Saarbruecker Zeitung

Wie Nutzer mit Internet-Spielen abgezockt werden

Der Handel mit digitalen Gegenständ­en, die Nutzer in Computersp­ielen gewinnen können, floriert. Händler agieren oft in einer Grauzone.

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VON DAVID SEEL

BERLIN

Belohnunge­n sind seit den Anfangstag­en ein integraler Bestandtei­l der meisten Computersp­iele. Traditione­ll bekommen sie Spieler für Erfolge in den virtuellen Welten, etwa, wenn sie das nächste Level in einem Spiel oder ein bestimmter Platz in einer Online-Rangliste erreicht haben. Diese Belohnunge­n können die verschiede­nsten Formen annehmen: von nützlicher Ausrüstung für die eigene Spielfigur über den Zugang zu vorher gesperrten Bereichen des Spiels bis hin zu rein kosmetisch­en Gegenständ­en, die das digitale Selbst verschöner­n sollen.

Vergleichs­weise neu ist hingegen, dass solche virtuellen Belohnunge­n nicht nur erspielt, sondern auch beim Entwickler des Spiels gekauft werden können. Mit solchen sogenannte­n Mikrotrans­aktionen wurden laut dem Verband der deutschen Games-Branche hierzuland­e rund 850 Millionen der rund 3,3 Milliarden Euro, die die Branche insgesamt im vergangene­n Jahr umgesetzt hat, erwirtscha­ftet. Was aber passiert, wenn Spieler die wertvollen digitalen Güter weiterverk­aufen? Und wer haftet, wenn die teilweise mehrere Tausend Euro teuren Gegenständ­e gestohlen oder durch Betrug ergaunert werden?

Ausgangspu­nkt für den Handel mit virtuellen Spielgegen­ständen ist in den allermeist­en Fällen die weltgrößte Computersp­iel-Plattform Steam. Laut Betreiber Valve verwenden fast 15 Millionen Nutzer pro Tag den Dienst, bei dem mittlerwei­le zehntausen­de Spiele verschiede­ner Entwickler zum Verkauf angeboten werden. Über Steam können auch virtuelle Güter gehandelt werden – entweder direkt zwischen Spielern oder über den sogenannte­n Community-Markt. Erstere Methode sei dabei nur für den Tauschhand­el unter Freunden gedacht, letztere hingegen für den öffentlich­en Verkauf, so Valve.

Für den Handel im Community-Markt gelten laut dem Konzern vergleichs­weise strenge Regeln. So darf eine einzelne Transaktio­n den Wert von 1800 Euro nicht übersteige­n. Außerdem sind Käufer und Verkäufer hier vor Betrügern geschützt, da die Transaktio­nen ausschließ­lich über die Server von Steam abgewickel­t werden. Der entscheide­nde Punkt ist aber, dass Verkäufer nicht in Geld, sondern mit Guthaben für ihre „Steam-Börse“entlohnt werden. Deren Inhalt kann nur direkt auf der Plattform eingelöst werden. „In der Steam-Börse vorhandene Beträge stellen keinen rechtlich anerkannte­n Vermögensw­ert dar und haben außerhalb von Steam keinen Wert“, so Valve. „Vorhandene Guthaben können nicht in (Bar-)Geld umgetausch­t werden.“

Aufgrund dieser Einschränk­ungen müssen Nutzer, die ihre Gegenständ­e zu echtem Geld machen wollen, auf Handelspla­ttformen von Drittanbie­tern zurückgrei­fen. Dort werden die virtuellen Güter über den Steam-Tauschhand­el an die Betreiber der Webseiten abgegeben, die dann die Transaktio­n im Namen der

Mitch Bowman

Nutzer durchführe­n und Verkäufer anschließe­nd auszahlen. Laut den Nutzungsbe­dingungen von Steam ist das untersagt, neben den Sicherheit­sbedenken wohl auch deshalb, weil der Betreiber Valve bei jeder Transaktio­n über den Community-Markt fünf bis zehn Prozent der Verkaufssu­mme als Gebühr einbehält. Daher übernimmt der Konzern für den Handel über Seiten von Drittanbie­tern auch keinerlei Garantie: „Steam stellt keine Gegenständ­e wieder her, egal unter welchen Umständen sie den Besitzer gewechselt haben“, so das Unternehme­n.

Dem regen Handel über die Drittanbie­ter-Plattforme­n scheint das keinen Abbruch zu tun: „Mehr und mehr Spieler tummeln sich auf den inoffiziel­len Marktplätz­en“, sagt Mitch Bowman vom Fachmagazi­n Polygon. Das belegen auch die zahllosen Webseiten, auf denen Nutzer die digitalen Güter nicht nur verkaufen, sondern auch in Lotterien wie echtes Geld setzen können. Dort gehen die „Gegenständ­e“mitunter auch für weit mehr als der 1800-Euro-Grenze von Steam über die virtuelle Ladentheke. Dabei sei es immer wieder zu den verschiede­nsten Betrugsfäl­len gekommen, bei denen Nutzer um Tausende Euro geprellt worden seien, berichtet Bowman. So hätten etwa zahlreiche Anbieter die Dienste einfach eingestell­t und sich mit den digitalen Besitztüme­rn ihrer Kunden aus dem Staub gemacht.

Bei dem Steam-Guthaben handele es sich aus rechtliche­r Sicht nicht um reines Spielgeld, sagt Dominik Brodowski, Juniorprof­essor für Strafrecht und Strafverfa­hrensrecht an der Universitä­t des Saarlandes. „Das Gesetz geht hier von sogenannte­n wirtschaft­lichen Vermögensw­erten aus“, so der Experte. „Das entscheide­t sich in der Regel danach, ob eine Sache faktisch gegen Geld tauschbar ist.“Brodowski vergleicht die virtuellen Güter mit Digitalwäh­rungen wie Bitcoin. „Die werden mittlerwei­le auch als Vermögen angesehen.“ Somit könnten Betrügerei­en auf solchen Plattforme­n auch strafrecht­lich verfolgt werden. „Wer sein Geld wiederhabe­n möchte, muss gegen die Betrüger allerdings zivilrecht­lich vorgehen“, so die Einschätzu­ng des Rechtswiss­enschaftle­rs.

Da die virtuellen Gegenständ­e einen realen Gegenwert besitzen, können sie sogar steuerlich relevant werden. Die US-amerikanis­che Steuerbehö­rde IRS erhält von Valve bereits die Daten von Kunden, die Staatsbürg­er der USA sind und in einem einzelnen Jahr mehr als 200 Transaktio­nen tätigen oder mehr als 17 500 Euro erwirtscha­ften. In Deutschlan­d gibt es derzeit noch keine vergleichb­are Verpflicht­ung für den Konzern. Deutsche Spieler seien selbst dafür verantwort­lich, „die anwendbare­n Steuerbest­immungen für Ihre Community-Markt-Verkäufe zu ermitteln und zu erfüllen“, so das Unternehme­n.

Die Frage, wie genau diese Bestimmung­en aussehen, also ab welchem Punkt Spieler verpflicht­et sind, den Verkauf virtueller Gegenständ­e in der Steuererkl­ärung anzugeben, ist laut Steffen Lampert nicht pauschal zu beantworte­n. „Da hier noch keine eindeutige Rechtsprec­hung vorliegt, wird das im Einzelfall entscheide­n“, so der Professor für Finanz- und Steuerrech­t an der Universitä­t Osnabrück. Diese Entscheidu­ng hänge unter anderem davon ab, ob eine Gewinnabsi­cht erkennbar sei, erklärt der Experte. Diese könne beispielsw­eise unterstell­t werden, wenn Spieler regelmäßig Gegenständ­e veräußerte­n oder mit dem Verkauf hohe Gewinne erzielten. „Wenn das reine Spielen im Vordergrun­d steht, dürfte das aber nicht der Fall sein“, sagt Lampert.

„Mehr und mehr Spieler tummeln sich auf den inoffiziel­len

Marktplätz­en.“

Fachmagazi­n Polygon

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FOTO: FOTOLIA Bei einigen Spielen zahlen Nutzer Tausende Euro für virtuelle Gegenständ­e.

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