Saarbruecker Zeitung

Wer in der SPD zurzeit welches Spielchen spielt – und warum

Minister-Gezerre um die Grundrente, Seitenhieb­e vom Altkanzler: Bei den Genossen geht es wieder einmal rund. Der Druck auf Parteichef­in Nahles steigt.

- VON HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Joachim Wollschläg­er

Die Genossen sind dieser Tage mal wieder nicht zu beneiden. Kaum verkündet Arbeitsmin­ister Hubertus Heil sein Milliarden­geschenk einer „Respektren­te“, schon grätscht Finanzmini­ster Olaf Scholz warnend dazwischen. Abstimmung sieht anders aus. Die SPD kommt nicht vom Fleck. Schlimmer noch: Bei den anstehende­n Wahlen droht sie in der Bedeutungs­losigkeit zu versinken. Wer spielt jetzt welches Spiel?

Die Enttäuschu­ng über die Partei- und Fraktionsc­hefin ist groß. Nahles ist es nicht gelungen, nach der desaströse­n Bundestags­wahl die SPD flott zu machen. Im Gegenteil: Die Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen gingen verloren. Hinzu kommen überdrehte Auftritte („Bätschi“) und Fehler wie in der Maaßen-Affäre. Auf einer Klausur am Wochenende will man das Ruder nun herumreiße­n mit Beschlüsse­n, die das soziale Profil schärfen sollen. Wird die Europawahl dennoch zum Debakel, und sollte zugleich das Stammland Bremen abhanden kommen, drohen Nahles und der SPD Chaostage. Olaf Scholz: Von der ruhigen Hand des Finanzmini­sters und Vizekanzle­rs haben sich viele erhofft, dass sich das Regieren für die SPD in der umstritten­en Groko doch auszahlt. Die Hoffnung ist zerplatzt. Gleichwohl drängt Scholz immer mehr in die Offensive. Er will jetzt noch mehr als Sparkommis­sar punkten, als Hüter der schwarzen Null. Genau das dürfte ihn aber in der Partei nicht beliebter machen. Seine Einlassung, sich die Kanzlerkan­didatur vorstellen zu können, kam zur Unzeit und hat viele verärgert. Stephan Weil und Manuela Schwesig: Nicht gerade viele kommen in Betracht, sollte die SPD mal wieder das Zugpferd wechseln. Falls die Partei bei den anstehende­n Wahlen untergeht, werden hinter den Kulissen immer der niedersäch­sische Ministerpr­äsident Stephan Weil und die Regierungs­chefin von Mecklenbur­g-Vorpommern, Manuela Schwesig, als potentiell­e Nahles-Nachfolger genannt. Beiden wird ein großer Machtwille unterstell­t. Weil gilt als erfolgreic­her Wahlkämpfe­r und als besonders verlässlic­h. Einer, der auch bürgerlich­e Wähler ansprechen könnte. Franziska Giffey: Die Berlinerin ist so etwas wie die Geheimfavo­ritin für eine mögliche Nahles-Nachfolge. Akribisch hat sie sich in ihr Amt als Familienmi­nisterin eingearbei­tet, sie kennt die Probleme der Menschen aus ihrer Zeit als Bezirksbür­germeister­in. Giffey ist „nah bei de Leut“, wie der frühere Vorsitzend­e Kurt Beck immer gefordert hat. Und sie ist die SPD-Ministerin, die erfolgreic­h ihre Vorhaben umsetzt. Martin Schulz: Der bei der Bundestags­wahl gefallene Superstar lauert auf seine zweite Chance. Angeblich hatte Schulz gehofft, Spitzenkan­didat für die Europawahl zu werden, doch das kam für die Parteiober­en nicht in Frage. Nun heißt es, falls Nahles im Frühjahr zumindest den Posten der Fraktionsc­hefin aufgeben sollte, stehe Schulz bereit. Seine leidenscha­ftlichen Auftritte im Bundestag gegen die AfD klangen bereits wie Bewerbungs­reden. Sigmar Gabriel: Der Ex-SPD-Chef und Außenminis­ter wurde von Nahles und Scholz aufs Altenteil abgeschobe­n. Er hat noch eine Rechnung offen. Daran lässt Gabriel bei Twitter keinen Zweifel – zuletzt konnte er sich beim Lob für Heils Rentenplän­e einen Seitenhieb gegen Nahles als frühere Arbeitsmin­isterin nicht verkneifen. Als er allerdings noch amtierte, haben die Genossen kein gutes Haar an ihm gelassen. Wegen seines barschen Führungsst­ils und der inhaltlich­en Unstetigke­it. Aber Gabriel hat politische­n Instinkt. Deswegen wünschen sich viele ein Revival – er offenbar auch.

Gerhard Schröder: Wie bei den legendären „Muppets“sitzt der Altkanzler derzeit auf dem Balkon und gibt seiner Partei gute „Rat“-Schläge. Sie bestehen darin, Nahles anzugreife­n, ihr „Amateurfeh­ler“zu unterstell­en und Gabriel anzupreise­n. Schröder geht es darum, sein Erbe der Agenda 2010 zu verteidige­n, das die Vorsitzend­e jetzt schleifen will. Zudem hat Schröder von Nahles nie viel gehalten – umgekehrt sie von ihm aber auch nicht.

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FOTO: KUMM/DPA Die SPD-Mannschaft um Andrea Nahles (Mitte) hatte schon bessere Zeiten. Zum Umfragetie­f kommen Pannen bei der internen Abstimmung.

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