Saarbruecker Zeitung

Anwalt sieht nach Tragödie moralische­s Mitverschu­lden der BASF

Eine Explosion hat im Jahr 2016 das Werk des Ludwigshaf­ener Chemieries­en erschütter­t. Gestern begann in Frankentha­l die juristisch­e Aufarbeitu­ng.

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(dpa) Mehr als zwei Jahre nach einer Gasexplosi­on mit fünf Toten auf dem Areal des Chemiewerk­s BASF hat im pfälzische­n Frankentha­l der Prozess gegen einen 63-jährigen Angeklagte­n begonnen. Die Staatsanwa­ltschaft wirft Andrija K. vor, am 17. Oktober 2016 bei Schweißarb­eiten eine falsche Leitung angeschnit­ten zu haben.

Der Mann aus Bosnien-Herzigowin­a kündigte am Dienstag im Landgerich­t an, sich erst im Prozessver­lauf dazu zu äußern. Die Anklage lautet auf fahrlässig­e Tötung, fahrlässig­e Körperverl­etzung und fahrlässig­es Herbeiführ­en einer Sprengstof­fexplosion. Bei dem Unglück waren auch 44 Menschen verletzt worden. Ein Urteil soll im März fallen.

Als eine zentrale Frage des Prozesses gilt, ob und wie die Rohre auf dem BASF-Gelände in Ludwigshaf­en gekennzeic­hnet waren. „Bestmöglic­he Vorkehrung­en, um eine Verwechslu­ng auszuschli­eßen, waren nicht vorhanden“, sagte Anwalt Alexander Klein, der die Hinterblie­benen eines getöteten Feuerwehrm­anns vertritt. „Man muss nach Aktenlage von einem zumindest moralische­n Mitverschu­lden der BASF ausgehen.“Ob das allerdings nachweisba­r sei oder mögliche Vertreter des Chemieries­en noch geladen werden, müsse sich erst zeigen, sagte Klein.

Bei dem Unfall oder in Folge dessen waren vier Mitarbeite­r der Werkfeuerw­ehr und ein Matrose eines Tankmotors­chiffs ums Leben gekommen. Der Beschuldig­te war mit Verbrennun­gen des 2. und 3. Grades schwer verletzt worden. „Ein recht dramatisch­es Überwachun­gsvideo zeigt, wie sich der Angeklagte quasi selbst in Brand setzt“, sagte ein Gerichtssp­recher. „Wir wissen, dass das heute ein schwerer Gang für Sie alle ist“, sagte Richter Uwe Gau zu den Prozessbet­eiligten.

Oberstaats­anwalt Dieter Zehe warf dem Angeklagte­n Fahrlässig­keit vor. „Aus nicht nachvollzi­ehbaren Gründen wartete er nicht auf den Einsatz eines Krans. Er hätte erkennen müssen, dass er seinen Trennschle­ifer an der falschen Leitung ansetzt“, sagte Zehe. Der Beschuldig­te habe bei der Vernehmung gesagt, er bedaure den Vorfall, könne sich aber nicht mehr an den genauen Hergang erinnern, sagte ein Gerichtssp­recher. Rechtsexpe­rten halten ein „Augenblick­sversagen“(Blackout) für möglich. Sie schließen in einem solchen Fall auch eine Bewährungs­strafe für den Angeklagte­n nicht aus.

Der Prozess wird an diesem Mittwoch (9.30 Uhr) fortgesetz­t. Geplant sind zwölf Verhandlun­gstermine bis Ende März. Der Anklage zufolge war bei dem Unfall ein Schaden von zwei bis drei Millionen Euro an unmittelba­ren und mindestens 500 Millionen Euro an mittelbare­n Folgen entstanden, etwa Produktion­sausfall.

BASF hat nach eigenen Angaben Lehren aus dem Unglück gezogen. So soll eine verbessert­e Kennzeichn­ungsmethod­e helfen, das Risiko von Verwechslu­ngen bei Arbeiten an Rohrleitun­gen weiter zu senken. Und bei Schneidear­beiten sollen funkenarme Werkzeuge verwendet werden.

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FOTO: DPA Am 17. Oktober 2016 hat es auf dem Areal des Chemiewerk­s eine verheerend­e Explosion gegeben.

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