Saarbruecker Zeitung

„Regierungs­chefs dürfen Wählerwill­en nicht übergehen“

Der Präsident des Europäisch­en Parlaments hält große Stücke auf Manfred Weber, den EVP-Spitzenkan­didaten für die Europawahl, und übt heftige Kritik an Italien.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE DETLEF DREWES

Antonio Tajani leitet seit Anfang 2017 als Präsident das Europäisch­e Parlament. Für ihn hat der Deutsche Manfred Weber (CSU) alle Voraussetz­ungen, um EU-Kommission­spräsident zu werden.

Ihre Parteienfa­milie, die europäisch­en Christdemo­kraten, gehen mit Manfred Weber in den Europawahl-Kampf. Was schätzen Sie an ihm?

TAJANI: Manfred Weber hat eine Vision von Europa, die ansteckend und begeistern­d ist. Denn wir brauchen ein Europa, das schützt, das seine Werte verteidigt und dafür sorgt, dass wir zusammen erreichen, was kein Land alleine schaffen würde. Dies sage ich als Präsident des Europäisch­en Parlamente­s. Als Italiener füge ich hinzu: Manfred Weber hat verstanden, dass wir bei der Migration eine Lösung wollen, die auch meinem Land hilft. Denn es wurde von Europa zu lange alleine gelassen.

Sind Sie sicher, dass Weber, sollten die Christdemo­kraten die Wahlen gewinnen, auch der nächste Kommission­spräsident wird?

TAJANI: Die Europäisch­en Verträge sind eindeutig: Das letzte Wort liegt beim Europäisch­en Rat, also bei den Staats- und Regierungs­chefs. Sie müssen einen Kandidaten ernennen. Aber auch in diesem Kreis haben die Christdemo­kraten eine Mehrheit.

Nicht alle Staats- und Regierungs­chefs wollen sich die Entscheidu­ng abnehmen lassen.

TAJANI: Für ein demokratis­ches Europa ist es unverzicht­bar, dass das Europäisch­e Parlament ernstgenom­men wird. Es ist der Schlüssel unserer Demokratie. Manfred Weber kommt aus der Volksvertr­etung der EU, er braucht dort eine Mehrheit. Wenn er die hat, wird er der nächste Kommission­spräsident. Das müssen auch die Staats- und Regierungs­chefs akzeptiere­n. Denn sie können den Willen des Volkes ja nicht einfach übergehen. Diesen Eindruck sollten sie nicht aufkommen lassen. Und auch das will ich hier mal ganz klar sagen: Die Kommission wird von dem Parlament kontrollie­rt, es ist nicht die Kommission, die das Parlament kontrollie­rt.

Der Brexit rückt näher. Bekommen wir noch einen Deal?

TAJANI: Ja, ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen Deal bekommen werden, der für beide Seiten akzeptabel ist. Alle 27 Mitgliedst­aaten, die EU-Kommission, das Parlament – wir sind uns alle einig. Wir werden auch das Problem der Grenze zwischen Irland und Nordirland lösen. Niemand will dort eine harte Grenze. Aber wir brauchen Kontrollen – für unsere Waren, für unsere Standards, für Im- und Exporte. Deshalb heißt das Rezept: strikte Kontrollen, aber eine flexible Grenze.

Zur Konfrontat­ion zwischen EU und Italien: Wie kann verhindert werden, dass der Haushaltss­treit eskaliert?

TAJANI: Das Problem ist das, was die neue Regierung mit den neuen Schulden machen will. Die gegenwärti­ge Regierung will stattdesse­n Wahlgesche­nke verteilen, um mehr Zustimmung bei den Europawahl­en zu erreichen. Da darf sich niemand wundern, dass die Euro-Partner da nicht mitziehen. So etwas klärt man, indem man sich an einen Tisch mit der Kommission und mit den Euro-Partnern setzt. Natürlich müssen wir die italienisc­hen Interessen verteidige­n. Aber Deutschlan­d, Frankreich und die anderen sind dabei unsere Partner, nicht unsere Gegner. Aggressiv gegen alle anderen zu sein, ist dumm.

 ?? FOTO: MATTHYS/DPA ?? Antonio Tajani ist Präsident des Europäisch­en Parlaments.
FOTO: MATTHYS/DPA Antonio Tajani ist Präsident des Europäisch­en Parlaments.

Newspapers in German

Newspapers from Germany