Shakespeare im Komödienstadl
„Shakespeare in Love“kennt man als Film. Jetzt kann man die Bühnenversion im Saarländischen Staatstheater sehen. Die Premiere kam blendend an.
den feinnervigen Humor, den doppelten Boden, der zwischen Kitsch und Emphase vibrierte.
Wir sind in London, 1593: Shakespeare quält sich mit einer Schaffenskrise. Er verliebt sich in die Adelige Viola, die, obwohl es verboten ist, auf die Bühne will, wo nur Männer in Frauenkleidern agieren. Als Mann getarnt schmuggelt sie sich in Shakespeares Stück „Romeo und Ethel, die Piratentochter“, das sich nach und nach in „Romeo und Julia“verwandelt. Zusätzlich geht es um Konkurrenzkämpfe zwischen Autoren und Intendanten und um ein hübsches Verwechslungs-Chaos. Die Handlung bietet eine feinherbe Mischung aus Melodram und Parodie auf den eitlen Theaterbetrieb.
Bruinier macht daraus einen Knallbonbon-Shakespeare. Volker Thiele hat dafür das Rund des Globe-Theaters auf die Staatstheater-Bühne gebaut. Es wartet, anders als zu Shakespeares Zeiten, mit papageiengelben Vorhängen vor Logen auf, die sich für Einzelszenen öffnen oder den Blick auf die Liveband frei geben. Es herrscht ein kruder optischer Mix unterschiedlicher Epochen und Milieus; mal wähnt man sich in einem Mafiosi-Film, dann wieder im Zirkus. Latin-Lover-Luden im Zottelpelz (Ali Berber) treffen auf Renaissance-Pfauen in türkisfarbenem Brokat (Gregor Trakis), der Hofmarschall (Thorsten Loeb) tritt als Karl-Lagerfeld-Karikatur auf, und die Amme (Verena Bukal) schwingt ein Mary-Poppins-Schirmchen. Die Kostüme (Elisabeth Vogetseder) darf man als ästhetische Beleidigung bezeichnen: Die Darsteller stecken in Puffhöschen, übergroßen Sportswear-Jacken oder Versace-Fummeln. Postkomödiantisches Theater? Der Wahnsinn hat Methode, wie sich an der Musik zeigt, eigens für die Saarbrücker Fassung komponiert. Achim Schneider entwickelte keinen markanten, spezifischen Sound. Man hört Volksweisen, Abenteuerfilm-Musik, Disco-Beats und Chanson. Nur für Will-Darsteller Philipp Weigand, der als einer der wenigen im Ensemble großartig singen kann, schrieb Schneider zwei richtig gute, traurige Balladen. So kann Weigand auch mal zeigen, dass er mehr drauf hat als den kindlich-trotzigen Shakespeare in Dauer-Rage. Weigand schenkt uns ach so rare gefühlsechte Minuten.
Seiner Angebeteten (Anne Rieckhof) hingegen nimmt man das taffe Girl nicht ab, das „Poesie, Abenteuer und eine Liebe“ansteuert, „die das Leben auf den Kopf stellt“. Auch Verena Bukal kann als Amme nicht punkten, gewinnt aber als Königin Elisabeth und „dea ex machina“, die den Theaterschwindel verzeiht, scharfkantige Autorität. Selbst ein Raimund Widra, sonst ein Garant für exquisite Komik, liefert als Hippie-Dichter Marlowe nur Standardware ab, und als Geldgeber Fennyman ballert er zunächst nur peinlich platte Atze-Schröder-Nummern auf die Bretter. Am Ende jedoch agiert er als von sich selbst berauschter Mitspieler in Shakespeares Truppe at his best – ein komödiantisches Praliné! Nur ein einziger im Ensemble kann für sich beanspruchen, durchweg den richtigen Ton getroffen zu haben, auch gesanglich: Thorsten Köhler. Seine schmierige Theaterimpresario-Type Henslowe changiert vortrefflich zwischen Großmannssucht und Servilität. Und irgendwie schaffen es dann alle miteinander doch noch bis zum „Mysterium“: Das Ensemble lässt uns irgendwie vergessen, dass die Regisseurin diesmal als Petitessen-Händlerin unterwegs war.
Nächste Termine: heute, 9., 15., und 17. Februar. Karten und Informationen: Tel. (06 81) 309 24 86.