Olaf Scholz steht vor einem Milliardenloch
Ein Spar-Appell des Finanzministers stellt das neue Alterskonzept des Arbeitsministers in Frage. Das erregt auch in der Union Kritik.
VON STEFAN VETTER
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bekommt für sein Konzept einer Grundrente auch Gegenwind aus den eigenen Reihen. Gestern wurde eine Rechnung seines Parteifreundes, Finanzminister Olaf Scholz, bekannt, wonach der Bundeshaushalt auf ein Loch von fast 25 Milliarden Euro zusteuert. Scheitert Heils Rentenversprechen schon an der Finanzierung?
Bereits in der Vorwoche soll es Berichten zufolge einen Sparsamkeits-Appell des Finanzministeriums an die anderen Ressorts gegeben haben. Hintergrund ist der Beginn regierungsinterner Gespräche zur weiteren Finanzplanung. Mehrausgaben, so der Tenor, seien nicht drin. Zwar verbuchte der Bundesetat 2018 noch einen satten Überschuss von elf Milliarden Euro. Doch wegen großzügig eingegangener Verpflichtungen bei gleichzeitig weniger üppigen Einnahmen droht sich die Rechnung schon bald ins Gegenteil zu verkehren. Eben erst hat die Bundesregierung ihre eigene Wachstumsprognose deutlich nach unten korrigiert. So könnten schon bis 2023 etwa 24,7 Milliarden Euro im Bundeshaushalt fehlen. Zu Buche schlagen etwa der Kohleausstieg, der Digitalpakt, die geplante Entlastung bei Betriebsrenten. Und nun will auch noch der Arbeitsminister kräftig draufsatteln: Zwischen vier und sechs Milliarden Euro pro Jahr kostet seine Grundrente, mit der sich die Altersbezüge von Geringverdienern zum Teil fast verdoppeln würden.
In der Bundespressekonferenz wurden die Differenzen gestern deutlich sichtbar. Während eine Sprecherin des Arbeitsministeriums das Projekt verteidigte, machte ihre Kollegin vom Finanzressort klar, dass die fetten Jahre vorbei seien. Vize-Regierungssprecherin Martina Fietz wiederum erinnerte gleich mehrfach an die Koalitionsvereinbarung, in der als Voraussetzung für den Bezug der Grundrente eine individuelle Bedürftigkeitsprüfung festgelegt ist. Darauf hat Heil in seinem Konzept verzichtet. Begründung: Der Gang zum Sozialamt sei unvereinbar mit der Anerkennung von Lebensleistungen.
Die Bedürftigkeitsprüfung ist indes die zentrale Stellschraube für die Kosten des Projekts. In einem früheren Konzept ging Heil von nur etwa 130 000 anspruchsberechtigten Beziehern von Grundsicherung im Alter aus, die bei mindestens 35 Versicherungsjahren einen monatlichen Zuschlag von etwa 100 Euro bekommen sollten. Mit dem neuen Vorschlag wird der Kreis der Berechtigten um etwa das 30-Fache erhöht: auf drei bis vier Millionen Rentner, von denen die meisten statistisch betrachtet gar nicht bedürftig sind.
In der Union hagelte es deshalb Kritik. So mahnte etwa der thüringische CDU-Landeschef Mike Mohring, zusätzliche Betriebsrenten und andere Formen der individuellen Vorsorge mitzuberücksichtigen.
Bliebe noch die Möglichkeit, die Grundrente über Beitragsmittel zu finanzieren. Genau davor warnte jedoch die Deutsche Rentenversicherung: Die geplante Aufstockung sei „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die in vollem Umfang aus Steuermitteln zu finanzieren ist“, sagte ein Sprecher auf Anfrage.