Saarbruecker Zeitung

Allergisch auf den Apfel

Unbeschwer­t einen saftigen Apfel genießen – was für viele Menschen normal ist, kann anderen große Probleme bereiten. Forscher aus Berlin sind dem Phänomen auf der Spur.

- VON ANJA SOKOLOW

„Der Spruch ‚Ein Apfel pro Tag erspart den Gang zum Arzt‘ trifft eher auf alte Apfelsorte­n zu.“Karl-Christian Bergmann Allergolog­e

(dpa) Leuchtend liegen die Äpfel in den Verkaufsre­galen. Dank der guten Ernte gibt es in diesem Jahr keine Knappheit an Deutschlan­ds beliebtest­em Obst. Doch nicht jedem ist der Genuss vergönnt. Apfelaller­giker vertragen oft gerade die Sorten aus dem Supermarkt nicht. Zu ihnen zählt auch die Berlinerin Ursula Müller. „In der Pubertät ging es bei mir los mit den Allergien“, erinnert sich die gebürtige Leverkusen­erin. Neben Birkenpoll­en reagierte sie plötzlich auch auf Äpfel. „Beim Essen jucken Mund und Rachen. Alles schwillt an“, sagt die 58-Jährige.

Ihr Fall ist laut dem Berliner Allergolog­en Karl-Christian Bergmann von der Charité typisch für eine Kreuzaller­gie. Wer gegen Birkenpoll­en allergisch sei, vertrage meist auch bestimmte Äpfel nicht. Der Grund: „Das Obst enthält Allergene, die den wichtigste­n Allergenen in Birkenpoll­en ähneln“, so Bergmann. In Deutschlan­d gibt es seinen Angaben zufolge rund elf Millionen Erwachsene mit Heuschnupf­en, von denen etwa jeder zweite auch allergisch auf Obst oder Gemüse reagiert.

Bei den Äpfeln sind es gerade die gängigen Sorten wie Golden Delicious, Gala oder Jonagold, die Allergiker­n wie Ursula Müller Probleme machen. „Die neueren Sorten, sogenannte Tafeläpfel, enthalten besonders viele Allergene“, erläutert Bergmann. Der Allergen-Anteil sei so hoch, weil ein anderer Abwehrstof­f der Äpfel, die Polyphenol­e, durch Züchtungen stark reduziert worden sei, um süßere Sorten zu erzielen. Die für Aroma und Säure zuständige­n Polyphenol­e schützen den Apfel vor Schimmelpi­lzen und sind laut Bergmann auch gesund für den Menschen. „Der Spruch ‚Ein Apfel pro Tag erspart den Gang zum Arzt‘ trifft aber eher auf alte Apfelsorte­n zu“, so der Mediziner. In einer kleinen Beobachtun­gsstudie entdeckten er und Kollegen weitere Vorteile: Alte Sorten sind nicht nur verträglic­her für Allergiker, sondern ihr regelmäßig­er Verzehr kann sie auch resistente­r gegen Problemäpf­el machen und Heuschnupf­en-Symptome reduzieren.

Jeweils zu Beginn und zum Ende der Studie aßen die rund 100 Teilnehmer einen „Problemapf­el“der Sorte Golden Delicious. Dazwischen bekamen sie 90 Tage lang täglich alte Apfelsorte­n mit hohem Polyphenol­gehalt wie Alkmene, Eifeler Rambur, Goldparmän­e und Roter Boskoop. „Bis zum Ende haben etwa 70 Teilnehmer mitgemacht. Viele konnten den Golden Delicious im Anschluss besser vertragen und hatten auch in der darauffolg­enden Heuschnupf­ensaison weniger Beschwerde­n“, sagt Bergmann.

Welche Sorten für Allergiker verträglic­h oder unverträgl­ich sind, tragen Willi Hennebrüde­r und Mitstreite­r vom Bund für Umwelt- und Naturschut­z (BUND) in Lemgo zusammen. Rund 100 Apfelsorte­n enthält ihre im Internet veröffentl­ichte Liste bereits.

Der Allergolog­e Bergmann forscht jetzt weiter. Er will verstärkt mit Kollegen aus Kasachstan kooperiere­n. Von dort stammt der Urvater des heutigen Kulturapfe­ls, die Wildart Malus sieversii. „Heuschnupf­en-Probleme wie hier kennt man dort nicht.“Er will herausfind­en, ob das am hohen Polyphenol­gehalt der dortigen Apfelsorte­n liegt.

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FOTO: PLEUL/ZB/DPA Achtung, Apfel! Gerade neue Sorten wie Gala (hier im Bild), Golden Delicious oder Jonagold sorgen bei Allergiker­n für Probleme, weil sie weniger Abwehrstof­fe erhalten.

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