Heute Generalstreik in Frankreich
Frankreichs Präsident sieht, dass sich die Gelbwesten nicht besänftigen lassen. Heute steht ein Generalstreik an. Derweil kursiert die Option eines Referendums.
PARIS (SZ) Gewerkschaften unterstützen jetzt massiv die Gelbwesten in Frankreich. Der zweitgrößte Arbeitnehmerverband CGT hat für heute zu einem Generalstreik aufgerufen. Der Ausstand soll laut CGT verhindern, dass die Protestbewegung an Schwung verliert.
VON KNUT KROHN
Emmanuel Macron wirkt wie aufgedreht. Wenn der Präsident zuhört, rutscht er unruhig auf seinem Stuhl herum; wenn er redet, unterstreicht er seine Worte mit großen Gesten. Seit Wochen reisen Macron und seine Minister durch die Regionen Frankreichs, um den Menschen zuzuhören. Sie wollen den Franzosen das Gefühl geben, dass ihre Sorgen von den Regierenden in Paris ernst genommen werden. Ein Ziel der „Grand Débat“ist auch, den Gelbwesten den Wind aus den Segeln nehmen, denn dieser Aufstand der Unzufriedenen hat den Präsidenten in eine schwere Krise gestürzt.
Gestern begann der Präsident seine Tour durch die Banlieues – jene oft berüchtigten Vororte von Paris, die Macrons wütender Vorgänger Nicolas Sarkozy einst mit dem Kärcher säubern wollte, weil er die sozialen Unruhen nicht unter Kontrolle bekam. Macron aber kam zum Zuhören nach Evry-Courcouronnes, eine kleine Stadt rund 40 Kilometer von Paris entfernt. Viel wurde geredet über soziale Projekte, den schlechten Nahverkehr und die miserable Ausstattung der Schulen.
Immer deutlicher wird aber, dass Gespräche alleine nicht mehr reichen, um den Zorn des Volkes zu besänftigen. Plötzlich steht nun die Idee eines Referendums im Raum – eine Meldung, die aus dem Umfeld Macrons weder bestätigt, noch dementiert wird. Die ungeheuerliche Möglichkeit, das gemeine Volk über die Politik des fast allmächtigen französischen Präsidenten zu befragen, wird nun in Frankreich heftig diskutiert, obwohl niemand weiß, über was bei einem Referendum überhaupt abgestimmt werden soll. Allein der mögliche Termin wird genannt: der 26. Mai, der Tag der Europawahl.
Die Pro-Europäer in Frankreich sehen darin aber ein Problem. Sie befürchten, dass vor allem Gegner des Präsidenten an die Urnen strömen und die Europawahl zur Abstimmung über Macron werden könnte. Dann bestünde die Gefahr, dass viele EU-Gegner und Vertreter radikaler Parteien aus Frankreich ins Europaparlament gewählt würden.
Antreten zu den Europawahlen werden auch Vertreter der Gelbwesten, was in deren Reihen indes für Streit sorgt. Auf einer Liste kandidiert die Krankenpflegerin Ingrid Levavasseur, die deswegen von ihren Mitstreitern übelst beschimpft wird. Ihr wird vorgeworfen, die Bewegung der „Gilets Jaunes“für ihre Zwecke zu missbrauchen.
Aber auch andere Mitglieder der Gelbwesten haben erkannt, dass der Schwung der Protestbewegung zu erlahmen droht. Einige engagieren sich inzwischen in den Reihen der Gewerkschaften. Philippe Martinez, Generalsekretär von Frankreichs zweitgrößtem Arbeitnehmerverband CGT, hat deshalb den Gelbwesten ganz offiziell die Hand zur Zusammenarbeit ausgestreckt. Es sei notwendig, die Schlagkraft der Bewegung zu erhöhen, sagte er gestern in einem Interview mit dem Radiosender RTL. Aus diesem Grund hat die CGT für den heutigen Dienstag zu einem Generalstreik aufgerufen. Die Gewerkschaftsfunktionäre werden bei dieser Gelegenheit sehr genau beobachten, wie viele gelbe Westen bei den Kundgebungen zu sehen sind.