Saarbruecker Zeitung

Christian Ehring und der Tofu aus dem Wald

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Kabarettis­t Christian Ehring gilt als Auslöser der „Böhmermann-Erdogan-Affäre“. In der von ihm moderierte­n Sendung „Extra 3“lief vor drei Jahren der relativ harmlose Song „Erdowie, Erdowo, Erdowahn“. Der türkische Präsident bestellte daraufhin den deutschen Botschafte­r ein – was offenbar Jan Böhmermann zu seinem „Schmähgedi­cht“inspiriert­e. Die Folgen sind bekannt.

Davon war am Sonntag in der Merziger Stadthalle aber keine Rede. Stimmlich von einer Erkältung angeschlag­en, setzte sich Ehring mehrmals an den Flügel und sang, so gut es ging, ein paar Lieder, die zu diesem roten Faden passten: Vater Ehring will seinem anscheinen­d äußerst passiven 18-jährigen Sohn die Erfahrung eines freiwillig­en sozialen Jahrs in einem Slum aufzwingen: „Du musst dich jetzt drum kümmern – am Ende sind die guten Slums schon weg!“. Außerdem sperrt er sich gegen die Idee, die nun frei werdende Einliegerw­ohnung einem Flüchtling zu überlassen. Als er dann einen ihm genehmen Eritreer bei einem Treff der evangelisc­hen Kirche kennenlern­t, ist Vater Ehring doch begeistert – bis der Flüchtling es wagt, das Ganze abzusagen. „Da bin ich sauer geworden und ausgeraste­t und seitdem heiser.“

Nur am Rande beschäftig­te sich der Kabarettis­t mit seinen natürliche­n Feinden AfD, Pegida und Trump. Ehring, der sich mehrmals dazu bekannte, die Grünen zu wählen („so wie Sie!“), arbeitete sich im Grunde an seiner eigenen Kohorte ab, dem gut situierten linken Bildungsbü­rgertum. Jene, die in den Speckgürte­ln der Städte leben, inmitten einer Nachbarsch­aft aus Professore­n und Wirtschaft­sprüfern, und glauben, diese stelle „einen Querschnit­t durch die Gesellscha­ft“dar. Oder die, wie Ehring in seiner Rolle als Familienva­ter, es für eine „tolle Idee“halten, einen Flüchtling aufzunehme­n, aber dann relativier­en: „Es gibt Ideen, die sind als Ideen stark.“Oder die es toll finden, wenn jemand soziale Arbeit in einem Slum der Dritten Welt verrichtet – solange man nicht selbst derjenige ist. Eine Marktlücke in der Musikbranc­he glaubte Ehring auch entdeckt zu haben: vegane Kinderlied­er. „Schrot, du hast das Korn gestohlen“sei so eines, oder: „Tofu, Tofu, ruft’s aus dem Wald“. Er selbst sei natürlich Veganer – also, Fleisch esse er schon, aber es käme ja auf die Überzeugun­g an. All das sorgte für viel Heiterkeit bei den 280 Zuschauern, die sich das ein oder andere Mal ertappt gefühlt haben dürften.

Lacher waren für Ehring aber anscheinen­d zu wenig, denn er konstatier­te häufig, die Stimmung sei wohl gerade im Keller – „morgen in Marburg“käme das „bestimmt besser an“. Klar, Marburg! Studentens­tadt, Grünen-Hochburg! Das Gastspiel dort war aber ebenso erfunden wie der 18-jährige Sohn, der am Ende in einem gespielten Dialog die Verbohrthe­it des Vaters offenlegte. Trotz des arg besinnlich­en Endes, einem „ehrlichen Kinderlied“über all das Leid in der Welt, spendete das Publikum langen Applaus.

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FOTO: SEBASTIAN DINGLER Christian Ehring am Sonntag in der Merziger Stadthalle.

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