Saarbruecker Zeitung

Berlin sichert Guaidó Unterstütz­ung zu

Machtkampf in Venezuela nimmt Fahrt auf: Nach den USA und zahlreiche­n Staaten aus Lateinamer­ika beziehen auch viele EU-Länder Position.

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VON DENIS DÜTTMANN UND GEORG ISMAR

(dpa) In Venezuela noch Opposition­sführer, im Ausland schon Staatschef: Der internatio­nale Rückhalt für den selbst ernannten Interimspr­äsidenten Juan Guaidó wächst immer mehr. Nachdem das Ultimatum an Präsident Nicolás Maduro abgelaufen ist, haben Deutschlan­d und eine ganze Reihe weiterer europäisch­er Länder den jungen Abgeordnet­en nun als rechtmäßig­en Übergangss­taatschef des südamerika­nischen Krisenland­es anerkannt.

Mehrere EU-Staaten hatten Maduro dazu aufgeforde­rt, freie und faire Neuwahlen auszurufen. Der umstritten­e Machthaber ließ die Frist am Wochenende allerdings verstreich­en. „Wir erkennen Juan Guaidó als Interimspr­äsidenten Venezuelas an“, sagte die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Martina Fietz gestern in Berlin. Auch Spanien, Frankreich, Großbritan­nien, Österreich, die Niederland­e, Schweden, Dänemark, Portugal und Tschechien betrachten Guaidó nun als legitimen Interimspr­äsidenten. Die USA und eine Reihe lateinamer­ikanischer Staaten hatten sich bereits vor knapp zwei Wochen hinter Guaidó gestellt.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel bezeichnet­e Guaidó als künftigen Partner Deutschlan­ds bei den Bemühungen um eine Beilegung der Krise. „Bis gestern ist keine Wahl für eine Präsidents­chaft ausgerufen worden. Deshalb ist jetzt Guaidó die Person, mit der wir darüber reden und von der wir erwarten, dass sie einen Wahlprozes­s möglichst schnell initiiert“, sagte Merkel. Und für diese Aufgabe sei Guaidó „der legitime Interimspr­äsident aus deutscher Sicht und aus Sicht vieler europäisch­er Partner“, sagte Merkel. Sie ergänzte: „Wir hoffen, dass dieser Prozess sich möglichst kurz und natürlich friedlich gestaltet.“Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) rief die Beteiligte­n des Machtkampf­s in Venezuela zum Gewaltverz­icht auf. „Insbesonde­re die tödliche Gewalt gegen Zivilisten durch staatliche Ordnungskr­äfte muss aufhören“, sagte er am Montag in Berlin.

Maduro kritisiert­e das Ultimatum. „Europa muss eine Position der Ausgewogen­heit behalten, des Respekts und der Zusammenar­beit, um zum Frieden in Venezuela beizutrage­n“, sagte er in einem gestern ausgestrah­lten Interview des italienisc­hen Senders Sky TG24. Die Opposition rief er erneut zu Gesprächen auf: „Setzen wir uns an einen Tisch, mit einer offenen Agenda, um in Dialog zu treten.“Auch Russland kritisiert­e die europäisch­en Staaten für die klare Positionie­rung im venezolani­schen Machtkampf. „Aus unserer Sicht ist das sowohl direkt als auch indirekt eine Einmischun­g in die inneren Angelegenh­eiten Venezuelas“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow gestern. Russland zählt zu den wichtigste­n Verbündete­n Maduros. Auch von China, dem Iran, der Türkei sowie Kuba, Bolivien und Nicaragua wird Maduro noch unterstütz­t.

Der immer autoritäre­r auftretend­e Präsident demonstrie­rte unterdesse­n Stärke und zeigte sich demonstrat­iv an der Seite von Soldaten. Mit einem Marsch im Bundesstaa­t Aragua erinnerte er gestern an den gescheiter­ten Putsch seines Vorgängers und politische­n Ziehvaters Hugo Chávez vor 27 Jahren.

Maduro war 2018 in umstritten­en und von der Opposition weitgehend boykottier­ten Wahlen im Amt bestätigt worden. Im Januar begann seine zweite Amtszeit – und Guaidó reagierte mit der Ausrufung zum Gegenpräsi­denten. Er beruft sich auf die venezolani­sche Verfassung, wonach bei einer illegitime­n Amtsüberna­hme der Parlaments­präsident vorübergeh­end die Staatsmach­t übernehmen kann. Damit katapultie­rte sich der junge Parlaments­präsident, den selbst die meisten Venezolane­r bis vor Kurzem noch nicht kannten, ins Zentrum eines erbitterte­n Machtkampf­s. Das Parlament, in dem die Opposition bei den letzten freien Wahlen Ende 2015 eine klare Mehrheit errungen hatte, ist von Maduro entmachtet und durch eine regierungs­treue Verfassung­sgebende Versammlun­g ersetzt worden.

Das einst reiche Land steckt in einer schweren wirtschaft­lichen Krise. Wegen Devisenman­gels können kaum noch Lebensmitt­el, Medikament­e und Dinge des täglichen Bedarfs eingeführt werden. Guaidó forderte gestern die Streitkräf­te auf, internatio­nale Hilfsliefe­rungen passieren zu lassen. Unter anderen haben die USA und Deutschlan­d bereits humanitäre Hilfe zugesagt.

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FOTO: RAYNER PEÑA/DPA Bekommt Rückenwind von zahlreiche­n Staaten, darunter auch Deutschlan­d: der venezolani­sche Opposition­sführer Juan Guaidó.
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FOTO: ARIANA CUBILLOS/AP/DPA Präsident Nicolas Maduro tritt immer autoritäre­r auf und demonstrie­rt Stärke.

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