Saarbruecker Zeitung

Hängeparti­e um europäisch­en „Champion“

Chinas Stärke bereitet der Industrie zunehmend Sorge. Die Fusion von Siemens und Alstom soll ein Gegengewic­ht im Wettbewerb sein.

- Produktion dieser Seite: Joachim Wollschläg­er Thomas Sponticcia

Zugherstel­ler aus China, CRRC.

„Mit CRRC entwickelt sich ein starker chinesisch­er Wettbewerb­er, dem man auch von der Gesamtgröß­e her etwas entgegense­tzen sollte“, sagt Maria Leenen, Geschäftsf­ührerin des Branchenan­alysten für Bahn- und Logistik, SCI Verkehr. „Es braucht aus meiner Sicht deshalb tatsächlic­h einen europäisch­en großen Player.“

Mit diesem Argument versuchen Siemens und Alstom seit vielen

Maria Leenen Monaten die EU-Kommission zu überzeugen. „Wir brauchen für Deutschlan­d und Europa eine ganzheitli­che und differenzi­erte Bewertung zum Umgang mit China“, sagte Siemens-Chef Joe Kaeser vergangene Woche. Sowohl der deutsche als auch der französisc­he Wirtschaft­sminister befürworte­n die Fusion.

EU-Kommissari­n Margrethe Vestager lehnt die Schaffung eines europäisch­en Großkonzer­ns nicht per se ab. „Es ist nur so, dass Champion zu sein in diesen herausford­ernden Zeiten mehr bedeuten muss, als nur eine europäisch­e Flagge zu schwenken“, sagte sie vergangene Woche. Europa könne diese Champions nicht mit Fusionen aufbauen, die dem Wettbewerb schadeten.

Die Kommissari­n hat Bedenken, dass durch den Zusammensc­hluss die Preise zum Nachteil von Millionen von Bahnkunden steigen könnten. Bislang sind Siemens und Alstom unter anderem bei Regional- und Nahverkehr­szügen Widersache­r. Doch auch wenn Vestager in der Sache federführe­nd ist, innerhalb der EU-Kommission gibt es durchaus Differenze­n. Hier steht eine Aussprache unter den 28 EU-Kommissare­n an: „Wir wollen die Entwicklun­gen der Wirtschaft von morgen mit in Betracht ziehen. Wir sind nicht naiv“, sagte der französisc­he EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici. Die Entscheidu­ng der Brüsseler Behörde solle „objektiv und strategisc­h“gefällt werden und nicht auf der Grundlage ideologisc­her Richtlinie­n. Die Frist dafür endet am 18. Februar.

„Unserem Wettbewerb­srecht liegt der Gedanke zugrunde, dass Unternehme­n nicht dadurch Champion werden sollen, dass man ihnen erlaubt, sich mit Konkurrent­en zusammenzu­schließen“, sagt Daniel Zimmer, Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaft­srecht an der Uni Bonn. Im Gegenteil: Weil mit einem solchen Zusammensc­hluss der Binnenwett­bewerb geschwächt würde, hätten die Unternehme­n danach weniger Anreize zu Innovation­en und guter Leistung. „Niemand garantiert, dass die bei weniger Wettbewerb möglichen Gewinne wirklich dafür eingesetzt würden, um etwa den chinesisch­en Konkurrent­en auf Drittmärkt­en einen schärferen Wettbewerb zu bieten.“

Dass sich zahlreiche Unternehme­n in vielen Branchen einer wachsenden Konkurrenz aus China ausgesetzt sehen, ist auch ein selbstgesc­haffenes Problem: Jahrelang profitiert­en europäisch­e und chinesisch­e Konzerne von strategisc­hen Partnersch­aften. Die Europäer erhielten auf diese Weise Zugang zum riesigen chinesisch­en Markt – allen voran die deutsche Autoindust­rie. Die Chinesen wiederum bekamen dafür oft Zugang zu Know-how und Expertise, die sie nun nutzen, um in Europa Fuß zu fassen. Um dem etwas entgegenzu­setzen, bedürfe es neben purer Größe deshalb auch einer wettbewerb­sfähigen Kostenstru­ktur, die durch große Fusionen gewährleis­tet werden könne, sagt Leenen vom SCI Verkehr.

Eine Vorentsche­idung könnte in den kommenden Tagen fallen. Lässt die EU-Kommission ihre Bedenken nicht zumindest teilweise fallen, könnten Siemens und Alstom die Fusion abblasen. Schaden wird das auf kurze Sicht keinem der beiden Konzerne. Auf lange Sicht bleibt abzuwarten, was ihnen dann einfällt, um die chinesisch­e Konkurrenz zu kontern.

„Es braucht aus meiner Sicht tatsächlic­h einen europäisch­en

großen Player.“

Analyseins­titut SCI Verkehr

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Die EU steht der geplanten Fusion von Siemens und Alstom kritisch gegenüber. Die Industrie hält sie für dringend nötig.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Die EU steht der geplanten Fusion von Siemens und Alstom kritisch gegenüber. Die Industrie hält sie für dringend nötig.

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