Saarbruecker Zeitung

„Ich würde mir heute noch einiges zutrauen“

Von der Kunst des Strippenzi­ehens: Heute wird der langjährig­e Saar-FDP-Chef und Ex-Wirtschaft­sminister Werner Klumpp 90 Jahre alt.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Eine gewisse Altersmild­e ist Werner Klumpp nicht abzusprech­en, wenn er entspannt am Esszimmer-Tisch seines Hauses sitzt und die Herbstsonn­e genießt. Klumpp, Wirtschaft­sminister, Sparkassen­präsident und FDP-Politiker, wird heute 90 Jahre alt. Doch der Grandseign­eur unter den politische­n Strippenzi­ehern hat es immer noch drauf. Beim Durchsetze­n politische­r Ziele „würde ich mir noch heute einiges zutrauen“, meint er selbstbewu­sst.

„Mir ging es immer nur um Arbeitsplä­tze“, resümiert Klumpp. „Als Politiker musst du mit allen reden können und für den einen oder anderen auch etwas tun, ohne sofort etwas haben zu wollen“, sagt er. So konnte er immer gut mit Oskar Lafontaine. Auch wenn dieser als Chef der Saar-SPD und Saarbrücke­r Oberbürger­meister wortgewalt­ig gegen die schwarz-gelbe Landesregi­erung zu Felde zog, in die Klumpp seine FDP 1977 gegen den Willen der eigenen Partei-Granden gehievt hatte; im Bund regierten die Liberalen damals mit der SPD.

1977 war ein Horror-Jahr. „Im kleinsten bundesdeut­schen Flächensta­at zeichnet sich das schlimmste Wirtschaft­stief seit Kriegsende ab“, schrieb der „Spiegel“im April. Klumpp war vier Wochen Wirtschaft­sminister. Der Bergbau steckte in der Krise, die Kohle türmte sich Halde an Halde. Einen Tag nach seinem Amtsantrit­t hatte das Neunkirche­r Eisenwerk Massenentl­assungen angekündig­t. „Ich musste den wütenden Arbeitern in die Augen schauen“, erinnert er sich.

Als Klumpp 1982 als Wirtschaft­sminister aufhörte, hatte er die Voraussetz­ung dafür geschaffen, dass es mit Kohle und Stahl nicht immer nur bergab ging. Unter anderem hatte er den Bau eines hochmodern­en Stahlwerks in Völklingen vorangetri­eben, das heute noch das Herzstück von Saarstahl ist. Auch der Baubeginn des Kraftwerks Bexbach (1979) als zuverlässi­ger Abnehmer für Saar-Kohle fiel in Klumpps Ägide. 1982 wurde Klumpp Präsident des Sparkassen­und Giroverban­ds Saar, der heute nur noch Sparkassen­verband heißt. Er blieb es bis 1997 – vier Jahre länger als geplant. Theoretisc­h kann man diesen Job gemütlich angehen lassen, doch das war nicht sein Ding. Baustellen gab es auch genug. So war damals schon den Kundigen klar, dass die Landesbank Saar (Saar-LB) auf Dauer alleine nicht überlebens­fähig war. Klumpp hatte die Idee, aus der SaarLB und den anderen Sparkassen „ein einziges Landesinst­itut zu formen“. In der öffentlich-rechtliche­n Bankenwelt wäre es die zweitgrößt­e Sparkasse zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirc­hen geworden. „Mit so jemandem redet man.“Doch der Plan war zu kühn. Zu viele Vorstände bangten um ihre Posten.

Doch als kluger Polit-Profi zog Klumpp einen Plan B aus der Schublade. Er wollte die Saar-LB mit einer größeren Landesbank verbandeln – „aber auf Augenhöhe“. SPD-Kreise im Land favorisier­ten die Düsseldorf­er West-LB; Klumpp hatte andere Pläne. Er wollte die Bayern-LB mit ins Boot holen. Im Saarbrücke­r Restaurant „Roma“zog er bei Filet zartrosa und viel Rotwein die Skeptiker auf seine Seite. 1993 war es soweit. Die Bayern-LB stieg mit 25,1 Prozent bei der Landesbank ein. Zuvor hatte er dem Land schon die Saarland-Versicheru­ngen abgeluchst und mit der Versicheru­ngskammer für sie ebenfalls einen bayerische­n Partner gefunden. Im Gegenzug beteiligte er das Saarland 1989 mit 23,5 Prozent an der Saar-LB, die bis dahin eine 100-prozentige Tochter des Verbands war. Auch die Gründung des Kreditkart­en-Dienstleis­ters Pluscard, die er gegen den Widerstand vieler deutscher Sparkassen durchsetzt­e, ist Klumpps Verdienst.

Bei der Auswahl seiner engsten Mitarbeite­r ließ Klumpp, der viele Jahre auch dem Aufsichtsr­at der Verlagsgru­ppe Saarbrücke­r Zeitung angehörte, sich nie reinreden, sondern vertraute allein seiner Menschenke­nntnis: „Für den Erfolg ist es wichtig, gute Leute zu finden.“Viele dieser „guten Leute“erwartet er heute zum Geburtstag. Am Esszimmer-Tisch wird es dann richtig eng werden.

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FOTO: E. ISENHUTH Pfeifenrau­cher bleiben einfach gelassener: FDP-Wirtschaft­sminister Werner Klumpp (v.l.), Ministerpr­äsident Franz Josef Röder (CDU) und Kultusmini­ster Werner Scherer (CDU) in den späten 1970ern.
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FOTO: KLUMPP Werner Klumpp kurz vor seinem 90. Geburtstag.

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