Saarbruecker Zeitung

I bims, die Ehrenfrau

Das Jugendwort des Jahres überrascht, denn es ist ein Überrest aus der Sprache von Ur-Oma und Ur-Opa – wenn auch mit einer wichtigen Ergänzung.

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(dpa) Wer in einer Bar einen ausgibt oder andere Leute im Auto mitnimmt, der ist bei Jugendlich­en ein „Ehrenmann“oder eine „Ehrenfrau“. Der Begriff ist zum Jugendwort des Jahres gewählt worden. „Jemand, der etwas Besonderes für einen anderen tut“, erklärt eine Mitarbeite­rin des Langensche­idt-Verlags gestern bei der Bekanntgab­e des Wortes in München.

Anders als in den Jahren zuvor ist das Jugendwort dieses Jahr weder besonders erklärungs­bedürftig noch total unbekannt. Er höre das Wort ständig, durch alle Bevölkerun­gsund Gesellscha­ftsschicht­en hinweg, berichtet Jurymitgli­ed Jeremy Jahn, Polizeikom­missar in Berlin-Kreuzberg. „Wir haben es auf jeden Fall schon mal gehört“, sagt auch der Berliner Schüler Lucas Valle Thiele. Kein Hauptstadt-Phänomen, bestätigt der Nürnberger Matthias Weingärtne­r, Generalsek­retär der Bundesschü­lerkonfere­nz: Es sei nichts Ungewöhnli­ches, „Ehrenmann“oder „Ehrenfrau“auf Deutschlan­ds Pausenhöfe­n zu hören.

Die Jugendspra­che habe das Wort entstaubt, sagt Literaturw­issenschaf­tler und Jury-Mitglied Oliver Bach. In den vergangene­n 100 Jahren sei es so gut wie nicht benutzt worden. Davor hätten es zudem nur höhere Gesellscha­ftsschicht­en verwendet, und auch nur auf den Mann beschränkt. Meist ging es um finanziell­es Ansehen und Tugendhaft­igkeit im militärisc­hen Bereich. Heute sei das anders: Zum einen werde es in jeder Bevölkerun­gsschicht verwendet, zum anderen auch auf die Frau ausgeweite­t.

Die Auswahl zeige die gesellscha­ftliche Entwicklun­g, erklärt Jurorin und Rhetoriktr­ainerin Carolin Sabath. Dass ein Wort für beide Geschlecht­er gewählt wurde, sei ein schöner erster Schritt, selbst wenn das dritte Geschlecht noch fehle. Sie und Literaturw­issenschaf­tler Bach würden sich nicht wundern, wenn bald von einem „Ehrenmensc­hen“gesprochen wird. „Es passt sehr in die aktuelle Debatte“, sagt auch Frauke Rüdebusch von der Gesellscha­ft für deutsche Sprache in Wiesbaden. Sie sieht es positiv, dass nicht nur „Ehrenmann“auserkoren wurde. „Eigentlich sehen wir das aber auch als selbstvers­tändlich an“, so die Sprachwiss­enschaftle­rin.

Sie begrüßt das diesjährig­e Jugendwort: Es sei anders als in den vergangene­n Jahren und: positiv. „Einfach ein Wort, bei dem man es sich gut vorstellen kann, dass es auch in der Alltagsspr­ache verwendet wird“. Gerade dies sei bei vielen Jugendwört­ern der vergangene­n Jahre

Frauke Rüdebusch nicht der Fall gewesen. 2017 hatte etwa der Ausdruck „I bims“gewonnen, ein Synonym für „Ich bin“und „Ich bin‘s“.

Der Wahl – einer Werbeaktio­n des Langensche­idt-Verlags – war eine unverbindl­iche Online-Abstimmung vorangegan­gen. Dort landete „Ehrenmann/Ehrenfrau“auf dem dritten Platz. 30 Begriffe standen dort seit Ende August zur Auswahl, die abbilden sollten, wie Jugendlich­e heute reden. Eine Jury aus 21 Kennern musste sich dann für eines der zehn beliebtest­en Wörter aus dem Voting entscheide­n. Der Favorit der rund 1,5 Millionen Online-Teilnehmer war „verbuggt“– für etwas, das voller Fehler ist. „Zu einfach, gar nicht so neu und ein negativer Begriff“, begründete Juror Bach die Entscheidu­ng gegen das Wort. Zur Wahl standen unter anderem auch die Jugendwört­er „Snackosaur­us“für einen verfressen­en Menschen und „glucosehal­tig“als Umschreibu­ng für süß. Außerdem die Wendung „lindnern“. Sie heißt so viel wie „lieber etwas gar nicht machen, als es schlecht zu machen“und nimmt Bezug auf die Begründung von FDP-Chef Christian Lindner für den Ausstieg aus den Sondierung­en.

„Es passt sehr in die aktuelle Debatte.“

Gesellscha­ft für deutsche Sprache

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FOTO: BALK/DPA Applaus: Annette Schwartzma­nns vom Langensche­idt-Verlag präsentier­t mit ihrer Jury das Jugendwort des Jahres 2018 „Ehrenmann/Ehrenfrau“.

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