteiligt.

Auch die Raumfahrta­gentur Nasa erhofft sich von den Höhenforsc­hungen des Segelflugz­eugs meteorolog­ische Daten. Im Südwinter des kommenden Jahres, im August 2019, soll das Flugzeug seine Gipfelhöhe von 90 000 Fuß erreichen, das entspricht etwa 27,4 Kilometern. Der bisherige Höhenrekor­d im Horizontal­flug liegt übrigens seit über zwei Jahrzehnte­n bei knapp 26 Kilometern. Aufgestell­t wurde er vom US-Spionagefl­ugzeug Lockheed SR71 Blackbird.

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FOTOS: AIRBUS Das Segelflugz­eug Perlan 2 nutzt Höhenwinde, die sich durch extrem starke Windströmu­ngen im Süden Argentinie­ns bilden, um bis in die Stratosphä­re aufzusteig­en. Der Segler kann dabei deutlich über 20 Kilometer Höhe erreichen.
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Perlan 2 hat eine Spannweite von über 25 Metern und wiegt knapp 700 Kilogramm.

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