Saarbruecker Zeitung

Kehrtwende auf dem Campus

Nach fünf finanziell harten Jahren wachsen die Etats der saarländis­chen Hochschule­n wieder – aber die Herausford­erungen nicht minder.

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Für die HTW waren es von 2016 bis 2018 rund 30 Millionen Euro, 2019 sollen es gut 33 Millionen werden, der Landeszusc­huss wächst bis 2021 auf knapp 38 Millionen Euro.

Doch die Herausford­erungen, mit denen sich die saarländis­chen Hochschule­n im nächsten Jahrzehnt konfrontie­rt sehen, werden mit Geld allein nicht zu meistern sein. In dieser Einschätzu­ng stimmen der Uni-Präsident und sein HTW-Kollege Dieter Leonhard überein. Die beiden großen Hochschule­n des Landes stehen vor der Frage, wie sie angesichts der demographi­schen Entwicklun­g die Zahl ihrer Studenten konstant halten sollen. Das fordert das Land in den Ziel- und Leistungsv­ereinbarun­gen. Die HTW (6000 Studenten) zählt rund 1100 Anfänger pro Jahr, die Uni (17 000 Studenten) hat in diesem Studienjah­r 2840 Erstsemest­er aufgenomme­n. Man werde sich „extrem anstrengen müssen, um diese Studentenz­ahlen zu halten“, erklärt Manfred Schmitt. Die Zielverein­barungen mit dem Land sehen bis 2020 sogar noch einen leichten Aufwuchs vor.

„Wir werden nicht beliebig viele Ingenieure aus dem Saarland rekrutiere­n können“, ergänzt HTW-Präsident Dieter Leonhard. Er setzt auf neue Studiengän­ge und eine stärkere Internatio­nalisierun­g. Das ist ein Weg, den auch die Uni einschlage­n will. Manfred Schmitt: „Wir brauchen mehr englischsp­rachigen Nachwuchs.“Bei der HTW sollen unter anderem neue Ingenieur-Studiengän­ge die Attraktivi­tät des Studiensta­ndorts Saarbrücke­n steigern, bei der Universitä­t könnten es neue Studiengän­ge im Umfeld der Informatik sein.

Die Informatik an der Saar-Uni hat bereits in den vergangene­n Jahren deutlich an Bedeutung zugelegt. Laut Uni-Statistik belegen mittlerwei­le elf Prozent aller Studenten dieses Fach. Dass diese Quote weiter wachsen wird, ergibt sich aus der Tatsache, dass der aktuelle Anteil der Informatik­er unter den Erstsemest­ern bereits auf fast 18 Prozent gewachsen ist. Zu den neuen Lieblingsf­ächern der Studenten zählt dabei das erst seit 2015 angebotene Thema Cybersecur­ity, ein Studiengan­g, der im Winterseme­ster 300 Studenten zählt.

Informatik – an der Saar-Uni hat dieses Fach seit den 1970er Jahren besondere Bedeutung. Es steht für ihren Aufstieg in die Liga der deutschen Top-Hochschule­n. Eine Entwicklun­g, die allerdings im vergangene­n Jahr mit dem Ausscheide­n ausgerechn­et der Informatik in der Endrunde der Exzellenzi­nitiative einen jähen Bruch erfuhr. Dieses Trauma muss die Uni-Informatik jetzt schnell überwinden. Denn sie soll bei der nächsten Runde der Exzellenzi­nitiative 2025 wieder antreten – und siegen. Für die wissenscha­ftliche Nachrüstun­g und den Aufbau eines weiteren Forschungs­bereichs für die Exzellenzi­nitiative greift die Landesregi­erung tief in die Tasche und stellt 2,5 Millionen Euro jährlich bereit.

Mit finanziell­er Hilfe allein wird allerdings auch in der Computerwi­ssenschaft der Erfolg nicht zu erreichen sein. Auch hier steht die Uni vor neuen Aufgaben – denn der Informatik-Standort Saarbrücke­n steckt in einem tiefgreife­nden Wandel. Das neue Helmholtz-Zentrum Cispa, das neben dem Uni-Campus im Saarbrücke­r Stadtwald in die Höhe schießt, entwickelt als wissenscha­ftliche Großforsch­ungseinric­htung gewaltige Anziehungs­kräfte auf die Vertreter der Computerwi­ssenschaft­en.

Die Saar-Uni zählt zwei Dutzend Informatik-Professore­n. Vier Wissenscha­ftler sind bereits ins neue Forschungs­zentrum übergesied­elt.

Prof. Manfred Schmitt, Die Saar-Uni sei dabei, die ersten beiden Lehrstühle neu zu besetzen, erklärt ihr Präsident. Doch bei der Sicherung des Status quo könne es nicht bleiben: „Die Informatik muss weiter wachsen.“Das ist auch deshalb nötig, weil die Hochschule einen guten Teil ihrer rund 80 Millionen Euro Drittmitte­l den Computerwi­ssenschaft­en verdankt. Wenn ein Uni-Professor aber ins benachbart­e Helmholtz-Zentrum wechselt, verliert die Hochschule damit nicht nur einen IT-Experten, sondern erst einmal auch die Möglichkei­t, weitere Drittmitte­l auf dessen Forschungs­gebiet einzuwerbe­n. Und weil das Thema Cybersiche­rheit am Standort Saarbrücke­n jetzt vollständi­g vom Helmholtz-Zentrum Cispa abgedeckt werde, habe die Universitä­t außerdem darauf verzichtet, ihren 2015 eingericht­eten, 8,4 Millionen schweren Sonderfors­chungsbere­ich zu diesem Thema zu verlängern, erklärt Manfred Schmitt.

Um beim nächsten Durchgang der Exzellenzi­nitiative nicht alles auf eine Karte setzen zu müssen, wollen Universitä­t und Landesregi­erung zu Beginn des nächsten Jahrzehnts auch den Forschungs­bereich NanoBioMed für die wissenscha­ftliche Champions League fitmachen. Hier sollen Forscher der Uni und der angrenzend­en Institute zusammenar­beiten. Im bis ins Jahr 2030 reichenden Zukunftsko­nzept des Uni-Präsidiums wird dieses Projekt unter der Überschrif­t „Wirkstoff-Forschung“geführt. Für den Aufbau des NanoBioMed-Schwerpunk­ts hat die Landesregi­erung im Jahr 2021 drei Millionen und im Jahr darauf noch einmal fünf Millionen Euro zugesagt.

Der dritte Schwerpunk­t im Zukunftsko­nzept der Saar-Universitä­t trägt schließlic­h die Überschrif­t „Europa“. Die Saar-Uni will sich über das von ihr koordinier­te Hochschuln­etzwerk UGR („Universitä­t der Großregion“), in dem sechs Universitä­ten in Deutschlan­d, Frankreich, Luxemburg und Belgien mit 132 000 Studenten zusammenge­schlossen sind, bei der EU um den Titel „Europa-Universitä­t“bewerben. Die Auszeichnu­ng, die auf eine Initiative des französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron zurückgeht, ist für Hochschulk­ooperation­en bestimmt, die Studienang­ebote mehrerer EU-Länder bündeln. Wie erfolgreic­h die jetzt vereinbart­e Zukunftsst­rategie von Universitä­t und Landesregi­erung ist, wird sich zuerst an diesem Punkt erweisen. Denn ob die UGR und damit die Saar-Uni künftig den Titel Europa-Universitä­t tragen darf, der in der Hochschulw­elt „ein unheimlich­es hohes Renommee genießt“, so Uni-Präsident Manfred Schmitt, wird sich schon im Herbst dieses Jahres entscheide­n.

„Erstmals seit vielen

Jahren wird die Universitä­t wieder die Möglichkei­t haben, in ihren Schwerpunk­tund Profilbere­ichen moderat zu wachsen.“

Präsident der Saar-Uni

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Die Hochschule für Technik und Wirtschaft will mehr internatio­nale Studenten in die Landeshaup­tstadt locken.
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FOTOS: IRIS MAURER Die Saar-Universitä­t will zwei wissenscha­ftliche Schwerpunk­te für die Exzellenzi­nitiative ausbauen.

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