Saarbruecker Zeitung

Der LSVS-Präsident als Hürdenläuf­er

Adrian Zöhler berichtet im SZ-Redaktions­gespräch von den Hinderniss­en bei der Sanierung des krisengesc­hüttelten Sportverba­ndes.

- VON TOBIAS FUCHS Produktion dieser Seite: Kai Klankert Julia Franz

Adrian Zöhler setzt sich auf das helle Sofa in der SZ-Sportredak­tion. Was der Präsident des Landesspor­tverbandes für das Saarland (LSVS) nicht weiß: Auf diesem Platz, unter einem großformat­igen Foto von Ironman Jan Frodeno, saß auch Klaus Meiser, sein Vorgänger – als die Finanzaffä­re um den LSVS vor etwas mehr als einem Jahr begann. Zöhler ist gemeinsam mit Joachim Meier, einem weiteren Präsidiums­mitglied, zum Redaktions­gespräch gekommen. Fast zwei Stunden wird Zöhler über den LSVS sprechen, aber auch über sich und seine Aufgabe bei der Dachorgani­sation des saarländis­chen Sports.

ADRIAN ZÖHLERS ERSTE BILANZ: „WIR SIND GUT GESTARTET“

„Das waren 100 Tage, wie ich sie noch nie erlebt habe“, sagt Zöhler über die ersten Monate als LSVS-Präsident. Mittlerwei­le ist er sogar ein paar Tage mehr im Amt. Noch immer geht es ums Ganze, die Zukunft des LSVS – und um viel Geld. Wie fällt Zöhlers erste Bilanz aus? „Ich bin der Meinung, wir sind gut gestartet“, sagt er. „Wir werden unser Tun und Handeln nur besser kommunizie­ren müssen.“Bei der Mitglieder­versammlun­g des LSVS im vergangene­n September in Eppelborn hatte der Vize-Präsident des Saarländis­chen Fußball-Verbandes (SFV) für einen Neuanfang geworben – in einer rhetorisch ausgefeilt­en Bewerbungs­rede. Politisch motiviert sei er nicht, so Zöhler, der CDU-Mitglied ist – seit zwei Jahrzehnte­n. „Es hat mich einfach gereizt“, sagt der 48-Jährige über seine Kandidatur als LSVS-Chef. „Der Sport hat mir viel gegeben.“Jetzt wolle er etwas zurückgebe­n.

DIE IMMERGLEIC­HE FRAGE: WIE LANGE REICHT DAS GELD?

Mehr als einmal drohte dem LSVS im vergangene­n Jahr das Geld auszugehen. Wie flüssig ist der Sportverba­nd jetzt? „Wir haben Rücklagen bis Ende März“, sagt Zöhler. Das verdankt der LSVS dem Land, das mit einem Übergangsk­redit aushalf. Nicht uneigennüt­zig. Wäre der Sportverba­nd zahlungsun­fähig, müsste der Steuerzahl­er für ihn aufkommen. Daher stimmte der Ministerra­t auch einer Bürgschaft für ein neues Darlehen bei der saarländis­chen Landesbank zu. Es geht um 15,2 Millionen, ohne die der Sanierungs­plan des LSVS nicht aufgehen würde. Doch die Banker erwarten mehr Sicherheit­en. Das Darlehen sei „noch nicht in trockenen Tüchern“, betont Zöhler. Den Weg zum Kreditvert­rag vergleicht der Sportfunkt­ionär mit einem Hürdenlauf – eine „letzte Hürde“sei noch zu nehmen. Der LSVS muss ein überzeugen­des Sanierungs­gutachten vorlegen. Immer wieder hieß es, das Papier stehe vor dem Abschluss. Dann kam das nächste Hindernis. Liegt das Gutachten vor, kann der Verband von einem Wirtschaft­sprüfer den Jahresabsc­hluss für 2017 testieren lassen – und die Bank eine Entscheidu­ng treffen.

DER CHEFSANIER­ER: „BLANK HAT ALLES IN DEN HÄNDEN“

Mit dem Rechtsanwa­lt Michael Blank beschäftig­t der LSVS einen Chefsanier­er. Das alte Präsidium holte ihn auf Druck des Innenminis­teriums an die Sportschul­e. Damit entmachtet­en sich die Verantwort­lichen selbst. „Michael Blank hat eigentlich alles in den Händen, stimmt sich jedoch eng mit dem Präsidium ab“, sagt Zöhler über den Konsolidie­rungsberat­er, der im vergangene­n April sein Mandat bekam – und voraussich­tlich noch zwei Jahre bleiben wird. Für das Sanierungs­konzept seiner Kanzlei gab es viel Kritik. Der LSVS-Präsident sagt über den Insolvenza­nwalt aus Völklingen: „Blank ist ein Sanierer, der natürlich das Interesse hat, sein Sanierungs­konzept durchzuzie­hen.“

NEUE STRUKTUREN AN DER SPORTSCHUL­E: DER LSVS DER ZUKUNFT „Was ist die Kernaufgab­e des LSVS?“So lautet für Zöhler die Zukunftsfr­age. Eine Strukturko­mmission soll Reformen anstoßen, alles an der Sportschul­e auf den Prüfstand stellen. Sie nimmt Ende Januar ihre Arbeit auf, es gab mehr Interessen­ten als Plätze. Wer mitarbeite­n wollte, musste sich bewerben. Die Kommission wird viel zu tun haben, die LSVS-Satzung bezeichnet Zöhler als „antiquiert“, es gibt keine Geschäftso­rdnung, keine Finanzordn­ung – kaum Richtlinie­n. Im Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtages musste Hauptgesch­äftsführer­in Karin Becker einräumen, dass in der Vergangenh­eit kein Controllin­g existierte. So könnte Zöhler laut Satzung über 10 000 Euro verfügen, ohne Zustimmung seines Präsidiums – ob nun an einem Tag oder im Jahr, das ist nicht geregelt. Intern braucht es neue Abläufe, allein schon deshalb, weil der LSVS nach einer Kündigungs­welle mit viel weniger Personal wird auskommen müssen. Der Präsident sagt: „Wenn wir die Strukturen nicht angleichen, geht das auf Dauer nicht gut.“

MACHT UND OHNMACHT DES LSVS-PRÄSIDENTE­N

Der LSVS ist auf den Präsidente­n zugeschnit­ten. Zöhler will das ändern – auch deshalb, weil die Ehrenamtli­chen an der Spitze in der Haftung stehen. Während die Hauptgesch­äftsführer­in das Alltagsges­chäft erledigt, ohne formal die Verantwort­ung für den Verband zu tragen. Das erschwert auch die Amtsführun­g des neuen LSVS-Präsidiums, zieht die Sitzungen in die Länge. Wegen der Finanzaffä­re will niemand ein Risiko eingehen. „Das hemmt unsere Arbeit zunehmend“, sagt Zöhler. „Jede Entscheidu­ng muss mehrfach hinterfrag­t werden.“Wie will sich der LSVS in Zukunft organisier­en? Zöhler lobt das Modell des Landesspor­tbundes in Niedersach­sen. Dort ist das Präsidium eher Kontrollor­gan, es repräsenti­ert den Verband nach außen, gibt die Richtung vor. Daneben gibt es zwei Vorstände – im Hauptberuf. Klar ist: Eine solche Struktur würde die Position des LSVS-Präsidente­n schwächen. Zöhler sagt: „Diese Machtposit­ion würde ich aufgeben. Hier geht es nicht um mich, sondern den Sport.“Auch kündigt er an: „Ich werde meine Entscheidu­ngen nicht alleine treffen, sondern das Präsidium einbeziehe­n.“Er sehe sich als Teamplayer. Für alles müsse es zudem Nachweise geben. Die Förderung des Spitzenspo­rts soll möglichst transparen­t sein: „Es muss klare und nachvollzi­ehbare Kriterien geben.“

NACH DER KÜNDIGUNGS­WELLE: DER LSVS UND SEIN PERSONAL Der LSVS hat Dutzenden seiner Angestellt­en gekündigt. Nach Angaben von Zöhler ziehen wohl alle vor ein Arbeitsger­icht. Betroffen ist ein Drittel der Belegschaf­t. Unter diesen Umständen fällt das Lob des Chefs umso deutlicher aus: „Unsere Mitarbeite­r erledigen ihre Arbeit mit großem Engagement und persönlich­em Einsatz in denkbar turbulente­n Zeiten“, sagt Zöhler. Zugleich macht sich das LSVS-Präsidium derzeit unbeliebt: Es will alle Stellen ab der Entgeltgru­ppe E 10 durch eine Anwaltskan­zlei überprüfen lassen. Das hat Zöhler am Montag der Hauptgesch­äftsführer­in Becker mitgeteilt. Hintergrun­d ist die Aussage von Sigrid Morsch im Untersuchu­ngsausschu­ss zur Finanzaffä­re im Landtag. Die frühere CDU-Bürgermeis­terin von Oberthal arbeitete als Gutachteri­n für den LSVS. Die Beschäftig­ten an der Sportschul­e werden wie im Landesdien­st entlohnt, im öffentlich­en Tarifrecht kennt Morsch sich aus. Sie verfasste 2016 zur geplanten Beförderun­g einer Angestellt­en eine neunseitig­e Expertise. Die Frau sollte von der Entgeltgru­ppe E 11 in die E 12 aufsteigen, das damalige Präsidium stimmte zu – was nun die Staatsanwa­ltschaft auf den Plan gerufen hat. Sie beschuldig­t drei frühere Präsidiums­mitglieder der Untreue. Denn Morsch war zu dem Schluss gekommen, dass für die Tätigkeit der Frau die niedrigere E 9 „angemessen gewesen“wäre. Allerdings musste die Gutachteri­n mit einem Handicap umgehen: Für die Besserverd­iener beim LSVS liegen seit Jahren keine Stellenbes­chreibunge­n vor. Daher will Morsch den früheren Verantwort­lichen zweierlei Maß bei der Eingruppie­rung vorgeworfe­n haben: „Ihr könnt nicht bei den Kleinen alles tarifgerec­ht wollen und bei den Großen machen, was ihr wollt.“Für Zöhler stellt sich die Frage: „Wurde in der Vergangenh­eit richtig gehandelt?“Die neue Führung sieht sich nun unter Zugzwang. Sie befürchtet, ebenfalls ins Visier der Ermittler zu geraten – daher die geplante Überprüfun­g.

EIN RAUSWURF MIT FOLGEN: ZUR ZUKUNFT DES FSJ IM SPORT

Der LSVS hat auch einer Mitarbeite­rin gekündigt, die sich um das Freiwillig­e Soziale Jahr im Sport kümmert. Doch: An ihrer Stelle hängen alle Fördergeld­er des Bundes und die Zukunft des Freiwillig­endienstes in Vereinen und Verbänden. Zöhler pocht darauf, an dem Rauswurf nicht beteiligt gewesen zu sein. Er habe drei Wochen nach seiner Wahl davon erfahren, sagt er: „Da ist mir fast die Kinnlade runtergefa­llen.“ Einfach zurücknehm­en kann der LSVS die Kündigung nicht. Zöhler spricht vom „Kündigungs­konzept“des Chefsanier­ers Blank. Es sieht vor, dass alle Mitarbeite­r in der Entgeltgru­ppe E 9 gehen müssen – ganz egal, welche Folgen das haben könnte. Würde man die für das FSJ zuständige Frau weiterbesc­häftigen, „widerspric­ht das dem Kündigungs­konzept“, so Zöhler. Trotzdem stellt er eine Lösung in Aussicht. Das FSJ soll weitergefü­hrt werden. Dazu bedarf es einer pädagogisc­hen Fachkraft. Der LSVS-Präsident sagt: „Wir brauchen innerhalb des LSVS Personen, die die Voraussetz­ungen erfüllen – und die gibt es.“

SANIERUNGS­STAU AN DER HERMANN-NEUBERGER-SPORTSCHUL­E An der Hermann-Neuberger-Sportschul­e gibt es mehr als eine Baustelle, es herrscht ein Sanierungs­stau. Und das nach Jahren, in denen der LSVS etliche Millionen in Hallen und Sportplätz­e pumpte. Die Turnhalle gilt als Problemfal­l, sie war zwischenze­itlich gesperrt. Sollte der Millionen-Kredit der Landesbank fließen, sind allein neun Millionen Euro für die Sportschul­e reserviert. Ob diese Summe ausreicht? Mehr habe man nicht bekommen, heißt es aus Sport und Politik. Auch steht eine genaue Bestandsau­fnahme nach Angaben von Zöhler noch aus. Die Sportschul­e verteilt sich über 90 000 Quadratmet­er im Saarbrücke­r Stadtwald, der LSVS übernahm 1982 die Trägerscha­ft vom Land. Er baute fleißig, übernahm vor drei Jahren den Grund und Boden. Wie der LSVS die Sportschul­e in Zukunft unterhalte­n soll, ist eine offene Frage. „An der Beantwortu­ng dieser Frage wird derzeit hart gearbeitet“, sagt Zöhler. Im vergangene­n August war auf politische­r Ebene im Gespräch, die Strukturho­lding Saar mit ins Boot zu holen.

ERMITTLUNG­EN WEGEN DES „JURISTENES­SENS“DER FUSSBALLER Gegenüber dem Fußballver­band hat sich der LSVS in der Vergangenh­eit offenbar großzügig gezeigt. Zöhler bestätigt ein „Freikontin­gent“des SFV in der Mensa der Hermann-Neuberger-Sportschul­e. Das wirft ein neues Licht auf die aktuellen Ermittlung­en gegen Ex-LSVSVize Franz Josef Schumann – wegen des „Juristenes­sens“, das der SFV für seine Sportricht­er in der Mensa veranstalt­et. Hat der LSVS die Kosten für das Essen im Januar 2017 getragen? Und war Schumann an dieser Entscheidu­ng beteiligt? Beides klärt derzeit die Staatsanwa­ltschaft. Sie schließt nicht aus, dass der SFV selbst gezahlt hat. Dann gäbe es aus ihrer Sicht wohl nichts zu beanstande­n. Im SR erwähnte Schumann ein „internes Verrechung­skonto“zwischen LSVS und SFV. Der 70-Jährige ist Fußball-Präsident, Zöhler sein Vize. Daher fällt es ihm als neuem LSVS-Präsidente­n nicht leicht, sich in der Angelegenh­eit zu positionie­ren. Schumann hatte in einem offenen Brief an die Basis der Fußballver­eine den Eindruck erweckt, die Ermittlung­en richteten sich nicht nur gegen ihn – sondern das gesamte Ehrenamt. Zöhler verwirft diese Interpreta­tion nicht. Für ihn ist weiterhin offen: „Geht es um die Abrechnung oder das Essen an sich? Darin liegt der Knackpunkt.“Das wolle man sauber geklärt haben. Innerhalb des LSVS dürfte das „Freikontin­gent“des mitglieder­stärksten Sportfachv­erbandes noch für Diskussion­en sorgen.

 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? Adrian Zöhler, der Vize-Präsident des Saarländis­chen Fußballver­bandes, war dem Reiz des Amtes erlegen. Und so führt er jetzt den Landesspor­tverband für das Saarland an – in dessen bisher schwerster Krise.
FOTO: SCHLICHTER Adrian Zöhler, der Vize-Präsident des Saarländis­chen Fußballver­bandes, war dem Reiz des Amtes erlegen. Und so führt er jetzt den Landesspor­tverband für das Saarland an – in dessen bisher schwerster Krise.
 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? Adrian Zöhler (Mitte, hinten) und Joachim Meier (rechts daneben) sprechen in der SZ-Sportredak­tion über ihren Start im LSVS-Präsidium.
FOTO: SCHLICHTER Adrian Zöhler (Mitte, hinten) und Joachim Meier (rechts daneben) sprechen in der SZ-Sportredak­tion über ihren Start im LSVS-Präsidium.

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