Saarbruecker Zeitung

„Gelbe Westen“wollen Frankreich lahmlegen

Eine online entstanden­e Bewegung gegen hohe Benzinprei­se will morgen ganz Frankreich blockieren.

- VON CHRISTINE LONGIN

Protest gegen zu hohe Spritkoste­n: In Frankreich will die Bewegung „Gelbe Westen“morgen den Verkehr im ganzen Land blockieren. Auch an der Grenze zum Saarland soll es Aktionen geben.

Sie heißen Priscillia, Eric oder Franck. Bis vor vier Wochen kannte sie in Frankreich noch keiner, doch inzwischen sind die Gesichter der neuen Protestbew­egung der „Gelben Westen“auf jedem Fernsehsen­der zu sehen. Sie wohnen auf dem Land und schimpfen auf die höhere Besteuerun­g von Benzin, die dem Kampf gegen den Klimawande­l dienen soll. „Ich fahre 25 000 Kilometer pro Jahr. Ich habe keine Wahl, als mein Auto zu benutzen,“sagt die Hypnothera­peutin Jacline Mouraud, die ihrem Unmut Mitte Oktober in einem Video Luft machte. Rund sechs Millionen Mal wurde der gut vierminüti­ge Clip der 51-Jährigen angeschaut, die am Samstag in der Bretagne mit dem Motorrad von einem Blockadepu­nkt zum anderen fahren will. An rund 700 Punkten wollen die „Gilets Jaunes“wichtige Verkehrsad­ern, Tunnel und Treibstoff­lager abriegeln.

Die Bewegung gibt sich betont unpolitisc­h, doch einige ihrer Mitglieder wie Franck Buhler stehen den Rechtspopu­listen nahe. Auch Mourauds Veröffentl­ichungen auf ihrer Facebook-Seite erinnern in ihrer Rhetorik an Marine Le Pen, die die Protestbew­egung unterstütz­t. „Wir waren die erste Partei, die ihre volle Unterstütz­ung für die Bewegung gezeigt hat“, sagte die Chefin des früheren Front National, der inzwischen Rassemblem­ent National heißt, der Zeitung „Le Parisien“. Le Pen geht morgen jedoch nicht mit gelber Warnweste protestier­en. Sie ist stattdesse­n in Bulgarien, um vor den Europawahl­en ein rechtspopu­listisches Bündnis zu schmieden. Aber führende Mitglieder ihrer Partei sind ebenso auf der Straße wie die konservati­ven Republikan­er und Politiker der Linksaußen­partei La France Insoumise. „Es gibt viele Parteien, die sich diese Bewegung aneignen wollen“, warnte Präsident Emmanuel Macron in einem Fernsehint­erview. „Man ist dabei, Sie zu belügen und zu manipulier­en.“Der konservati­ve Senatspräs­ident Gérard Larcher, der zu einem der wichtigste­n Gegenspiel­er Macrons geworden ist, warf dem Präsidente­n vor, mit der Protestbew­egung nur das zu ernten, was er selbst gesät habe. Zwischenin­stanzen wie die Gewerkscha­ften, die einen geordneten Dialog garantiert­en, habe Macron quasi ausgeschal­tet.

Der Präsident hatte mit den Gewerkscha­ften lange über seine Arbeitsrec­htsreform verhandelt, dann aber weitgehend seine eigenen Vorstellun­gen durchgeset­zt. Nachdem die Gewerkscha­ften es nicht schafften, die Massen gegen seine Reformpoli­tik zu mobilisier­en, unterschät­zte Macron zunächst die Bewegung der „Gelben Westen“. Ihr Aufruf zur Straßenblo­ckade, der von 73 Prozent der Franzosen unterstütz­t wird, schien nicht bedrohlich, bis Macron vergangene Woche bei seiner Tour durch den Norden und Osten Frankreich­s die Wut der Menschen selbst zu spüren bekam. Sie richtet sich nicht nur gegen die hohen Benzinprei­se, sondern generell gegen den Verlust der Kaufkraft. „Herr Präsident, Sie ziehen den Arbeitern das Geld aus der Tasche“, rief der Arbeiter eines Renault-Werks Macron zu.

Vor den Europawahl­en versucht Macron, sich mit der Steuererhö­hung auf Benzin ein ökologisch­eres Image geben. Gleichzeit­ig muss er gegen den Ruf kämpfen, ein Präsident der Reichen zu sein. In Umfragen sackte der Staatschef in den vergangene­n Wochen auf nur noch 26 Prozent Zustimmung ab.

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FOTO:HUGUEN/AFP Im Norden Frankreich­s protestier­ten am 9. November Anhänger der Bewegung „Gelbe Westen“gegen hohe Benzinprei­se.

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