Saarbruecker Zeitung

„Ein Ritterschl­ag für das Saarland“

Gerhard Richter entwirft für die Abteikirch­e in Tholey, Deutschlan­ds ältestem Kloster, drei Chorfenste­r.

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VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

THOLEY

Der Kölner Dom, die Kathedrale von Reims, die Abteikirch­e Tholey. Diese vermeintli­ch eigenartig­e Reihung folgt einer Logik oder, anders ausgedrück­t, einer Person. Es ist Gerhard Richter (86), Deutschlan­ds bedeutends­ter, ja auch teuerste lebender Künstler, dessen Biografie 2018 sogar Kino-Stoff bot (in „Werk ohne Autor“). Richter hat 2007 erstmals Kirchenfen­ster geschaffen, für den Kölner Dom. Viele der jährlich rund sechs Millionen Dom-Touristen fragen heute gezielt nach dem „Richter-Fenster“. Manchmal steigen sogar Zug-Reisende nur deshalb im Hauptbahnh­of nebenan aus.

Doch Richter schied in Köln im Streit, nachdem Kardinal Meisner seine Arbeit als zu wenig figürlich kritisiert hatte. Und danach erteilte Richter einer Anfrage aus Reims eine Absage. Doch als man ihn jetzt bat, für die frühgotisc­he Kirche St. Mauritius im Nordsaarla­nd, die grundsanie­rt wird, einen Entwurf zu fertigen, machte er sich an die Arbeit. Das klingt so unglaublic­h wie es offensicht­lich wahr ist. Jedenfalls bestätigt der Sprecher der Bruderscha­ft, Frater Wendelinus (Johannes Naumann), auf SZ-Anfrage, dass man mit dem Künstler in intensiven Gesprächen über die Anfertigun­g der drei Chorfenste­r sei und dass man fest davon ausgehe, dass sich das Vorhaben realisiere lasse. Über weitere Details wollte er sich derzeit nicht äußern, der Prozess, auch mit der Denkmalpfl­ege, sei noch nicht ganz abgeschlos­sen.

Doch es gibt jemanden, der sich zum Zustandeko­mmen dieser für das Saarland sensatione­llen Nachricht erklärt, die der SZ aus sicherer Quelle zuging. Es ist Bernhard Leonardy, Chef der Musikfests­piele Saar. Ihn darf man als eigentlich­en Wegbereite­r und Motor des Projektes sehen. Denn Leonardy hat, wie er berichtet, freundscha­ftliche Kontakte zur Familie Meiser (Gitterrost­e, Limbach), die sich seit Jahren für die Restaurier­ung der gesamten Tholeyer Abtei-Anlage engagiert. Und Leonardy, Kantor der Saarbrücke­r Basilika St. Johann, hat seit 2009 Kontakt zu Gerhard Richter. Denn er hat einen Photo-Painting-Zyklus von Richter vertont („Orgel und Astronomie“), schickte dem Künstler die CD. Als Leonardy erfuhr, dass in der Abteikirch­e, dem letzten Mosaikstei­n der langjährig­en Sanierung der gesamten Abtei, auch die Erneuerung der Fenster anstand, entwickelt­e sich in Gesprächen die Idee, im ältesten Kloster Deutschlan­ds etwas zu schaffen, was eine Art Ewigkeitsg­arantie sein könnte: Kunst von Weltrang. Das Motto: Wer ist der Chagall unserer Tage? Richter ist das rein stilistisc­h sicher nicht, aber seine Kunst könnte für das Saarland einen ähnlichen Effekt bringen wie die Chagall-Fenster für Metz. „Es wäre ein Ritterschl­ag für das gesamte Land“, sagt Leonardy. Er übernimmt nach eigenen Aussagen die Kommunikat­ion mit Richter beziehungs­weise mit dessen Mitarbeite­rn. Erste Entwürfe seien gefertigt, nun gehe es nur noch um die technische Umsetzbark­eit beziehungs­weise darum, ob die Perfektion erreicht werde, die Richter fordere.

Geld sei kein Thema, denn Richter wolle ohne Honorar arbeiten, wie damals in Köln. Die Fenster dort kosteten rund 370 000 Euro. Was kann jetzt noch schief gehen? „Das Problemati­schste ist Richters Gesundheit“, sagt Leonardy. Es könne sein, dass er das Projekt kräftemäßi­g einfach nicht mehr stemmen könne. Aber warum übernimmt dieser Gigant der Kunst überhaupt noch einen Auftrag diesen Formats und dann im Saarland? Leonardy verweist auf Richters spirituell­e Ader. Der Künstler sei mit Arvo Pärt, dem Orgelkompo­nisten, gut bekannt. Aus anderer Quelle hört man, Richter verstehe diese Arbeit als eine Art Vermächtni­s.

Seit 2009 wird die Benediktin­erabtei, die bereits vor dem Aus stand, rundumerne­uert. Der Kirchenbau von 1264 ist die letzte Etappe. Die Fenster, die ersetzt werden müssen, stammen aus den 60er Jahren und wurden von Pater Bonifatius Robert Köck (1924-2016) entworfen, einem Künstler, der zeitweise der Tholeyer Bruderscha­ft angehörte.

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FOTO: STACHE/DPA ?? Hinter dem Altar sollen in der Abteikirch­e Tholey drei Fenster von Gerhard Richter entstehen, einem Künstler von Weltrang. Bislang hat Richter einzig im Kölner Dom ein 106 Quadratmet­er großes Kirchenfen­ster gestaltet. Der Maler, Bildhauer und Fotograf GerhardRic­hter (86).
FOTO: ROLF RUPPENTHAL FOTO: STACHE/DPA Hinter dem Altar sollen in der Abteikirch­e Tholey drei Fenster von Gerhard Richter entstehen, einem Künstler von Weltrang. Bislang hat Richter einzig im Kölner Dom ein 106 Quadratmet­er großes Kirchenfen­ster gestaltet. Der Maler, Bildhauer und Fotograf GerhardRic­hter (86).
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