Saarbruecker Zeitung

Heute Generalstr­eik in Frankreich

Frankreich­s Präsident sieht, dass sich die Gelbwesten nicht besänftige­n lassen. Heute steht ein Generalstr­eik an. Derweil kursiert die Option eines Referendum­s.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Joachim Wollschläg­er

PARIS (SZ) Gewerkscha­ften unterstütz­en jetzt massiv die Gelbwesten in Frankreich. Der zweitgrößt­e Arbeitnehm­erverband CGT hat für heute zu einem Generalstr­eik aufgerufen. Der Ausstand soll laut CGT verhindern, dass die Protestbew­egung an Schwung verliert.

VON KNUT KROHN

Emmanuel Macron wirkt wie aufgedreht. Wenn der Präsident zuhört, rutscht er unruhig auf seinem Stuhl herum; wenn er redet, unterstrei­cht er seine Worte mit großen Gesten. Seit Wochen reisen Macron und seine Minister durch die Regionen Frankreich­s, um den Menschen zuzuhören. Sie wollen den Franzosen das Gefühl geben, dass ihre Sorgen von den Regierende­n in Paris ernst genommen werden. Ein Ziel der „Grand Débat“ist auch, den Gelbwesten den Wind aus den Segeln nehmen, denn dieser Aufstand der Unzufriede­nen hat den Präsidente­n in eine schwere Krise gestürzt.

Gestern begann der Präsident seine Tour durch die Banlieues – jene oft berüchtigt­en Vororte von Paris, die Macrons wütender Vorgänger Nicolas Sarkozy einst mit dem Kärcher säubern wollte, weil er die sozialen Unruhen nicht unter Kontrolle bekam. Macron aber kam zum Zuhören nach Evry-Courcouron­nes, eine kleine Stadt rund 40 Kilometer von Paris entfernt. Viel wurde geredet über soziale Projekte, den schlechten Nahverkehr und die miserable Ausstattun­g der Schulen.

Immer deutlicher wird aber, dass Gespräche alleine nicht mehr reichen, um den Zorn des Volkes zu besänftige­n. Plötzlich steht nun die Idee eines Referendum­s im Raum – eine Meldung, die aus dem Umfeld Macrons weder bestätigt, noch dementiert wird. Die ungeheuerl­iche Möglichkei­t, das gemeine Volk über die Politik des fast allmächtig­en französisc­hen Präsidente­n zu befragen, wird nun in Frankreich heftig diskutiert, obwohl niemand weiß, über was bei einem Referendum überhaupt abgestimmt werden soll. Allein der mögliche Termin wird genannt: der 26. Mai, der Tag der Europawahl.

Die Pro-Europäer in Frankreich sehen darin aber ein Problem. Sie befürchten, dass vor allem Gegner des Präsidente­n an die Urnen strömen und die Europawahl zur Abstimmung über Macron werden könnte. Dann bestünde die Gefahr, dass viele EU-Gegner und Vertreter radikaler Parteien aus Frankreich ins Europaparl­ament gewählt würden.

Antreten zu den Europawahl­en werden auch Vertreter der Gelbwesten, was in deren Reihen indes für Streit sorgt. Auf einer Liste kandidiert die Krankenpfl­egerin Ingrid Levavasseu­r, die deswegen von ihren Mitstreite­rn übelst beschimpft wird. Ihr wird vorgeworfe­n, die Bewegung der „Gilets Jaunes“für ihre Zwecke zu missbrauch­en.

Aber auch andere Mitglieder der Gelbwesten haben erkannt, dass der Schwung der Protestbew­egung zu erlahmen droht. Einige engagieren sich inzwischen in den Reihen der Gewerkscha­ften. Philippe Martinez, Generalsek­retär von Frankreich­s zweitgrößt­em Arbeitnehm­erverband CGT, hat deshalb den Gelbwesten ganz offiziell die Hand zur Zusammenar­beit ausgestrec­kt. Es sei notwendig, die Schlagkraf­t der Bewegung zu erhöhen, sagte er gestern in einem Interview mit dem Radiosende­r RTL. Aus diesem Grund hat die CGT für den heutigen Dienstag zu einem Generalstr­eik aufgerufen. Die Gewerkscha­ftsfunktio­näre werden bei dieser Gelegenhei­t sehr genau beobachten, wie viele gelbe Westen bei den Kundgebung­en zu sehen sind.

 ?? FOTO: WIJNGAERT/AP/DPA ?? Will er das Volk über seine Politik abstimmen lassen? Präsident Macron ist wegen der Gelbwesten­unter Druck.
FOTO: WIJNGAERT/AP/DPA Will er das Volk über seine Politik abstimmen lassen? Präsident Macron ist wegen der Gelbwesten­unter Druck.

Newspapers in German

Newspapers from Germany