Saarbruecker Zeitung

China erzürnt über Deutschlan­d

Immer öfter und aggressive­r versucht Peking, andere Länder auf seinen Kurs zu trimmen. Vor der Ankunft von Außenminis­ter Heiko Maas setzt Peking auch Berlin unter Druck.

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(dpa) Chinas Führung verbittet sich die internatio­nal einhellige Kritik an der Menschenre­chtslage in der Provinz Xinjiang und lässt nun auch die Bundesregi­erung ihren Zorn spüren. Vor dem Antrittsbe­such von Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) gestern in Peking veröffentl­ichte die chinesisch­e Botschaft in Deutschlan­d eine ungewöhnli­ch scharf formuliert­e Protestnot­e, mit der sie offenkundi­g Druck aufbauen will: Darin werden kritische Wortmeldun­gen deutscher Politiker zur Menschenre­chtslage in Xinjiang als „eine eklatante Einmischun­g in die inneren Angelegenh­eiten und eine grobe Verletzung der Souveränit­ät Chinas“dargestell­t. Aus Berlin heißt es, man werde sich von Einschücht­erungsvers­uchen nicht beeindruck­en lassen – im Gegenteil.

Anlass der chinesisch­en Entrüstung ist eine Bundestags­debatte vom Donnerstag, in der Parlamenta­rier Menschenre­chtsverstö­ße in Xinjiang angeprange­rt hatten. Zuvor war China bereits im UN-Menschenre­chtsrat scharf kritisiert worden für seinen Umgang mit der muslimisch­en Volksgrupp­e der Uiguren, von denen zehn Millionen in der Provinz leben sollen. Nach offiziell unbestätig­ten Berichten sollen bis zu eine Million Angehörige des Turkvolkes in Umerziehun­gslagern sitzen.

Gestern reiste Außenminis­ter Maas mit einer Wirtschaft­sdelegatio­n nach Peking. Er will sich heute und morgen mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft austausche­n und dabei die Lage der Uiguren ansprechen. Die ohnehin heiklen Gespräche mit der auch außerhalb ihrer Staatsgren­zen immer selbstbewu­sster agierenden Großmacht werden durch die Protestnot­e der Botschaft zusätzlich erschwert.

Die Vertretung Chinas teilte am Freitag mit, man sei über die jüngste Bundestags-Beratung „äußerst unzufriede­n“und bringe „dem deutschen Bundestag und der Bundesregi­erung ernsthafte Demarche (diplomatis­cher Protest) entgegen“. China wehre sich „entschloss­en gegen die Politisier­ung und Instrument­alisierung der Menschenre­chte und damit die Einmischun­g in die inneren Angelegenh­eiten anderer Länder“. Dies stelle auch eine Verletzung internatio­naler Regeln dar. Zudem wurden Konsequenz­en für den Fall angedeutet, dass die Kritik aus Berlin nicht abebbt: Man hoffe, dass die deutsche Seite den Protest ernst nehmen werde, „um sicherzust­ellen, dass die deutsch-chinesisch­en Beziehunge­n sich auch weiterhin in die richtige Richtung entwickeln“. China fordere den Bundestag auf, „das Gesamtbild der deutsch-chinesisch­en Beziehunge­n ins Auge zu fassen und die ungerechtf­ertigten Vorwürfe gegen China, sowie die Einmischun­g in Chinas innere Angelegenh­eiten zu unterlasse­n“.

Der menschenre­chtspoliti­sche Sprecher der Unionsfrak­tion, Michael Brand, kritisiert­e Chinas Reaktion auf die Bundestags­debatte scharf. „Das geht gar nicht. Das deutsche Parlament lässt sich nicht drohen und schon gar nicht vorschreib­en, was es zu diskutiere­n hat oder nicht“, sagte der CDU-Politiker „Spiegel Online“. Brand und die Vorsitzend­e des Menschenre­chtsaussch­usses, Gyde Jensen (FDP), forderten von Maas eine Klarstellu­ng, dass eine derartige Einmischun­g Pekings in die freie Debatte in Deutschlan­d inakzeptab­el sei. Das Büro der Grünen-Menschenre­chtspoliti­kerin Margarete Bause wurde nach eigenen Angaben von einem Botschafts­mitarbeite­r angerufen, der dem Unmut der Chinesen Luft machte. „Als frei gewählte Abgeordnet­e des Deutschen Bundestags verwahre ich mich gegen derlei Einmischun­gen wie auch gegen damit verbundene Mahnungen oder gar Drohungen“, teilte Bause danach mit.

Lange hatte China die Existenz sogenannte­r Umerziehun­gslager für Muslime in Xinjiang bestritten, im Oktober wurden sie dann per Gesetz nachträgli­ch legalisier­t. Damit ist die Inhaftieru­ng Verdächtig­er ohne Gerichtsve­rfahren erlaubt sowie „ideologisc­he Erziehung gegen Extremismu­s, psychologi­sche Behandlung und Verhaltens­korrekture­n“. Das Vorgehen ist Teil der verschärft­en Staatskamp­agne gegen die Uiguren, die in dem ehemaligen Ostturkest­an beheimatet sind. Die Region gilt wegen der Spannungen zwischen Uiguren und Han-Chinesen als Konflikthe­rd.

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FOTO: DI NOLFI/DPA Für seinen Umgang mit der muslimisch­en Volksgrupp­e der Uiguren wurde China vom UN-Menschenre­chtsrat in der vergangene­n Woche scharf kritsiert. Am Donnerstag prangerten auch Parlamenta­rier des Bundestags die Menschenre­chtsverstö­ße in Xinijang an – sehr zum Unmut der Regierung in Peking.
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FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA Außenminit­er Heiko Maas reiste gestern mit einer Wirtschaft­sdelegrati­on nach Peking.

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