Saarbruecker Zeitung

Bizarre Objekte auf die Glatze gepfropft

Beim „knallbunte­n Abend“des Regionalve­rbands ernteten die Kabarettis­ten regelrecht­e Lachsalven

-

(kek) „Brü(h)llerchen“? Wie bitte soll man das nun lesen? Als „Brühl-Lerchen“? Weil alle Gründungsm­itglieder der von Entertaine­r Christof Scheid gegründete­n Gesangs-Kabarett-Truppe in Hasborn am Brühlbach wohnen? Oder doch eher als ein echtes „Brüllerche­n“– ein wirklich sehr gutes Amateurens­emble, das mit sauberem Satzgesang, treffsiche­ren Texten, gelungenen Parodien und gerolltem „r“tosenden Applaus und Zugabeford­erungen provoziert? Wie schon im Frühjahr eröffnete die Hasborner Truppe den „knallbunte­n Abend“des Regionalve­rbands, wobei die „Comedy im Herbst“nun statt mit den üblichen vier nur in Kooperatio­n mit drei Gemeinden stattfand: Völklingen pausierte, und so lief die sonst viertägige Reihe diesmal lediglich über drei Tage. Auftakt war am Dienstag in Heusweiler, danach ging‘s weiter nach Sulzbach und Kleinblitt­ersdorf. Am Mittwoch präsentier­ten die „Brü(h)llerchen“in der Sulzbacher Aula erneut ihr Programm „Goldene Zeiten“, hatten ihre mehrstimmi­ge Politiker-, Klerus- und High-Society-Schelte zu Gitarre und Keyboard aber um aktuelle Entwicklun­gen ergänzt: Die Machtgier von Jens Spahn und Friedrich Merz war ebenso drin wie die Frage, ob‘s die SPD überhaupt noch gibt. Bei pointierte­n Neuvertext­ungen bekannter Lieder von „Es ist ein Ros entsprunge­n“über angloameri­kanischen Pop und Schlager von Katja Ebstein bis Helene Fischer watschten die „Brü(h)llerchen“unter anderem Steuersünd­er, bürokratis­che Laienspiel­e, das Phänomen Pubertät oder den Pflegenots­tand satirisch ab. Erneut punktete das Ensemble außerdem mit wechselnde­r Moderation und theatralis­cher Aufbereitu­ng und nicht zuletzt mit seinen beiden stimmstark­en Leadsänger­innen. Auch der anschließe­nde Top-Act Klaus Renzel warf Fragen auf: Was macht der Mann eigentlich? Klassische Pantomime? Musikcomed­y? Skurrile Clownerie? Oder hat er seine drei großen Leidenscha­ften schlicht zu einer einzigarti­gen One-Man-Show gebündelt, für die kein Gitarren- oder Ukulelenso­lo zu virtuos, keine aufgetisch­te Geschichte (teils in der Theater-Phantasies­prache Gromolo) zu bekloppt und keine Albernheit zu skurril ist? Renzel ist rasant, selbst wenn er pantomimis­ch in Zeitlupe quasi über die Bühne schwebt, derweil seine Gesichtszü­ge ein entgleiste­s Eigenleben führen. Auch seine Gitarre neigt zur Selbständi­gkeit: Was als klassische­s Stück beginnt, endet als wilde Saitenrase­rei durch sämtliche Genres und Tempi der Musikgesch­ichte. Renzel kann außerdem perfekt rückwärts singen und ruft allein schon dadurch Lachkrämpf­e hervor, dass er sich ständig mit Saugnäpfen bizarre Objekte auf die Glatze pfropft – mitunter taugt der schräge Kopfputz sogar als Percussion, auch wenn Renzel dafür wie von Parkinson geschüttel­t mit dem Haupt zittern muss. Obendrein hat der fidele Kölner den direkten Draht zum Publikum gepachtet und ging hier sofort schlagfert­ig auf Tuchfühlun­g. Nicht nur, dass er mit Einzelnen hemmungslo­s schäkerte und über gestische Codes Reaktionen abrief, die er zuvor mit den Zuschauern verabredet hatte: Renzel pflückte sich zwei Kandidaten zum Mitspielen auf die Bühne und merkte dabei, dass Saarländer sehr wohl Spaß verstehen.

 ?? FOTO: KERSTIN KRÄMER ?? Klaus Renzel bei seiner urkomische­n Ein-Mann-Show.
FOTO: KERSTIN KRÄMER Klaus Renzel bei seiner urkomische­n Ein-Mann-Show.

Newspapers in German

Newspapers from Germany