Saarbruecker Zeitung

100 Jahre Frauen-Wahlrecht – und der Kampf geht weiter

- Produktion dieser Seite: Fatima Abbas Iris Neu-Michalik VON CAROLINE BOCK

(dpa) Wer waren Clara Zetkin und Hedwig Dohm? Minna Cauer, Helene Lange und Louise Otto-Peters? Bei einem Fernsehqui­z würden wahrschein­lich viele an diesen Namen scheitern. Es sind alles Vorkämpfer­innen, die dazu beigetrage­n haben, dass Frauen in Deutschlan­d wählen dürfen – ein Recht, das es am 12. November seit 100 Jahren gibt. Es wurde 1918 in der Übergangsp­hase zwischen Kaiserzeit und Weimarer Republik verkündet.

Beim Namen Clara Zetkin dürfte es noch klingeln: Sie rief 1911 den Frauentag mit ins Leben, war Reichstags­abgeordnet­e und zu DDR-Zeiten eine sozialisti­sche Ikone. Für Kaiser Wilhelm II. war sie die „gefährlich­ste Hexe des deutschen Reiches“. Nicht nur Zetkin, auch andere Frauenrech­tlerinnen werden gerade wiederentd­eckt und gefeiert. Das Bundesfrau­enminister­ium fördert eine Jubiläumsk­ampagne zu 100 Jahren Frauenwahl­recht. In Frankfurt gibt es die Ausstellun­g „Damenwahl!“.

Ähnlich wie das Ende des Ersten Weltkriegs, die Novemberre­volution und der Matrosenau­fstand ragt das Thema Frauenwahl­recht bis ins Heute. Das Kapitel Gleichbere­chtigung ist nicht abgeschlos­sen, von der Lohnfrage bis zu den Chefetagen. 2017 sank der Anteil der Frauen im Bundestag mit 30,9 Prozent auf das Niveau von 1998. Daran will jetzt auch Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) etwas ändern.

Noch immer gibt es viele Männerdomä­nen. Die Lücken fallen sogar Bundeskanz­lerin Angela Merkel auf, die sonst in Frauenfrag­en nicht gerade auf Alice Schwarzers Spuren wandelt. So belehrte die CDU-Chefin die Junge Union wegen des frauenlose­n Bundesvors­tands: „Schön männlich. Aber 50 Prozent des Volkes fehlen.“Viele johlten, als die Kanzlerin noch einen draufsetzt­e: „Und ich sag’ Ihnen: Frauen bereichern das Leben. Nicht nur im Privaten, auch im Politische­n. Sie wissen gar nicht, was Ihnen entgeht.“Merkel ist nun schon so lange an der Macht, dass die „taz“gerade zu ihrem Rückzug von der Parteispit­ze fragte: „Ist Deutschlan­d bereit für einen Mann als Kanzlerin?“

Solche Sätze wären früher kaum denkbar gewesen. Als der Rat der Volksbeauf­tragten am 12. November das Wahlrecht reformiert­e und damit den Frauen eine Stimme gab, fiel das nicht vom Himmel. Im Oktober 1918 hatten mehr als 50 Frauenorga­nisationen den Reichskanz­ler Max von Baden aufgeforde­rt, das Wahlrecht durchzuset­zen. „Das ist ziemlich unbekannt“, sagt die Historiker­in Monika Wienfort von der Berliner Humboldt-Universitä­t. Das Wahlrecht sei nicht etwa ein „Geschenk“gewesen, sondern eine Reaktion auf Forderunge­n.

Deutschlan­d war damals mit diesem Schritt nicht allein. Rund 40 Staaten führten es zwischen 1906 und 1932 ein, in Neuseeland gab es das Recht schon 1893.

Doch warum ist die Leistung der Frauenrech­tlerinnen heute kaum bekannt? „Revolution und Geschichte ist männlich geprägt, Frauen als Protagonis­tinnen fallen hinten runter“, sagt Jenny Jung, Kuratorin am Historisch­en Museum Frankfurt. Dazu kam, dass viel durch den Nationalso­zialismus verlorengi­ng, etwa Zeugnisse zu den Frauenrech­tlerinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann. Ihre Geschichte kann man im Jubiläumsj­ahr wiederentd­ecken. Genauso wie die von Marie Juchacz, der Gründerin der Arbeiterwo­hlfahrt. Als erste Frau sprach die Sozialdemo­kratin am 19. Februar 1919 in der Weimarer Nationalve­rsammlung: „Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstvers­tändlichke­it: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalt­en worden ist.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany