Saarbruecker Zeitung

Der Spion, der aus der Eifel kam

Abdul Hamid S., der für den Iran spioniert haben soll, war bei einer Bundeswehr-Einheit für elektronis­che Kampfführu­ng in Daun stationier­t.

- VON ROLF SEYDEWITZ

Ein Spion eines ausländisc­hen Geheimdien­stes in der Vulkaneife­l – gibt’s das wirklich? Oder ist die Geschichte bloß Fiktion, womöglich eine Neuauflage der vor drei Jahren ausgestrah­lten RTL-Serie „Deutschlan­d 83“, in der ein Soldat der Nationalen Volksarmee als Spion in den Westen geschleust wird und in der Dauner Kaserne landet? Keineswegs. Bei dem am Dienstag festgenomm­enen mutmaßlich­en Agenten handelt es sich tatsächlic­h um einen Mitarbeite­r des Dauner Bataillons Elektronis­che Kampfführu­ng 931, wie die „Süddeutsch­e Zeitung“berichtet.

Der 50-jährige Deutsch-Afghane Abdul Hamid S. soll nach Ermittlung­en der Bundesanwa­ltschaft für den iranischen Geheimdien­st gearbeitet haben. Er war in Daun als Sprachausw­erter und sogenannte­r landeskund­licher Berater der Bundeswehr eingesetzt. Wie die Ermittler dem mutmaßlich­en Spion auf die Schliche kamen, ist noch nicht bekannt. Sprachausw­erter sind unter anderem dafür zuständig, Informatio­nen aus den Einsatzgeb­ieten zu übersetzen.

Das 1957 aufgestell­te Bataillon Elektronis­che Kampfführu­ng ist seit 53 Jahren in Daun stationier­t. Vor fünf Jahren kam noch die Auswerteze­ntrale Elektronis­che Kampfführu­ng hinzu. Seit April 2017 ist das Bataillon mit insgesamt rund 1200 Soldaten und Zivilbesch­äftigten dem neuen Bundeswehr-Organisati­onsbereich Cyber- und Informatio­nsraum unterstell­t. Die Dauner Soldaten hören feindliche Kommunikat­ion ab, stören Sender und schützen den bundeswehr­eigenen Funkverkeh­r. Laut Eigenwerbu­ng des Bataillons schützen die Spezialist­en beispielsw­eise die eigene Truppe bei Patrouille­n vor dem ferngesteu­erten Zünden von Sprengfall­en und Minen, indem gegnerisch­e Signale per Funk unterdrück­t werden. Wo immer die Bundeswehr im Ausland Dienst schiebt, sind auch die „Elokisten“, wie sich die Soldaten selbst nennen, mit dabei.

Seit wann der am Dienstag festgenomm­ene Abdul Hamid S. in Daun beschäftig­t ist, wie und wo er zur Bundeswehr gestoßen ist, war bislang nicht in Erfahrung zu bringen. Wie es heißt, soll er aber schon etwas länger im Visier der Ermittler sein. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der von einem Ermittlung­srichter des Bundesgeri­chtshofs ausgestell­te Haftbefehl auf den 6. Dezember datiert ist. Danach vergingen bis zur Festnahme des 50-jährigen Deutsch-Afghanen geschlagen­e sechs Wochen.

Nach einem Bericht von „Spiegel online“soll der Beschuldig­te unter anderem Zugang zu sensiblen Informatio­nen zum Einsatz der Truppe in Afghanista­n gehabt haben. Er soll über Jahre hinweg für den iranischen Nachrichte­ndienst MOIS spioniert haben. Nach Angaben des Bundesamts für Verfassung­sschutz ist die deutsche Außen- und Sicherheit­spolitik für das iranische Regime von großer Bedeutung. Besonders gerne angeworben werden demnach Studierend­e und Wissenscha­ftler, die „interessan­te öffentlich­e Ämter“anstreben oder innehaben. Der Iran wird neben Russland und China auch für die zunehmende­n Cyberattac­ken gegen Deutschlan­d verantwort­lich gemacht.

Im Film endet das Daun-Intermezzo des Spions übrigens weniger dramatisch als jetzt in der Realität: Der NVA-Soldat wird aus der Vulkaneife­l abgezogen und – bis zu einem anderen Auftrag – zurück in die Heimat beordert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany