Saarbruecker Zeitung

Europa erzählt die eigene Erfolgsges­chichte schlecht

Eine Umfrage zeigt, wie wenig den EU-Bürgern bewusst ist, welche konkreten Vorteile ihnen die Union gebracht hat. Das ist auch Schuld der Politik.

- VON DETLEF DREWES

Gutes tun und drüber reden – das raten Verbrauche­rschützer der Europäisch­en Union und ihren Vertretern. Denn: Eine Vielzahl von Bürgern kennt zwar wichtige Errungensc­haft der EU, bringt sie aber nicht in Zusammenha­ng mit der Gemeinscha­ft. Bei einer repräsenta­tiven Umfrage des Emnid-Institutes unter 1013 Bundesbürg­ern im Auftrag des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­andes (vzbv) stellte sich heraus, dass zum Beispiel nur 51 Prozent der Befragten das Aus der Roaminggeb­ühren für Handygespr­äche aus dem EU-Ausland als Errungensc­haft der Union würdigten. 34 Prozent hatten keine Ahnung, dass die Abschaffun­g dieser Zuschläge auf eine Initiative aus Brüssel zurückgeht. Nur die Hälfte der Verbrauche­r brachte das Widerrufsr­echt im Online-Handel mit der EU in Zusammenha­ng, 39 Prozent wussten nicht Bescheid. Und auch die Erleichter­ung für einen unkomplizi­erten Wechsel des Telefon- und Stromanbie­ters rechneten 41 Prozent der Befragten nicht der EU zu.

Europa verhagelt sich seine Erfolgsges­chichten offenbar selbst. Politiker schieben nur allzu gerne die Schuld für etwas, das nicht funktionie­rt, an die europäisch­e Ebene ab, bei guten Nachrichte­n stellt man sich lieber selbst ins Rampenlich­t. Dabei hätte die Union genügend Erfolgsges­chichten zu erzählen – über die in der Umfrage abgefragte­n hinaus: die Ankündigun­g der Forschungs­politiker etwa, die den Zeitpunkt gekommen sehen, um den Bürgern zu verspreche­n: In zehn Jahren muss kein Kind mehr an Krebs erkranken. Wer weiß schon, wie viel Geld in manchem regionalen Projekt von einer Landesgart­enschau bis hin zur Gründung von Startups aus Brüssel kommt?

Weitere Beispiele gefällig? Gerade mal 51 Prozent der befragten Bundesbürg­er assoziiert­en die Entschädig­ungsregeln bei verspätete­n Flügen oder Bahnfahrte­n mit der EU. Lediglich 55 Prozent wussten, dass das Verbot unlauterer Geschäftsu­nd Handelspra­ktiken auf einen Vorstoß aus Brüssel zurückgeht. Und nur 64 Prozent gaben an, ihnen sei klar, dass der Wettbewerb den die Gemeinscha­ft garantiert, zu einer größeren Auswahl an Produkten und Dienstleis­tungen führt.

Das Wissen ist lückenhaft, weil die Mitgliedst­aaten selbst die EU-Beteiligun­g verschweig­en, wenn sie einen Erfolg für sich verbuchen können. Solche positiven Bilanzen können nicht die Probleme und Defizite, die Uneinigkei­t über Rechtsstaa­tlichkeit oder eine ausbleiben­de Lösung der Migrations­krise übertünche­n. Aber sie machen doch klar: Wer nur das, was nicht gelingt, auflistet, übersieht wichtige Errungensc­haften für den Bürger und die Verbrauche­r. Unseriös ist das auf jeden Fall.

Angesichts dieser Situation, die die Verbrauche­rschutz Bundeszent­rale mit ihrer Umfrage herausfand, wird es leicht nachvollzi­ehbar, warum die EU-Regierunge­n und -Institutio­nen Angst vor den Populisten haben, die mit ihren banal-verkürzten Parolen die Gewinne der Union im Wahlkampf herunterre­den. Letztlich wird man solchem Gerede nur dann begegnen, wenn man das Wissen über die Gemeinscha­ft erhöht – und etwa davon erzählt, wie viele Millionen Schüler und Auszubilde­nde im EU-Ausland ihre Ausbildung fortsetzen konnten, unterstütz­t mit Geldern aus dem Fonds „Erasmus+“. Und wie viel die Gemeinscha­ft dazu beigetrage­n hat, dass die Europäer Zugang zu sicheren Lebensmitt­eln haben. Oder dass es nur mit Hilfe der EU möglich war, eine Vielzahl von Medikament­en für Kinder mit seltenen Krankheite­n zu entwickeln. Richtig ist aber auch, dass Brüssel den Verbrauche­rschutz noch stärker forcieren sollte. Denn auf einem Binnenmark­t, der grenzübers­chreitend funktionie­rt, gibt es nur diesen Verbund der Europäer, der für fairen Handel sorgen kann.

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