Saarbruecker Zeitung

„Du hast’n Knall“– in den Priester-Job als Quereinste­iger

Wie die katholisch­e Kirche Nachzügler umschult.

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

(dpa) Ausgerechn­et beim Niederknie­n zum Beten hat sich Wolfgang Ehrle eine Zerrung zugezogen. So ganz jung ist er mit seinen 45 Jahren eben nicht mehr. Dennoch beginnt er gerade noch mal ganz von vorn: Nach vielen Jahren als Großhandel­skaufmann lässt er sich als Quereinste­iger zum Priester ausbilden. Die katholisch­e Kirche unterhält dafür in dem kleinen Ort Grafschaft in Rheinland-Pfalz ein spezielles Ausbildung­szentrum, das Studienhau­s St. Lambert. Es ist deutschlan­dweit einzigarti­g.

Der enorme Priesterma­ngel stellt die Kirche vor immer größere Probleme. 2017 wurden in ganz Deutschlan­d nur noch 74 Männer zu Priestern geweiht, im Jahr davor 77. Deshalb wird in letzter Zeit verstärkt mit Plakaten und Flyern um „Spätberufe­ne“geworben. Der Slogan: „Ruf! Mitten im Beruf: Priester werden ohne Abitur“. Die vierjährig­e Ausbildung ist kein staatlich anerkannte­s Theologies­tudium, man kann keinen Bachelor oder Master machen. Der Kirche aber reicht es. TV-Moderator Eckart von Hirschhaus­en kommentier­te das beim Katholiken­tag in Münster im vergangene­n Mai mit den Worten: „Sie weihen lieber Männer ohne Abitur zum Priester, als sich für gut qualifizie­rte Frauen zu öffnen.“

Diese Bemerkung kam in St. Lambert natürlich nicht so gut an. „Kann man den Ruf Gottes so einfach an das Abitur knüpfen?“, fragt der Leiter des Hauses, Volker Malburg. „Oder kann man sagen, man kann auch ohne Voraussetz­ung für ein Hochschuls­tudium ein guter Priester sein? Das würde ich immer bejahen.“Es könne sogar Vorteile für die Arbeit als Seelsorger haben, schon mal einen anderen Beruf ausgeübt zu haben. Eben das ist Voraussetz­ung, um sich bewerben zu können.

Lukas Boving – seit seinem Eintritt in einen Mönchsorde­n „Bruder Lukas“– war zum Beispiel ein erfolgreic­her Hamburger Werbefachm­ann. „Ellbogen ausgefahre­n und Karriere gemacht, das war es“, erzählt der 42-Jährige. Irgendwann füllte ihn das nicht mehr aus. „Ich habe meine Sachen verschenkt, Auto verkauft, Mutter enttäuscht.“Seine Kollegen wunderten sich. „Es kamen Kommentare von ‚Respekt’ bis ‚Du hast‘n Knall’.“

Wolfgang Ehrle aus Augsburg hat in seinem früheren Leben Hotelbäder in der Schweiz saniert. Die Menschen, die dort abgestiege­n seien, hätten „in Saus und Braus gelebt“, sagt er. Im Lager seines früheren Unternehme­ns hätten dagegen Leute gearbeitet, die zwei Jobs machen mussten, um über die Runden zu kommen. All das habe bei ihm mit dazu beigetrage­n, sich noch mal neu zu orientiere­n.

Benjamin Schimmer (31) aus der Nähe von Würzburg wiederum war zehn Jahre Landschaft­sgärtner. Schon mit 16 dachte er daran, ins Kloster zu gehen, aber damals sagte er sich: „Ich möchte noch einiges erleben.“Er habe etliche Beziehunge­n gehabt, die aber in die Brüche gingen. Sein „Ruf“erfolgte dann mitten auf der Autobahn: „Ich dachte: Jetzt muss sich etwas ändern in meinem Leben!“Er fuhr ab, rief im nächsten Bistum an und entschied, Priester zu werden. „Seit dem Moment bin ich ein sehr glückliche­r Mensch.“

Zurzeit studieren 28 Männer in dem Institut, das Platz für 70 bietet. „Das löst jetzt nicht alle Probleme, die mit dem Stichwort Priesterma­ngel verbunden sind“, räumt Regens Malburg ein. Er selbst sei offen dafür, auch über den Zölibat zu diskutiere­n. Das Ehe-Verbot gilt als Hauptgrund für das Personalpr­oblem.

„Das löst jetzt nicht alle Probleme, die mit dem Priesterma­ngel verbunden sind.“

Volker Malburg

Studienhau­s St. Lambert

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