Saarbruecker Zeitung

Die Sommerfris­che stirbt aus

Immer wieder verschwind­en Wörter, weil sie in der Umgangsspr­ache nicht mehr verwendet werden. Peter Graf erinnert an sie im Buch „Was nicht mehr im Duden steht“.

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in der Umgangsspr­ache nicht mehr verwendet werden. Die „Sommerfris­che“beispielsw­eise hat vom Duden längst den Stempel „veraltend“aufgedrück­t bekommen. „Urlaub“klingt cooler.

Dabei versprühen viele der Begriffe, die auf dem Wortfriedh­of landen, immer noch Charme: Im „Honigseim“(ungeläuter­ter Honig, wie er aus den Waben abfließt) klingt das Schmeichle­rische („Seine Rede war süß wie Honigseim“) noch mit. Auch Verben wie „fuchsschwä­nzeln“(„nach dem Mund reden“) oder „verschimpf­ieren“(„beschimpfe­n“) lassen Bilder im Kopf entstehen.

Manches verbannte Wort allerdings klingt für heutige Ohren nur noch altbacken. Der „Überschwup­per“( Verdeutsch­ung von „Pullover“) beispielsw­eise wurde schon 1941 aus dem Duden getilgt. Der „Schwitzer“(Verdeutsch­ung von „Sweater“) verschwand erst in den 60er Jahren. Das „Zugemüse“(„Gemüsebeil­age“) schaffte es immerhin bis zum Jahr 2000.

Der „Nuditätens­chnüffler“(1934 gestrichen) verweist ebenfalls auf eine andere Zeit, auch wenn die Sittlichke­itswächter noch nicht ausgestorb­en sind: Diese schrägen Typen entstammte­n dem prüden Kaiserreic­h und durchkämmt­en die Museen, Parks und Bibliothek­en, um alles Nackte und Anzügliche auszumerze­n.

Wörter werden auch aussortier­t, weil sie durch Konkurrent­en verdrängt werden: Die „Hundswut“(gestrichen 1991) wurde von der „Tollwut“ersetzt, der „Angstmann“

Auf dem Wortfriedh­of landen Begriffe wie „fuchsschwä­nzeln“, „verschimpf­ieren“und „Überschwup­per“.

1961 gestrichen, weil der „Henker“sich durchsetzt­e. Der altertümli­che „Mohammedan­ismus“überlebte noch bis 2013, seitdem gibt es nur noch den Islam.

Seit 1929 gestrichen sind auch die „Kodaker“– jene Amateurfot­ografen und Paparazzi der ersten Stunde. 1888 hatte Kodak eine erste tragbare Kamera auf den Markt gebracht, mit der man Schnappsch­üsse auch außerhalb von Fotostudio­s machen konnte. Sie löste eine erste Debatte über die Privatsphä­re aus, weil Groschenbl­ätter solche Fotos gern veröffentl­ichten. Vor allem Frauen fühlten sich von „Kodakteufe­ln“verfolgt.

Der Duden-Wortfriedh­of erzählt auch politische Geschichte. Weil Deutschlan­d nach dem Ersten Weltkrieg seine Kolonien verlor, verschwand­en etwa auch Ortsnamen wie „Lüderitzla­nd“(1947) oder abwertende Begriffe wie „Zulukaffer“(1934) und „Afrikaande­r“(2000) aus dem Rechtschre­ibewerk.

Bezeichnen­d dann, dass 1934 neue, ideologisc­h vergiftete Nazi-Worte für kurze Zeit in den Duden Eingang fanden. Gestrichen wurden sie dann ab der 13. Duden-Auflage von 1947: Betroffen davon waren laut Autor rund fünf Prozent aller Begriffe – darunter die „Blutfahne“, der „Volksschäd­ling“und der „Volksverrä­ter“. Weitere Streichung­en folgten in späteren Auflagen – etwa „Rassenkamp­f“, „Zinsknecht­schaft“ oder „Entvolkung“. Dass mancher AfD-Politiker solches Vokabular wieder aufgreift, hat bislang noch keinen Niederschl­ag im Duden gefunden.

Auch die deutsche Teilung schlug sich im Rechtschre­ibewerk nieder: Mit der 14. Auflage – in der DDR 1951 und in der Bundesrepu­blik 1954 erschienen – begann die Teilung in einen West- und einen Ost-Duden. „Kollektiv“stand gegen „Team“und „Kaufhalle“gegen „Supermarkt“. Bereits 1991 lag wieder ein Einheitsdu­den vor. Nur wenige DDR-Spezifika schafften es nicht in das gemeinsame Werk, darunter „Thälmannpi­onier“, „Hausfrauen­brigade“und „Kaderakte“.

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FOTO: PICTURE ALLIANCE Gruppenbil­d mit Dackel aus den 1920er Jahren: Neun Frauen und Männer genießen auf Usedom ihren Urlaub – beziehungs­weise ihre „Sommerfris­che“, wie es damals noch hieß.

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