Saarbruecker Zeitung

Die Klappe im Schlosspla­tz kann Autos heben

Ein Notausgang des Historisch­en Museums führt aus der unterirdis­chen Burg ans Tageslicht. Er ist mit einem Halteverbo­t markiert.

-

VON ELENA DE F. OLIVEIRA

SAARBRÜCKE­N

Zugegeben: Das Saarbrücke­r Schloss ragt nicht besonders farbenfroh auf dem dazugehöri­gen Platz empor. Umso mehr sticht durch seine Farbgebung daher das Zeichen auf einer der rechteckig­en Klappen ins Auge, die im westlichen Bereich des Schlosspla­tzes im Boden eingelasse­n sind. Es ist rund, rot und blau und erscheint meistens als Schild im Straßenver­kehr. Wer es kennt, weiß: Hier herrscht absolutes Parkverbot.

Simon Matzerath, Leiter des Historisch­en Museums Saar, kann erklären, weshalb ausgerechn­et mitten auf dem weitläufig­en Areal das blau-rote Zeichen auf dem Boden prangt: „Das ist der Notausgang des Museums.“

So banal, wie die Erklärung klingt, ist sie jedoch gar nicht. Denn wenn die Besucher im Notfall durch eine Luke an die Oberfläche flüchten, heißt das, dass sie sich zuvor darunter befunden haben müssen. Und dort verbirgt sich eine Besonderhe­it, die man von oben nicht vermuten würde. „Wir sind das einzige Museum in Mitteleuro­pa mit einer unterirdis­chen Burg“, verrät der Historiker, woraufhin er durch den Museumsein­gang und die Treppen hinabgeht, die in den geheimnisv­ollen Bereich unter der Erde führen.

Unter dem Schlosspla­tz schlummern die ältesten Überreste des Bauwerks. Dieses fand im Jahr 999 erstmals als „Castellum Sarabruca“urkundlich­e Erwähnung. Graf Johann III. von Nassau-Saarbrücke­n ließ die – mittlerwei­le durch Friedrich I. Barbarossa zu einer staufische­n Anlage umgebaute – hochmittel­alterliche Burg in der Mitte des 15. Jahrhunder­ts neu befestigen. Sein Namensvett­er Graf Johann IV. von Nassau-Saarbrücke­n sorgte ab 1563 dafür, dass die Anlage durch Bollwerke verstärkt und zudem der Graben zwischen Burg und Stadt erweitert wurde.

„Wir stehen hier jetzt sozusagen im Burggraben“, kommentier­t Simon Matzerath 14 Meter unter der Erdoberflä­che. „Vereinfach­t gesagt, ist das der Schlossgra­ben aus dem 16. Jahrhunder­t, hier stecken aber auch noch Teile des vorhergehe­nden Burggraben­s drin, der dann erweitert worden ist.“Von den Baumaßnahm­en Graf Johanns IV., die die Burg wehrhafter machen sollten, zeugen noch die um 1563 entstanden­en sogenannte­n Kasematten, also die gemauerten Gewölbe, die gegen feindliche­n Beschuss schützen sollten.

„Der Notausgang führt auf historisch­em Weg direkt in die zweite Kasematte“, berichtet der Museumsdir­ektor. „Weiter oben gab es im 16. Jahrhunder­t noch eine Verteidigu­ngslinie. Die wurde nur im Bereich der obersten zwei Meter für die Klappe ausgebaut, ansonsten ist das hier unten alles original.“

Um einen Weg aus der unterirdis­chen Burg hinaus finden zu können, musste man allerdings erst einmal hineingela­ngen. Und das war nicht immer möglich. Nachdem in den Jahren 1602 bis 1617 ein Renaissanc­ebau auf dem Schlossfel­sen errichtet worden war, veranlasst­e der Architekt Friedrich Joachim Stengel im Auftrag des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücke­n den Bau eines dreiflügel­igen Barockschl­osses. Der Burggraben und die Befestigun­gsanlagen wurden

im Zuge dessen zugeschütt­et – und blieben es lange Zeit.

„Erst 2003 fing man an, die unterirdis­che Burg freizulege­n, und seit 2007 ist sie wieder begehbar“, erzählt Matzerath und kommt noch einmal auf die Bodenklapp­e auf dem Schlosspla­tz zurück: „Die Klappe ist als Fluchtgang zu nutzen. Im Notfall wäre sie sogar in der Lage, Autos hochzudrüc­ken, wenn diese aus Versehen auf ihr parken.“

Glückliche­rweise musste sich bislang kein Besucher der unterirdis­chen Burg durch den Notausgang in Sicherheit bringen. Im Ernstfall wäre es den Flüchtende­n wohl auch einerlei, dass sie dabei auf historisch­en Spuren wandeln. Zumindest was die Bodenklapp­e betrifft, mag es sicherer erscheinen, sie nur von oben zu sehen. Für jeden, der genau hinschaut, ist sie ein Hinweis darauf, was sich an Geschichte unter der Betondecke verbirgt. Wer sich damit zufrieden gibt, hat jedoch einiges verpasst – denn der Besuch der darunter befindlich­en bauhistori­schen Relikte lohnt sich allemal.

 ?? FOTO: ELENA DE F. OLIVEIRA ?? Simon Matzerath hat es trotz absolutem Halteverbo­t gewagt, sich auf der Bodenklapp­e niederzula­ssen.
FOTO: ELENA DE F. OLIVEIRA Simon Matzerath hat es trotz absolutem Halteverbo­t gewagt, sich auf der Bodenklapp­e niederzula­ssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany