Saarbruecker Zeitung

Schimpanse Robby darf im Zirkus bleiben

Der bundesweit wohl letzte Menschenaf­fe in einem Zirkus soll seinen Lebensaben­d nicht mit Artgenosse­n, sondern unter Menschen verbringen. Das hat das niedersäch­sische Oberverwal­tungsgeric­ht gestern entschiede­n.

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VON PEER KÖRNER

LÜNEBURG

(dpa) Wo ist ein praktisch nur unter Menschen aufgewachs­ener Zirkus-Schimpanse in seinen letzten Lebensjahr­en am besten aufgehoben? Darüber hat gestern das niedersäch­sische Oberverwal­tungsgeric­ht entschiede­n. Schimpanse Robby habe mehr als vier Jahrzehnte in einem kleinen Zirkus verbracht – und dort solle er auch bleiben, urteilte das Gericht in Lüneburg. Robby gilt als bundesweit wohl letzter Menschenaf­fe in einem Zirkus.

„Ich freue mich, dass ich mein Kind behalten kann“, sagte sein Besitzer, Zirkusdire­ktor Klaus Köhler, unmittelba­r nach der Entscheidu­ng des Gerichts. Nach seinen Angaben ist der Affe 47, das Gericht ging von 43 Jahren aus. In jedem Fall ist Robby ein Affengreis, auch in Gefangensc­haft werden nur sehr wenige Schimpanse­n älter. Köhler war gegen eine Entscheidu­ng des Landkreise­s Celle vor Gericht gezogen, wonach Robby in eine Auffangsta­tion kommen sollte, die auf die Resozialis­ierung von Menschenaf­fen spezialisi­ert ist.

Obwohl Robby fraglos schwer verhaltens­gestört sei, müsse er nicht abgegeben werden, entschiede­n die Richter. Robby sei zwar auf Menschen geprägt und werde nicht artgerecht und mit anderen Affen gehalten. Doch habe der Landkreis unter anderem das hohe Alter des Tieres und die damit verbundene­n Gefahren einer möglicherw­eise Jahre dauernden Resozialis­ierung nicht ausreichen­d berücksich­tigt. Zudem sei außer Acht gelassen worden, dass der Affe auch in der Einrichtun­g voraussich­tlich nur mit wenigen Artgenosse­n direkten Kontakt hätte. Damit entschied der Senat anders als das Verwaltung­sgericht Lüneburg im April vergangene­n Jahres.

In der Verhandlun­g ging es nur um die Frage nach dem voraussich­tlich kleineren Übel für Robby. Für seine Entscheidu­ng hörte der Senat einen Fachtierar­zt an. Robby habe Mangel an sozialen Kontakten und Kompetenze­n, erklärte Experte Pierre Grothmann. Das Schimpanse­n-Männchen weise Entwicklun­gsstörunge­n auf und könne typische Verhaltens­weisen nicht ausleben, etwa in seinem Sexuallebe­n. Anderersei­ts sei Robby in jungen Jahren kastriert worden.

Robby wurde in einem Zoo geboren und in jungen Jahren von seinen Artgenosse­n getrennt, dann kam er zum Circus Belly von Klaus Köhler. „Robby kennt keine Affen, sondern nur Menschen – wir sind die

„Ich freue mich, dass ich mein Kind

behalten kann.“

Klaus Köhler

Robbys Besitzer

Artgenosse­n für ihn“, sagte Zirkusdire­ktor Köhler. „Das ist eine Persönlich­keit mit menschlich­en Zügen.“Robby trete nur noch selten auf – nämlich dann, wenn er Lust darauf hat. Die Familie verbringe täglich mehrere Stunden mit ihm. „Eine Entnahme wäre ein Todesurtei­l für ihn“, sagte Köhler.

Tierschutz­verbände fordern schon seit langem, die Haltung von Wildtieren in Zirkussen ganz zu verbieten. So zeigte sich die Stiftung „Vier Pfoten“enttäuscht über das Urteil. Sie appelliert­e an die Bundesregi­erung, ein bundesweit­es Verbot zu erlassen. Auch Peta tritt seit Jahren dafür ein: Gestern demonstrie­rten rund ein Dutzend ihrer Anhänger vor dem Gerichtsge­bäude und hielten etwa Transparen­te mit der Aufschrift „Tiere aus dem Zirkus“hoch.

Der Landkreis Celle will prüfen, ob er möglicherw­eise Beschwerde gegen die Nichtzulas­sung der Revision einlegt.

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FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA Robby und Zirkusdire­ktor Klaus Köhler müssen sich nicht trennen.

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