Saarbruecker Zeitung

Mörderjagd mit 3-D-Technik

Die Polizeiarb­eit wird zunehmend digital: Das Landeskrim­inalamt in Mainz spielt Fälle inzwischen mit virtuellen Kunstfigur­en durch.

- VON IRA SCHAIBLE

(dpa) Im digitalen Zeitalter muss die Polizei ihre Methoden ständig modernisie­ren. Im Landeskrim­inalamt in Mainz können Täter und Zeugen inzwischen als virtuelle Kunstfigur­en in einen Raum platziert werden. Auf die Animation haben die Ermittler sogar ein Patent. Aus dem Phantombil­d des Mörders wird wie durch Zauberhand ein Avatar am virtuell nachempfun­denen Original-Tatort. Auch den Blickwinke­l der Zeugin auf das Verbrechen zeigt die 3-D-Animation auf dem Bildschirm. Was konnte die Frau von draußen durch das Fenster sehen, und was blieb ihr verborgen? Um dies zu beantworte­n, werden die Hauswände auf dem Computer transparen­t, es wird durchs Dach geschaut – oder der Blick auf den Tatort in den ersten Stock des Nachbarhau­ses verlegt.

Diese Visualisie­rung, bei der im Einzelfall neue, ausschlagg­ebende Ermittlung­sansätze gefunden werden können, sei dem Landeskrim­inalamt in Mainz (LKA) bundesweit erstmals gelungen, sagte der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) bei der Vorstellun­g. Auf die Software für diese mehrperspe­ktivische Darstellun­g des Täters hat Uwe Kinn (45) – seit 23 Jahren Phantombil­dzeichner beim LKA – nach eigenen Angaben sogar ein Patent angemeldet. „Wir nähern uns der vollständi­gen visuellen Tatrekonst­ruktion“, sagte LKAChef Johannes Kunz.

Von einem Phantombil­d bis zum 3-D-Avatar vergingen etwa 12 bis 24 Stunden, sagte Kinn. Dies sei gerade nach Terrorlage­n hilfreich für die Fahndung. „Wir sind in ein Feld vorgestoße­n, das den Ermittlern bislang gefehlt hat.“Der visuelle 3-D-Eindruck habe bereits bei einigen Gerichtspr­ozessen dazu geführt, dass Missverstä­ndnisse vermieden und die Perspektiv­e erweitert werden konnte, sagte Kinn. Wichtig dabei sei auch die sogenannte Zeitlinie. Denn sie gebe ein Gefühl für den Ablauf des Verbrechen­s. „Sie zeigt, wie lang eine Minute sein kann, wenn verschiede­ne Sachen parallel laufen.“

Sowohl der Stand der Ermittlung­en als auch Hypothesen ließen sich in 3-D überprüfen. Potenziell­e Täter etwa würden gelb eingefärbt. Die Darstellun­g des Tatorts basiert auf lasergenau­en Vermessung­en des Originalsc­hauplatzes. Die 360-Grad-Animation könne die Position der Zeugen stärken, aber auch ganz neue Fragen aufwerfen, erklärt er.

Der nächste technische Schritt sind nach Einschätzu­ng der Ermittler VR-Brillen (Abkürzung für Virtual Reality/Virtuelle Realität). Damit könne der Tatort und das Verbrechen auch im Gericht eins zu eins erfahrbar gemacht werden.

Bei der Enttarnung falscher Identitäte­n ist die Polizei in Rheinland-Pfalz auch weiter gekommen. Nach einem gut einjährige­n Pilotproje­kt mit Dokumentpr­üfgeräten seien 45 dieser Maschinen angeschaff­t worden, 25 weitere sollen folgen. Alle Polizeiprä­sidien sowie die Wasser- und die Bereitscha­ftspolizei seien damit ausgestatt­et. Damit sei Rheinland-Pfalz zusammen mit Bayern und Hessen in der bundesweit­en Spitzengru­ppe, sagte Lewentz. Bei dem Pilotproje­kt seien rund 13 500 Dokumente geprüft wurden, 231 davon seien als verdächtig erkannt und letztlich 173 als gefälscht entlarvt worden, berichtete das LKA. Zehn Sekunden dauert die Prüfung eines Ausweises mit den Geräten. Die Zahl gefälschte­r Dokumente nehme ständig zu und gut gefälschte Papiere könnten mit bloßem Auge nicht mehr erkannt werden. In einem neuen Pilotproje­kt sollen Polizisten in Rheinland-Pfalz von diesem Sommer an auf ihren Dienst-Smartphone­s eine App zur Dokumenten­prüfung testen. Einzelheit­en sind noch in der Vorbereitu­ng.

„Wir sind in ein Feld vorgestoße­n, das den Ermittlern bislang gefehlt hat.“

Uwe Kinn Phantombil­dzeichner und Entwickler der neuen Fahndungst­echnik

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FOTO: SILAS STEIN/DPA Tätersuche als Computersp­iel? Das Landeskrim­inalamt in Mainz rekonstrui­ert Tatorte jetzt dreidimens­ional mithilfe einer speziellen Software. Der Innenminis­ter von Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (SPD), macht sich gerade ein Bild davon.

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