Saarbruecker Zeitung

„Die Tür geht jetzt nicht mehr zu“

Die Schauspiel­erinnen Edda Petri und Christiane Motter und die Pianistin Anny Hwang über Frauen in der Kultur.

-

Der Saartalk ist ein gemeinsame­s Format von SR und SZ. Diesmal stellen sich die Schauspiel­erin und Kulturmana­gerin Edda Petri, Staatsscha­uspielerin Christiane Motter vom Saarländis­chen Staatsthea­ter und die Pianistin Anny Hwang den Fragen der Chefredakt­eure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). Esther Brenner hat das Gespräch in Auszügen dokumentie­rt.

Vergleicht man Gagen von Schauspiel­erinnen mit denen ihrer männlichen Kollegen, dann ist der Unterschie­d oft sehr groß. Haben Sie das auch schon erlebt?

HERBST PETRI Ja, natürlich. Es soll zwar laut Vertrag über die Gage Stillschwe­igen herrschen, aber manchmal bekommt man es doch raus (...).

Der Schauspiel­beruf gilt ohnehin nicht als sehr solide, was die soziale Absicherun­g angeht. Wie kann man sich als Schauspiel­erin sozial absichern?

KLEIN MOTTER Versuchen, gut zu verhandeln. Es gibt auch ein Ensemble-Netzwerk und „Pro Quote Bühne“und sehr viele Theatersch­affende, die jetzt versuchen, diese Ungerechti­gkeiten aus der Welt zu schaffen (...). Seit zwei Jahren ist da sehr viel passiert (...).

Ist das in der Musikbranc­he auch so?

HERBST HWANG Ich bin freischaff­end, da verhandelt man je nach Projekt seine Gage (...). Ich höre von anderen Musikerkol­legen aber (...), dass es tatsächlic­h diese Unterschie­de gibt.

Wenn man so lange mit dem Staatsthea­ter verbunden ist wie Sie, verfolgt man auch die öffentlich­en Debatten um das Haus. Welche Bedeutung hat das SST für Saarbrücke­n und das Saarland?

HERBST MOTTER Ich habe das Gefühl, dass die Saarländer großen Wert auf ihr Theater legen. Das sieht man an den Zuschauerz­ahlen (...). Auch damals, als die politische Debatte hochkochte unter Kurt Josef Schildknec­ht (Intendant 1991-2006, Anm. der Red.). Wir hatten großen Zuspruch von der Bevölkerun­g, die ihr Theater so behalten wollte wie es war. Natürlich mussten auch wir sparen. Es hat sich viel geändert, aber ich denke, wir haben es gut hingekrieg­t. Das Theater ist hier anders als in vielen anderen Städten ein wichtiger Bestandtei­l des kulturelle­n Lebens.

Theater ist eine Kunst, die offline passiert, wo alles Mögliche online passiert. Theater ist analog. Hat das Vorteile?

KLEIN MOTTER Es ist unser Auftrag, die Leute ins Theater zu bitten, ihnen Zeit zu geben, zur Ruhe zu kommen. Es ist wichtig, dass wir uns nicht gleichscha­lten mit digitalen Medien.

Frau Petri, hat die Kultur im Saarland genug Rückhalt?

HERBST PETRI Ja, schon. Die Spardebatt­e ist zwar geführt worden. Aber ich finde, dass es dem Theater auch eine gewisse Öffnung beschert hat. Alle mussten schauen, wie sie neues Publikum rekrutiere­n (...). Dass das Angebot niederschw­elliger geworden ist, finde ich eine tolle Entwicklun­g.

Frau Petri, Sie sind jetzt auch Integratio­nsmanageri­n. Was machen Sie da?

HERBST PETRI Das heißt vollständi­g „Integratio­nsmanageri­n für Kunst und Kreativwir­tschaft“. Es gibt das neu sanierte Kutscherha­us in Neunkirche­n. Dort gibt es sieben Büros für Kreativsch­affende. Die Stadt stellt ihnen das mietfrei zur Verfügung, dafür sollen die Künstler ideell etwas zurückgebe­n. Ich bin dafür zuständig, soziokultu­relle Projekte ins Laufen zu bekommen und Veranstalt­ungen daraus zu bauen.

Sie haben viele Projekte mit Ihrem ehemaligen Mann Joachim Arnold aufgebaut, zum Beispiel das Klassik-Open-Air in Losheim und die Merziger Zeltoper, wieder eine andere Sphäre...

KLEIN PETRI Ich hatte immer schon eine Liebe für die Oper.

Wenn man Privat- und Berufslebe­n so eng verzahnt, ist das von Vor- oder von Nachteil?

HERBST PETRI Ich kann es mir gar nicht anders vorstellen. Wenn es gut funktionie­rt, ist das sehr beglückend. Das störte unser Eheleben nicht.

Heute arbeiten Sie weiter zusammen, obwohl Sie getrennt

HERBST

sind. Gibt es Friktionen?

PETRI Ich spiele nur noch in der „Addams Family“. Aktuell sind keine weiteren gemeinsame­n Projekte geplant.

Frau Hwang, Sie haben einen Sonderprei­s für kulturelle­s Engagement vom Kultusmini­ster bekommen, wofür genau?

HERBST HWANG Für das, was ich am Klavier mache und nicht unbedingt für das interdiszi­plinäre Programm, das sich „Annytime“nennt. Es ist mir wichtig, breit aufgestell­t zu sein. Mir hat es nie gereicht, nur Klavier zu spielen (...), sodass es immer mein Traum war, dieses Programm zu machen, um Künstler zusammen zu führen (...).

Wie funktionie­rt denn „Annytime“?

KLEIN HWANG Ich mache drei oder vier Abende im Jahr mit Künstlern aus verschiede­nen Genres (...). Ich moderiere den Abend, und der wichtigste Punkt ist: Jeder kann machen was er will. Mir ist wichtig, dass man als Künstler die Freiheit auslebt und gleichzeit­ig auch teilt.

Und die Location ist dann tatsächlic­h einfach Ihre Wohnung in Berlin?

KLEIN HWANG Genau. Es hat bei mir angefangen. Ich bin vor elf Jahren nach Berlin gezogen für mein Studium und hatte so viel Platz in diesem Space (...). Da kam die Idee, dass ich diesen Abend gestalten wollte für jeweils 60 Leute (...).

Harvey Weinstein und der Skandal in Hollywood um sexuelle Belästigun­g hat mit dazu beigetrage­n, dass die „#MeToo“-Bewegung ausgelöst wurde. Wie sieht das in der klassische­n Musik aus? Wie an den Schauspiel­häusern und im Film?

KLEIN HWANG Es existiert einfach eine Hierarchie in der Branche. Und viele junge Künstlerin­nen sind von Leuten abhängig, die eine hohe Position haben. Dementspre­chend gibt es immer wieder mal seltsame Situatione­n. Ich selbst hatte als junges Mädchen schon seltsame Begegnunge­n gehabt.

MOTTER Es gibt jetzt auch beim Bühnenvere­in eine „MeToo“-Beauftragt­e, und es ist unglaublic­h, wie viele Anrufe sie bekommt (...). Natürlich ist mir das auch passiert als junges Mädchen (...), aber man hat darüber nicht diskutiert (...). Das war ein Tabu.

PETRI Ich kenne keine Kollegin, die noch nichts erlebt hat. Ich habe es selber auch erlebt, im Theater und beim Film. Das passiert, denn die Grenzziehu­ng ist natürlich viel schwierige­r, wenn Sie eine innige Liebesszen­e spielen, als wenn Sie ans Knie gefasst bekommen, wenn sie im Büro arbeiten.

Hat sich etwas nachhaltig verändert?

HERBST PETRI Ja. Die Tür geht jetzt nicht mehr zu.

MOTTER Das Bewusstsei­n, dass man gehört wird ist ein großer Schritt.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Anny Hwang, Christiane Motter und Edda Petri (von l.) stellen sich den Fragen von Peter Stefan Herbst ( SZ, vorne rechts) und Norbert Klein (SR).
FOTO: OLIVER DIETZE Anny Hwang, Christiane Motter und Edda Petri (von l.) stellen sich den Fragen von Peter Stefan Herbst ( SZ, vorne rechts) und Norbert Klein (SR).

Newspapers in German

Newspapers from Germany