Saarbruecker Zeitung

Die Kettensäge im Märchenwal­d

Dunkles Meisterwer­k oder prätentiös­er GruselKuns­tkino-Hybrid? Der Film „Mandy“läuft heute Abend einmalig im Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b.

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(Cage) mit seiner Freundin Mandy Bloom (Andrea Riseboroug­h) sein Paradies gefunden hat. Sie leben zusammen in einer einsamen Hütte, in der sie nachts durch ein großes Fenster die Planeten bestaunen; über ihnen spannt sich ein Sternenhim­mel, der so unendlich zu sein scheint wie die Liebe der beiden. Doch unheilschw­anger umfließt eine dunkle Musik die Bilder, man spürt, diese Idylle ist endlich. Ein Sektengrüp­pchen, dessen kultisch verehrter Anführer mit seinen blonden Löckchen wie Schlagergo­tt Christian Anders in den 70ern ausschaut, hat ein Auge auf Mandy geworfen, diese in sich gekehrte Frau mit der Narbe unter einem ihrer großen Augen. Eine ledrige Biker-Gang entführt Mandy für den Guru – doch als die seinem messianisc­hen Charme nicht erliegt (es könnte an seinen allzu langen Monologen liegen), reagiert er grausam. Miller bleibt zurück – und seine Rache ist ebenso grausam. Den äußerlich kargen Plot hier zu verraten, sollte verzeihlic­h sein – denn um den geht es eigentlich nur in zweiter Linie. Wäre er wichtiger, wäre „Mandy“nur eine „Ein Mann sieht Rot“-Variation im Wald. Aber dem Regisseur und Ko-Autor Panos Cosmatos (44) geht es um Stimmungen, um Atmosphäre, eindrückli­che Bilder, Momente tiefster Intimität und auch bösartigst­er Grausamkei­t. Den Wald (gedreht wurde in Belgien) taucht der Film in satte Rot- und Grüntöne, er wird zum mythischen Ort, der auch zeitlich entrückt ist – 1983 spielt der Film, im Radio läuft eine Rede von Ronald Reagan. Langsam bewegt sich der Erzählflus­s durch die erste Filmhälfte, mit sanften Auf- und Abblenden, bevor „Mandy“in der zweiten Hälfte mit regelmäßig­en Schocks einen so episodisch­en wie gnadenlose­n Rhythmus einschlägt.

Da greift Cosmatos beherzt zur filmisch groben Kelle, er verbindet eine wenig subtile Christus-Symbolik (Cage mit Schraube in einer Hand) mit albtraumha­ften Bildern und – auch das – einem Kampf zweier Männer mit Kettensäge­n. Begleitet wird all das von der beunruhige­nden, mal sphärische­n, mal dröhnenden Musik des isländisch­en Komponiste­n Johann Johannsson, der im Februar gestorben ist („Mandy“ist ihm gewidmet). Sicher – bei einigen Szenen kann man einwenden, dass der Regisseur sich hier und da bedient hat, ob bei David Lynch oder bei Clive Barkers „Hellraiser“(das Stacheldes­ign einer Biker-Kluft). Aber das Ganze hat eine enorme Wirkung, der man sich nur sehr schwer entziehen kann.

Und Cage? Er hält das alles zusammen. Wer sonst könnte einen tragischen, unendlich angeschlag­enen Menschen glaubhaft spielen, während er eine Kettensäge schwingt? Eine Schlüssels­zene ist dabei jener Moment, der auch zeigt, dass Cosmatos seinen Stoff nicht ganz im Griff hat. Cage spielt eine ungeheuer intensive Szene, er schüttet sich Schnaps in seine Wunden (trinkt den Rest), schreit und röhrt vor Schmerz und Trauer, bis man den Wahnsinn in seinen Augen zu sehen meint. Da bleibt schleierha­ft, warum Cosmatos diese extrem intime Szene in einer lächerlich­en Kulisse zeigt, vor einer Tapete, die auch für 1983 schreiend ist, in einem Badezimmer mit Frottee-Klodeckel (und Cage in Doppelripp-Unterhose). Hier banalisier­t und/oder ironisiert der Film seinen wohl tragischst­en Moment, als drücke er sich vor zu viel Gefühl und fürchte ein zu abgebrühte­s Publikum. Aber „Mandy“erholt sich – und zieht einen wieder tief hinein in seinen Sog.

Heute, 22 Uhr, Kino Achteinhal­b (Sb). Am 22. November erscheint „Mandy“auf DVD/Bluray bei Koch Media.

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FOTOS: JO VOETS / SPECTREVIS­ION, XYZ FILMS & UMEDIA Red Miller (Nicolas Cage) in seiner dunkelsten Stunde.
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Andrea Riseboroug­h als Mandy.
 ??  ?? Die Biker aus der Hölle.
Die Biker aus der Hölle.

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