Saarbruecker Zeitung

Schneidewi­nds Detektiv war viel zu teuer

Am Landgerich­t Saarbrücke­n kann neuerdings auf Französisc­h verhandelt werden. Das Gesetz setzt dafür aber enge Grenzen.

- VON DANIEL KIRCH

Im Untreue-Prozess gegen den Homburger OB Rüdiger Schneidewi­nd (SPD) hat ein Gutachter herausgefu­nden, dass die Kosten für den von Schneidewi­nd beauftragt­en Detektiv viel zu hoch waren. Möglicher Schaden für die Stadt Homburg: mehr als 140 000 Euro.

Die vor fünf Jahren gestartete Frankreich-Strategie des Landes hat mittlerwei­le die Justiz erreicht: Vor zwei Zivilkamme­rn des Landgerich­ts Saarbrücke­n kann seit 1. Januar auf Französisc­h verhandelt werden. Neue Richterste­llen wurden dafür nicht geschaffen: Die drei zweisprach­igen Richter, die beide Kammern besetzen – darunter zwei Richter mit doppelter Staatsange­hörigkeit –, haben normalerwe­ise andere Aufgaben am Landgerich­t.

Wie aber passt das neue Angebot zum Grundsatz „Die Gerichtssp­rache ist deutsch“? Mit Verweis auf den entspreche­nden Paragrafen 184 im Gerichtsve­rfassungsg­esetz bezweifelt die AfD, dass das neue Angebot praktisch umsetzbar ist.

Man muss noch einen Paragrafen weiterlese­n, dann wird die Frage geklärt. Paragraf 185 bestimmt nämlich, dass bei einer Verhandlun­g unter Beteiligun­g von Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, auf einen Dolmetsche­r verzichtet werden kann, „wenn die beteiligte­n Personen sämtlich der fremden Sprache mächtig sind“. Auf diesen Paragrafen stützt das Präsidium des Landgerich­ts die Einrichtun­g der beiden Kammern. In anderen Bundesländ­ern haben Landgerich­te, etwa in Hamburg und Frankfurt, auf dieser Basis bereits Kammern eingericht­et, vor denen in englischer Sprache verhandelt wird.

Allerdings ist die Französisc­h-Erlaubnis eng begrenzt, sie gilt nämlich nur für die mündliche Verhandlun­g. Schriftsät­ze der Parteien, Verhandlun­gsprotokol­le, gerichtlic­he Verfügunge­n und Entscheidu­ngen müssen weiterhin in deutscher Sprache abgefasst werden.

Um möglichen Bedenken in Bezug auf die Rechtssich­erheit des Verfahrens Rechnung zu tragen, soll vor den beiden Kammern nach Angaben des Justizmini­steriums zudem nur dann auf Französisc­h verhandelt werden, wenn a) der Rechtsstre­it einen internatio­nalen Bezug aufweist und b) die Parteien innerhalb einer bestimmten Frist übereinsti­mmend erklären, dass sie die mündliche Verhandlun­g in französisc­her Sprache führen wollen und auf einen Dolmetsche­r verzichten. Die Zahl der Rechtsstre­itigkeiten, für die eine französisc­he Verhandlun­gsführung infrage kommt, dürfte also begrenzt sein.

Um die Sprache vor Gerichten gibt es seit Jahren eine Diskussion in der juristisch­en Fachöffent­lichkeit. Der Bundesrat hat bereits drei Mal – zuletzt im Dezember 2018 – den Versuch unternomme­n, an den Landgerich­ten die Einrichtun­g englischsp­rachiger Kammern für Wirtschaft­sprozesse zuzulassen – und zwar ohne die erwähnten Einschränk­ungen, wie sie bisher gelten. Bisher hat sich dafür im Bundestag keine Mehrheit gefunden.

Interessan­terweise wehrte 2010 der damalige Saar-Ministerpr­äsident und heutige Bundesverf­assungsric­hter Peter Müller (CDU) einen entspreche­nden Vorstoß mit den Worten ab: „Die Amtssprach­e in Deutschlan­d ist und bleibt deutsch. Das muss auch für alle Gerichte gelten.“Müller führte unter anderem ins Feld, dass ein Verfahren in englischer Sprache „nur schwerlich mit dem Öffentlich­keitsgrund­satz vereinbar“sei. Dieser besagt, dass Prozesse für jedermann verständli­ch ablaufen müssen. Gerade dies sei bei einer Verhandlun­g in englischer Sprache jedoch „nur einem verschwind­end geringen Prozentsat­z der Bevölkerun­g möglich“. Gleichwohl gab es schon damals den Paragrafen 185, der eine mündliche Verhandlun­g in einer fremden Sprache zulässt.

Die Befürworte­r argumentie­ren seit Jahren anders, etwa in dem im Dezember vom Bundesrat beratenen Gesetzentw­urf: „Die Begrenzung der Gerichtssp­rache auf Deutsch trägt damit dazu bei, dass bedeutende wirtschaft­srechtlich­e Streitigke­iten entweder im Ausland oder vor Schiedsger­ichten ausgetrage­n werden – zum Nachteil des Gerichtsst­andortes Deutschlan­d und deutscher Unternehme­n.“Mit der gleichen Begründung wurden nun am Landgerich­t Saarbrücke­n die französisc­hsprachige­n Kammern eingericht­et. Auch erhofft sich das Land einen Standortvo­rteil für die Ansiedlung frankophon­er Unternehme­n. Der Europa-Bevollmäch­tigte Roland Theis (CDU) berichtete nach Vorträgen und Gesprächen in Frankreich jedenfalls, die beiden neuen Kammern am Landgerich­t stießen jenseits der Grenze auf großes Interesse.

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FOTO: HARTMANN/DPA Schriftsät­ze und Verhandlun­gsprotokol­le müssen auch künftig in deutscher Sprache abgefasst sein.

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