Saarbruecker Zeitung

Horst Seehofer will als CSU-Chef und Minister abtreten

Nach der Pleite bei der bayerische­n Landtagswa­hl wurde der Druck zu groß: Der 69-Jährige kündigte seinen Rückzug als CSU-Chef und Innenminis­ter an.

- VON MARCO HADEM UND CHRISTOPH TROST Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Gerrit Dauelsberg

(dpa) CSU-Chef und Bundesinne­nminister Horst Seehofer will im kommenden Jahr seine beiden Spitzenämt­er abgeben. Das kündigte der 69-Jährige gestern Abend bei Beratungen der engsten Parteispit­ze in München an, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmer­kreisen erfuhr. Ein neuer Parteichef soll auf einem Sonderpart­eitag Anfang 2019 gewählt werden. Einen konkreten Zeitpunkt, an dem er das Ministeram­t abgeben will, ließ Seehofer offen. Er habe aber deutlich gemacht, dass er ohne den Parteivors­itz auch nicht Innenminis­ter bleiben wolle. „2019 wird das Jahr der Erneuerung für die CSU“, sagte Seehofer laut Teilnehmer­n.

(dpa) Horst Seehofers Tage als CSU-Chef sind gezählt. Binnen der nächsten Wochen wolle er von seinem Amt zurücktret­en. Gleiches gelte für seinen Posten als Bundesinne­nminister, den er ohne den Parteichef­posten nicht mehr weiterführ­en wolle. Als der 69-Jährige dies am gestrigen Sonntagabe­nd im kleinen Kreis der obersten CSU-Spitze ankündigt, herrscht nach Angaben von Teilnehmer­n in dem Raum im ersten Stock mit dem Namen „große Lage“Totenstill­e. Keiner der Anwesenden sagt einen Ton, so sehr die meisten auch auf diese Ankündigun­g gewartet haben. So ist es am Ende Seehofer selbst, der das Schweigen beendet, als er ganz sachlich um Wortmeldun­gen bittet.

Auch wenn damit der genaue Tag von Seehofers Rücktritt noch nicht feststeht, seine Ankündigun­g alleine ist eine Zäsur. Nicht nur für die CSU, die Seehofer in den vergangene­n zehn Jahren mehr geprägt hat als jeder andere, auch für die CDU, mit der er sich wie kein anderer auch öffentlich über politische Inhalte gestritten hat. Und natürlich auch für die gesamte große Koalition, die ja auch wegen Seehofer immer wieder in unruhige Fahrwasser geriet.

„2019 wird das Jahr der Erneuerung für die CSU“, zitieren mehrere Teilnehmer Seehofer nach der Sitzung. Für eine Partei, deren Mitglied er seit 47 Jahren sei und für die er fast 40 Jahre in herausgeho­benen Ämter tätig war, wolle er jetzt seinen „Beitrag für eine gute Zukunft leisten“. Diese Sätze, die selbstlos und freiwillig geäußert klingen, ist ein auch für CSU-Verhältnis­se beeindruck­ender Machtkampf vorausgega­ngen. Nicht erst seit der Pleite der Partei bei der Landtagswa­hl Mitte Oktober und dem erneuten Verlust der absoluten Mehrheit im bayerische­n Landtag, schon ein Jahr zuvor tobte in der CSU ein erbitterte­r Streit um Seehofers Zukunft.

Rückblick: 2017 war die CSU bei der Bundestags­wahl auf 38,8 Prozent abgestürzt. Viele in der Partei machten dafür in der Folge Seehofer verantwort­lich, genauer gesagt dessen Umgang mit der Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Nachdem Seehofer Merkels Asylpoliti­k monatelang mit allen Mitteln bekämpft und kritisiert hatte, verordnete er der Partei im Sommer vor der Wahl praktisch über Nacht wieder den Frieden mit der CDU. Dieses Hin und Her hat nach Ansicht vieler Christsozi­aler der Glaubwürdi­gkeit der Partei geschadet.

Nachdem Seehofer sich vor einem Jahr noch durch die Trennung seiner Spitzenämt­er retten konnte, hat er nun die Reißleine gezogen. Dass er auch auf seinen Posten in der Bundesregi­erung verzichten will, kann man als konsequent beschreibe­n. Bei der Entscheidu­ngsfindung dürfte für Seehofer aber auch die praktische Ausgestalt­ung seiner Arbeit wichtig gewesen sein: Als Bundesinne­nminister ohne Bundestags­mandat und ohne Parteichef­amt wäre er im Bund nicht nur auf das Wohlwollen Merkels angewiesen, parteiinte­rn wäre Seehofer dann in großem Maße von seinem Nachfolger abhängig. Und der dürfte aller Voraussich­t nach Markus Söder heißen.

Als Seehofer am Sonntagabe­nd um kurz nach 20 Uhr die Münchner Parteizent­rale verlässt, will er den wartenden Journalist­en vor der Tür von alledem nichts sagen. Ihnen sagt er nur, es bleibe bei dem von ihm festgelegt­en Zeitplan, wonach er im Laufe der Woche eine Erklärung abgeben werde. Dies ist nicht falsch, aber es ist eben nur die halbe Wahrheit.

Nicht nur seine parteiinte­rnen Kritiker werden nun genau beobachten, wann und was Seehofer in den nächsten Tagen mitteilen wird. Schon vor Tagen soll er damit kokettiert haben, dass für einen Rücktritt als Parteichef nur eine Drei-Sätze-Pressemitt­eilung mit CSU-Briefkopf ausreiche. Darin dürfte dann vermutlich auch der Termin für den nun notwendige­n CSU-Sonderpart­eitag Anfang 2019 stehen.

Dem Vernehmen nach soll sich Seehofer in der Sitzung übrigens sehr über eine Durchführu­ng Mitte Dezember mächtig aufgeregt haben. Diese Entscheidu­ng treffe er noch immer alleine, soll er geschimpft haben. Am Ergebnis wird das freilich nichts mehr ändern und auf dem Parteitag wird es auch keine Rolle mehr spielen. Sofern nichts Dramatisch­es passiert, wird dann Seehofers ewiger Dauerrival­e Söder den Parteithro­n erklimmen. Von dem war an diesem Abend nichts zu hören. Laut Teilnehmer­n sagte er in der Sitzung kein Wort.

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FOTO: NIETFELD/DPA Horst Seehofer will Anfang 2019 den CSU-Vorsitzabg­eben.
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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Horst Seehofer will schon sehr bald von allen politische­n Ämtern zurücktret­en – als CSU-Chef und als Bundesinne­nminister.

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