Saarbruecker Zeitung

Der nette „Manfred“kann auch anders

Mit klarer Mehrheit hat die EVP CSU-Politiker Manfred Weber für die Europawahl nominiert. Er hat beste Chancen, Kommission­spräsident zu werden.

- VON DETLEF DREWES

Die europäisch­en Christdemo­kraten gehen mit Manfred Weber (CSU) als Spitzenkan­didaten in die Europawahl 2019. Der 46-jährige Niederbaye­r wurde gestern mit überwältig­ender Mehrheit (79,2 Prozent) vom Konvent der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) in Helsinki gewählt. Die übrigen Stimmen entfielen auf seinen Gegenkandi­daten, den ehemaligen finnischen Ministerpr­äsidenten Alexander Stubb. Damit hat Weber beste Chancen, Jean-Claude Juncker als Kommission­spräsident zu beerben. Aber wie tickt der gelernte Diplominge­nieur aus dem niederbaye­rischen Wildenberg – und was will er mit Europa?

Der „Manfred“, so nennen sie ihn in Brüssel, ist beliebt, gilt als bodenständ­ig, volksnah und zurückhalt­end. Sein Parteichef Horst Seehofer nennt ihn einen „Mann in der europäisch­en Tradition der CSU“. Die CDU-Vorsitzend­e Angela Merkel lobt ihn als „starke Persönlich­keit“.

Dass der verheirate­te, kinderlose Konservati­ve auch anders kann, wissen nur wenige. 2002, mit 30 Jahren, zog er bereits in den bayerische­n Landtag ein. Zwei Jahre später wechselte er als Innenpolit­iker ins Europäisch­e Parlament – seine Mission. Doch die innerparte­iliche Karriere ging trotzdem weiter. 2008 übernahm er den Vorsitz des mächtigen Bezirksver­bandes Niederbaye­rn der CSU, 2015 stieg er als stellvertr­etender Parteichef in die Führungset­age der Christsozi­alen auf. Inzwischen wird er selbst von Seehofer als potenziell­er Nachfolger an der Spitze der CSU ernstgenom­men.

Diesen Weg schafft man nicht, wenn man immer nur brav und nett ist. „Der Manfred hat seine politische­n Ambitionen seit Jahren zielstrebi­g verfolgt“, sagt einer aus seinem direkten Umfeld. Nun streckt der Bayer die Hand nach dem mächtigste­m Amt der EU aus: Dass die Christdemo­kraten bei der Europawahl wieder die stärkste Fraktion im Straßburge­r Parlament stellen werden, gilt als sicher. Damit wäre Weber als deren Spitzenkan­didat auch der Anwärter auf das Amt des Kommission­spräsident­en.

„Lasst uns ein mehr geeintes, beschützen­des und ambitionie­rtes Europa miteinande­r bauen“, sagte er gestern, als er noch mal um die Stimmen der Delegierte­n kämpfte. Eine Rede, in der er sich kämpferisc­h aufschwang und den Parteikonv­ent mitriss. Den ungarische­n Premiermin­ister Viktor Orbán attackiert­e er wegen rechtsstaa­tlicher Defizite. Das alles soll deutlich machen: Weber kann auch anders. „Manfreds größte Stärke ist, dass er von seinen Gegnern unterschät­zt wird“, meinte ein hoher EVP-Vertreter.

Tatsächlic­h legt Weber zwar auch hinter verschloss­enen Türen seine verbindlic­he Art nicht ab. Aber er lässt auch nicht locker, bis er einen Kompromiss erreicht hat: „Ein Kompromiss ist keine Niederlage“predigte er in Helsinki. Ein Kommission­spräsident Weber würde „nicht so laut bellen, wäre aber trotzdem ein scharfer Hund“, sagen Delegierte. Die Beitrittsg­espräche mit der Türkei will Weber beenden, Ankara aber trotzdem einen Vorschlag für eine andere Anbindung an Europa unterbreit­en. In der Flüchtling­sfrage fordert er mehr Schutz der Außengrenz­en, Auffanglag­er in Nordafrika, eine beschleuni­gte Rückführun­g der Migranten, die kein Recht auf Asyl haben. In der Industriep­olitik steht er mit immer neuen Auflagen für Industrie und Wirtschaft auf Kriegsfuß. Klimaschut­z nennt er unverzicht­bar. Im Streit der EU mit Polen und Ungarn fordert er „neue Instrument­e, um Rechtsstaa­tlichkeit durchzuset­zen“. Weber ist ein Verfechter klarer Ordnung und deren Durchsetzu­ng. „Europa zusammenha­lten, das treibt mich an.“

Ob das „Konzept Weber“aufgeht, wird sich zeigen, wenn die Europäer zwischen dem 23. und 26. Mai 2019 zur Stimmabgab­e gerufen werden. Weber könnte der zweite deutsche Kommission­spräsident nach Walter Hallstein werden, der die Behörde zwischen 1958 und 1967 leitete

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FOTO: ULANDER/DPA CSU-Politiker Manfred Weber ist der neue Spitzenkan­didat für die Europawahl.

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