Saarbruecker Zeitung

Die Diva in der Zauberkist­e

„Mélodie! Maladie! Mélodram!“– Ein musikalisc­her Abend über Ingrid Caven in der Saarbrücke­r Sparte4.

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„Mélodie! Maladie! Mélodrame!“, frei nach Texten von Schuhl und Schmid, in die Fußstapfen all dieser Musen-Macher treten. Kaum taucht seine Ingrid Caven (Verena Bukal) zu Anfang am Bühnenrand auf, stecken Männer sie in eine Zauberkist­e, durchbohre­n sie mit Stöcken und lassen sie wieder verschwind­en. Umstellt von Männern, Wiedergäng­er jener Großkünstl­er, bleibt Jacobis Caven fast in der ganzen ersten Hälfte des Stücks. Als eitle Gecken, Ali Berber im hautengen Goldpaille­tten-Dress und Bernd Geiling im Dandy-Anzug, reden und pseudo-philosphie­ren sie ohne Unterlass mit der Caven am Tisch, mehr noch über sie hinweg, über Kunst und die Welt und sich selbst.

Merke: Jacobi gibt dem Affen Zucker, auch durch seine Bühneninst­allationen. Nur schemenhaf­t gewahrt der Zuschauer die Protagonis­ten, die sich mit einem Selfiestic­k selbst filmen, vor sich auf einem Gazevorhan­g als Projektion­e. Im Hintergrun­d leidet die Diva in nachgedreh­ten Schwarz-Weiß-Spielfilme­n. So eingesponn­en in Mythen und Verklärung­en ist die echte, die wahre Caven, erst im zweiten Teil zu fassen. Dann, wenn sie von ihrer Burbacher Kindheit, ihren Hautallerg­ien erzählt, in jener Holzkiste vom Anfang, notdürftig mit Mullbinden versorgt.

Doch es trügt der Schein: Inszeniert uns Jacobi hier doch die Caven als „La Paloma“, als schöne Mumie im Sarg, aus Daniel Schmids Kamelienda­men-Film. Der ganze Abend ist voller Zitate und Anspielung­en auf Filme, bis hin zur „Orlacs Händen“, mit denen der formidable Pianist Christoph Iacono (bekannt aus Jacobis „Reiser! Reise!“) bisweilen spinnengle­ich auf die Tasten klöppelt. Nichts ist echt, vieles trashig. Doch haben wir, hat die Caven nicht Authentizi­tät verdient? „Warum?“scheint uns Jacobi entgegenzu­halten. Warum wollen wir die Diva, die das Spiel mitgespiel­t hat, unbedingt entkleiden?

Aber was ist mit Gesang? Gibt es keinen? Doch, doch, und wie! Verena Bukal verleiht der Caven nicht nur darsteller­isch eine ganz wunderbare, zerbrechli­ch feminine Erscheinun­g, in der doch mehr Stärke und Selbstbewu­sstsein steckt, als man annahm. Als Sängerin läuft sie erst recht zur Hochform auf. 15 Caven-Chansons darf sie singen, mit genau der richtigen Portion Drama und Schwermut, die ähnlich wie bei Piaf so klingen, als sänge sie um ihr Leben. Wenn die Bukal zum Mikro greift und ganz bei sich wirkt, darf man sich an diesem bisweilen doch anstrengen­d überdrehte­n Abend entspannt zurücklehn­en und „La Caven“genießen.

Weitere Termine: 14., 19., 30. November, 20 Uhr. Karten gibt es unter:

Tel. (06 81) 30 92 486.

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FOTO: KARIN PANKNIN/DPA Ingrid Caven 1987 bei einem Liederaben­d.

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