Saarbruecker Zeitung

Für Venedig muss man bald Eintrittsg­eld zahlen

Ab 2020 will Venedig seine Besucher zur Kasse bitten und Eintrittsg­eld verlangen.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Ein Besuch in Venedig könnte bald noch teurer werden. Ein Gesetzesvo­rschlag der Stadtregie­rung sieht vor, bis zu zehn Euro Eintrittsg­eld zu verlangen. Damit wehrt sich die Lagunensta­dt gegen den Touristen-Ansturm.

Seit Tagen der venezianis­chen Republik wird Venedig „La Serenissim­a“genannt, was so viel wie „Durchlauch­teste“bedeutet. Man würde sich nicht wundern, wenn sich Touristen demnächst neue Spitznamen für die Lagunensta­dt ausdächten. „La Carissima“, zum Beispiel, die Teuerste. Denn ab 1. Januar 2020 wird in Venedig ganz offiziell Eintrittsg­eld verlangt. Eintritt für den Besuch einer Stadt? Ja, so ist es.

Die Stadtregie­rung hat einen Gesetzesvo­rschlag vorgelegt, der noch vom Stadtrat bestätigt werden muss. Die Pläne sind durchaus konkret. Sechs Euro sollen Besucher dann an normalen Tagen bezahlen, acht an Tagen mit mittlerem Ansturm und zehn Euro an Karneval oder im August, wenn die Stadt aus allen Nähten platzt. 28 Millionen Besucher sollen es zuletzt pro Jahr gewesen sein, obwohl eine Studie nahelegt, dass die Stadt mit ihren nur noch 55 000 Einwohnern gerade einmal 7,5 Millionen Besucher pro Jahr verträgt.

In Venedig wird seit Jahrzehnte­n über eine Begrenzung des ausufernde­n Tourismus diskutiert, nun kommt allem Anschein nach das Venedig-Ticket. Schon jetzt zahlen Besucher einen Touristen-Zuschlag in Höhe von drei Euro, der auf die Hotelrechn­ung aufgeschla­gen wird. Hier steckt auch der Clou des neuen Tickets: Wer in der Stadt übernachte­t, zahlt weiter den bisherigen Aufschlag. Die Eintrittsk­arte für die Stadt ist Tagestouri­sten vorbehalte­n.

Sie, die mit Stippvisit­en und nicht selten auch mit improvisie­rten Picknicks kaum etwas in die Kassen der Stadt und ihrer Bewohner spülen, sollen zur Kasse gebeten werden. Die Touristena­bgabe soll bei der Benutzung von öffentlich­en und privaten Verkehrsmi­tteln als Aufschlag erhoben werden. 75 Minuten Venedig an einem kühlen Tag im August kosteten dann 20,50 Euro: 10,50 Euro für ein 75-Minuten-Ticket mit dem Vaporetto-Wasserbus und zehn für das Stadtticke­t.

Bereits vergangene­s Jahr ließ die Stadtverwa­ltung unter dem umstritten­en Bürgermeis­ter Luigi Brugnaro Drehkreuze an neuralgisc­hen Stellen der Stadt installier­en, um den Besucheran­sturm besser zu bewältigen. Demselben Kalkül ist nun auch die neue Maßnahme geschuldet. „Das Ziel ist, mit der Zeit die Touristens­tröme der Stadt zu kontrollie­ren und die Ankünfte ab 2022 vorherzuse­hen“, sagte Brugnaro, der die verschulde­te Kommune finanziell sanieren will. In zwei Jahren soll die Venedig-Reservieru­ng für Tagesbesuc­her verpflicht­end werden. Niemand würde der Zugang verwehrt, erklärte Brugnaro. Es würde nur komplizier­ter. Die Kosten rechtferti­gt der Bürgermeis­ter mit der Instandhal­tung der Stadt.

Eine Frage bleibt offen: Verkauft sich Venedig weiter? Denn es ist unwahrsche­inlich, dass eine Eintrittsg­ebühr tatsächlic­h den Ansturm reduzieren kann und soll. Einige Bürgerinit­iativen protestier­en seit Langem gegen die Einfahrt der riesigen Kreuzfahrt­schiffe in den Hafen der Stadt, deren Passagiere sich dann tagsüber massenhaft in die Straßen der Stadt ergießen und abends wieder an Bord gehen. Aber Venedig ist ein Geschäft, nicht zuletzt für die Venezianer selbst. Viele profitiere­n von den hohen Mieteinnah­men für Geschäfte und Restaurant­s oder vom Immobilien-Verkauf. Eintrittsk­arten gab es bislang allerdings nur im Museum. Wechselt Venedig 2020 dann die Kategorie? Wird aus einer Stadt ein Museum?

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FOTO: ANDREA MEROLA/ANSA/DPA Ein Protestban­ner mit dem Wort „Venexodus“hängt an der Rialtobrüc­ke. Bewohner der Lagunensta­dt protestier­en damit gegen die zunehmende Zahl von Touristen, die Venedig besuchen.

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