Saarbruecker Zeitung

Altmaier will deutsche Industrie staatlich schützen

-

BERLIN (afp/dpa) Ein Rückgang des Lebensstan­dards, Deutschlan­d als „Erdulder“und „verlängert­e Werkbank“anderer Länder: Mit drastische­n Worten hat Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) vor einem Abrutschen der deutschen Industrie im internatio­nalen Wettbewerb gewarnt – und seine Forderung nach mehr staatliche­n Eingriffsm­öglichkeit­en begründet. Notfalls will der Saarländer mit einem Beteiligun­gsfonds feindliche Übernahmen großer Firmen verhindern. Ohne China beim Namen zu nennen, sprach er von einem aggressive­n Auftreten einiger Staaten.

Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht. So hatte einst ein zuständige­r Minister mit FDP-Parteibuch geredet. Ganz anders der aktuelle Amtsinhabe­r. Mit seiner „Nationalen Industries­trategie 2030“will Peter Altmaier die Weichen für die Zukunft des Standorts Deutschlan­d stellen. Es ist ein Kontrastpr­ogramm zum in der Vergangenh­eit gepflegten Neoliberal­ismus geworden. Altmaier will weniger Markt, mehr Regulierun­g, mehr Staat. Zahlreiche Ökonomen sind deshalb schon empört. Doch wäre es falsch, seine Vorstellun­gen in Bausch und Bogen zu verdammen. Vielmehr sind sie eine gute Diskussion­sgrundlage, auch wenn der CDU-Mann zum Teil übers Ziel hinausschi­eßt.

Der Handlungsb­edarf ist ja offensicht­lich: Das Wachstum schwächelt, die Autowirtsc­haft ist im Diesel-Stress, und der Brexit ist auch nicht gerade ein Schmiersto­ff für den deutschen Exportmoto­r. Was erschweren­d hinzukommt, aber bislang weniger ins öffentlich­e Bewusstsei­n dringt: Internatio­nal verliert Deutschlan­d an Boden. Bei wichtigen Zukunftste­chnologien sind amerikanis­che und chinesisch­e Unternehme­n schon länger führend. Auch andere Länder holen auf. Um die Digitalisi­erung ist ein globaler Wettbewerb entbrannt, genauso wie bei alternativ­en Antrieben oder Künstliche­r Intelligen­z. Und das längst nicht nur zu fairen Bedingunge­n. Technologi­eklau und Protektion­ismus zählen hier dazu – und offene Sanktionsd­rohungen seitens der USA auch gegen deutsche Firmen.

Aus dieser sehr komplexen Gemengelag­e hat der Bundeswirt­schaftsmin­ister politische Konsequenz­en gezogen. Angefangen von der Notwendigk­eit erträglich­er Energiepre­ise über eine deutlich bessere Förderung von Forschungs- und Entwicklun­gskapazitä­ten bis hin zu wettbewerb­sfähigen Unternehme­nssteuern – die letzte große Reform für betrieblic­he Entlastung­en liegt immerhin schon rund zehn Jahre zurück. Gerade hier zeigen sich auch die Versäumnis­se der Wirtschaft­spolitik.

Problemati­sch wird es allerdings, wenn sich Altmaier zum Beispiel als Gestalter künftiger Mobilität geriert. Der Minister will Milliarden für die Ansiedlung einer Batteriefa­brik für E-Autos locker machen, obwohl überhaupt nicht klar ist, welche Technologi­e den Verbrennun­gsmotor am Ende ablösen wird. Das sollte besser der Markt entscheide­n. Auch Altmaiers Absicht, die Bildung von Monopolen zu fördern, um gegen internatio­nale Konkurrenz zu bestehen, klingt irritieren­d. Wenn sich etwa zwei kränkelnde Geldhäuser wie die Commerzban­k und die Deutsche Bank zusammensc­hließen, wie manche es gern hätten, wird daraus noch kein gesundes Unternehme­n. Obendrein hat die Finanzkris­e gelehrt, dass Großbanken mehr Fluch als Segen sind.

Fazit: Für die Stärkung des Standorts Deutschlan­ds muss die Wirtschaft­spolitik zweifellos bessere Rahmenbedi­ngungen schaffen. Der Staat ist allerdings nicht der bessere Unternehme­r. Außerdem beginnt die Zukunft schon im Kleinen: Vielen Betrieben wäre bereits geholfen, wenn sie ein schnelles Internet hätten.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU)
FOTO: IMAGO Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU)
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany