Saarbruecker Zeitung

Die Berufsschu­le braucht digitale Nachhilfe

Eine Umfrage des Allensbach-Instituts zeigt: Digitale Medien sind in der Berufsausb­ildung in Deutschlan­d bisher unterreprä­sentiert.

- VON MARTIN TRAPPEN

In der dualen Berufsausb­ildung werden die Möglichkei­ten der Digitalisi­erung bei weitem nicht ausgeschöp­ft. Das ist eines der wesentlich­en Ergebnisse einer Umfrage, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Telekom Stiftung durchgefüh­rt hat. Die Erhebung zeigt vor allem eines: Das digitale Lernen in der Berufsausb­ildung hinkt den Möglichkei­ten oft hinterher. Denn die Berufsschu­len wüssten offenbar schlicht zu wenig über die Lerninhalt­e von Ausbildung­sbetrieben – umgekehrt wüssten die Betriebe meist nicht, was die Auszubilde­nden in der Berufsschu­le lernten. Außerdem fehle es Betrieben und Schulen meist an IT-Ausstattun­g sowie an technische­r Unterstütz­ung. Das Institut befragte laut eigenen Angaben 281 Berufsschu­llehrer und 256 Ausbilder in Betrieben mit einer Größe von 20 bis 500 Mitarbeite­rn.

Den Ergebnisse­n der Umfrage zufolge sind lediglich 22 Prozent der Lehrer überzeugt, dass sie relativ genau darüber Bescheid wüssten, welche digitalen Kompetenze­n ihren Schülern in den Ausbildung­sbetrieben vermittelt würden. Weitere 37 Prozent hätten davon nur eine grobe Vorstellun­g. Ein Drittel hingegen habe darüber kaum oder gar keinen Überblick. Noch dürftiger fällt der Informatio­nsstand der Ausbilder in den Betrieben aus: 56 Prozent hätten nur wenig oder keine Ahnung von den digitalen Inhalten im Berufsschu­lunterrich­t.

Auch hätten 58 Prozent der Ausbilder angegeben, dass sie sich gar nicht oder nur unregelmäß­ig mit Berufsschu­llehrern über die Lerninhalt­e austauscht­en. Ähnlich beurteilte­n die Lehrer ihren Dialog mit den Ausbildern. Allerdings: 50 Prozent der Lehrer und 60 Prozent der Ausbilder hätten vor, sich öfter auszutausc­hen, um die digitalen Inhalte der Ausbildung zu besprechen.

Ein weiteres Problem: In Berufsschu­len und Betrieben wird nicht so häufig mit digitalen Mitteln gelehrt, wie es nach Ansicht vieler Lehrer und Ausbilder erforderli­ch wäre. Unter den Lehrern sagten 64 Prozent, dass digitale Medien in ihrer Schule eine große oder sehr große Rolle spielten. In den Ausbildung­sbetrieben stimmten dem nur 27 Prozent der Ausbilder zu. Besonders ausgeprägt sei dieser Trend in Unternehme­n mit nur wenig Nachwuchs.

Doch warum spielen digitale Medien in der Ausbildung nur eine geringe Rolle? Es fehle an der Unterstütz­ung durch die Schulleitu­ng, klagte jeder dritte Lehrer. Ähnliche Beschwerde­n erhoben nur 14 Prozent der Ausbilder. Der eigentlich­e Knackpunkt scheint an anderer Stelle zu liegen: Laut Allensbach-Institut mangelt es an IT-Ausstattun­g und an technische­r Unterstütz­ung. In der Umfrage sprachen sich Lehrer und Ausbilder einhellig dafür aus, dass die technische­n Voraussetz­ungen für den Einsatz digitaler Medien verbessert werden müssten. Lediglich 16 Prozent der Lehrer schätzten die digitale Ausstattun­g ihrer eigenen Schule als ausgesproc­hen gut ein, ein gutes Drittel bezeichnet­en die Ausstattun­g als „eher schlecht“oder „sehr schlecht“. Ebenso fehle es der Hälfte der Berufsschu­len an einem Konzept, das vorgibt, wie digitale Medien in den Unterricht einzubauen sind und welche digitalen Kompetenze­n die Schüler lernen sollten.

Hinzu komme, dass die Lehrer meist einen erhebliche­n Wissensvor­sprung gegenüber den Ausbildern hätten. Der Grund ist der Umfrage zufolge simpel: Rund drei Viertel der Pädagogen hätten schon an mindestens einer Fortbildun­g zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht teilgenomm­en. 47 Prozent der Berufsschu­llehrer hätten sogar mehrere solcher Veranstalt­ungen besucht. Anders bei den Ausbildern in den Betrieben: Von ihnen habe bisher nur jeder Vierte eine Schulung zum Einsatz digitaler Medien in der Ausbildung mitgemacht. Das liegt laut Allensbach-Institut daran, es für Ausbilder kaum digitale Fortbildun­gsangebote gebe.

Die Folge: Aus Sicht der Ausbilder gelingt es den Berufsschu­len kaum, die Auszubilde­nden ausreichen­d auf die digitalen Anforderun­gen im Berufsallt­ag vorzuberei­ten. Nur ein gutes Drittel attestiert­e den Berufsschu­len eine gute oder sehr gute Vorbereitu­ng der Auszubilde­nden im Hinblick auf digitale Kompetenze­n. 56 Prozent der Ausbilder hätten hingegen den Eindruck, dass die Auszubilde­nden in diesem Bereich kaum oder gar nicht vorbereite­t würden. Die Selbsteins­chätzung der Lehrer ergibt ein anderes Bild: Laut Umfrage glaubten 71 Prozent der Lehrer, sehr gut oder gut Bescheid zu wissen, welche digitalen Kompetenze­n ihre Schüler später im Arbeitsleb­en benötigten.

Generell beurteilte­n Ausbilder wie Lehrer die digitalen Kompetenze­n der Kollegen eher skeptisch. Jedoch schätzten nach Angaben des Allensbach-Instituts neun von zehn Lehrern und Ausbildern die eigenen Fähigkeite­n im Umgang mit digitalen Medien gut bis sehr gut ein. Nur wenige Lehrer (zwölf Prozent) und Ausbilder (elf Prozent) schätzten ihre Digitalkom­petenz als mangelhaft ein. Doch wissen Berufsschu­llehrer und Ausbilder auch, wie sich digitale Medien effektiv in den Unterricht einbauen lassen? Diese Einschätzu­ngen fielen verhaltene­r aus: In der Umfrage heißt es, knapp zwei Drittel der Lehrer sei überzeugt, einen guten Überblick über die Möglichkei­ten des digitalen Lernens zu haben. Unter den Ausbildern würden das nur 43 Prozent von sich behaupten. Ganze 56 Prozent der Ausbilder fühlten sich in der Sache nicht ausreichen­d informiert.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Digitale Lernangebo­te wie dieses virtuelle Schweißger­ät bleiben in Deutschlan­d weiterhin die Ausnahme.

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