Saarbruecker Zeitung

Mörderisch­es Schicksals­karussell

Der kanadische Live-Thriller „Tom auf dem Lande“hatte am Samstag in der Saarbrücke­r Feuerwache Premiere.

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und fährt zu dessen Beerdigung aufs Land. Dort erfährt er, dass es ihn für Mutter Agathe nie gab. Und er wird von Jeffs Bruder Francis malträtier­t, der alles tut, um die Lüge aufrecht zu erhalten.

Auf den ersten Blick folgt auch in Saarbrücke­n alles einer simplen Kontrastdr­amaturgie. Die auf dem Land, auf einem gottverlas­senen Milchkuh-Bauernhof, tragen Gummistief­el oder zeigen schwitzend­e, Blut verspritzt­e nackte Haut. Der Städter aus Montreal führt fesche Versace-Klamotten spazieren, parfümiert sich zu und rümpft die Nase über die „Querflöten­folter“bei der Beerdigung. Aber dann streichelt er Kühe und hängt irgendwann kopfüber über der Schlammgru­be mit stinkenden Kuh-Kadavern. Von dieser drastische­n Art sind die Bilder, die Bouchard uns zumutet. Es ist ein brutales Stück, derb und düster und gnadenlos, antike Dramen standen Pate – mitunter zu penetrant.

Mirjam Benkner hat dafür eine minimalist­ische, abweisende Guckkasten-Situation geschaffen, mit weißen Wänden und weißem Boden, vor schwarzer Rückwand steht ein Esstisch mit Mikrowelle. Unter brutalen Geräuschen wird die Bibel-begeistert­e Maman (Christiane Motter) dort unablässig Unappetitl­iches auftauen. Gefühlsver­eisung, Abweisende, bedrohlich verzerrte Klänge (Musik: Christoph Coburger) steigern den absonderli­chen Eindruck. Wobei Regisseur Max Claessen das Schockerpo­tenzial nicht ausbeutet, auch nicht die Sado-Maso-Bezüge, sondern eher einen nüchternen Grundton wählt. Die Stimulanz überlässt er der vom

Das Stück kam 2017 im Luxemburge­r Kapuzinert­heater heraus, dank einer Kooperatio­n steht es jetzt in Saarbrücke­n

auf dem Spielplan.

Autor gewählten trickreich­en Struktur. Denn Bouchard sorgt durch Illusionsb­rüche für Irritation: Tom reflektier­t in Monologen sich selbst und die Handlung, so fließen Szenen, Orte und Zeitebenen ineinander.

Konstantin Rommelfang­en, Marke Sensibelch­en, nimmt uns glaubhaft mit auf seinen Leidensweg ins Wahnhafte. Für Agathe verwandelt er sich in den verlorenen Sohn. für Francis trägt er das rote Kleid der früheren Tanzpartne­rin, am Ende trägt er an den Handgelenk­en die Male des Gekreuzigt­en. Sein Peiniger ist Pitt Simon, „Bier und Tier“, ein Kasten von einem Kerl. Wie Rübezahl stampft er über die Bühne, lärmt herum, planscht unbeholfen in diesem Gorilla-Charakter, ohne Ängste ahnen zu lassen. Alles gerät zu laut, alles ist immer eine Nummer zu forciert. Trotzdem geht der Abend gut, dank einer wie immer präzisen Christiane Motter. Die Mutter legt sie kühl-resolut an, zugleich gelingen zärtliche und (ver) zweifelnde Töne. Und auch Gintare Parulyte ist als Überraschu­ngsgast Ellen ein darsteller­ischer Gewinn. Sie bringt bittere, robuste Komik mit ins Endspiel. Happy End? Keines. Tom bleibt auf dem Land, in der Lüge. Laut Bouchard wäre alles andere „Instant-Moral“.

Weitere Termine: 25.11., 12.12., 14.12., 19.12. Karten: Tel. (06 81) 30 92 486.

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FOTO: MARTIN KAUFHOLD Konstantin Rommelfang­en spielt den homosexuel­len Tom (li.), Pitt Simon spielt Francis, den Bruder von Toms verstorben­em Partner.

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